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Meinung

Derby-Boykott: Das richtige Mittel?

Kein organisierter Support, keine Fahnen, keine Choreo – und das ausgerechnet beim Derby gegen Mönchengladbach. Ist das die richtige Entscheidung der Fanszene? Pro und Contra.

Kein organisierter Support, keine Fahnen, keine Choreo – und das ausgerechnet beim Derby gegen Mönchengladbach. Ist das die richtige Entscheidung der Fanszene? Pro und Contra.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Flasche leer zum Boykott

Seit über einer Woche belächeln wir Kölner die kindische und argumentativ lächerliche Vorgehensweise der Gladbacher im Rahmen des Derbys. Die offensichtliche Ausblendung von Tatsachen und Selbstbeweihräucherung hat zu viel Erheiterung und Kopfschütteln geführt.Und nun kommt der Südkurve 1. FC Köln e.V. mit einer eigenen Stellungnahme und Aktion daher.

Heute Mittag verkündete die Dachorganisation der organisierten Fanszene unter dem Titel „Fußball ohne Fans ist wie Köln ohne Dom“, dass beim Heimspiel gegen Gladbach auf optische Unterstützung durch Fahnen, Doppelhalter und Fanklub-Banner sowie organisierten Support verzichten wird. Es wird dazu aufgerufen, mit Spruchbändern gegen die Vorgehensweise des DFB bezüglich Begrenzung des Kartenkontingents und der Personalisierung der Tickets zu demonstrieren. Damit kommt die Südkurve ihrer selbst auferlegten Verpflichtung nach, sollten jemals Restriktionen aus dem DFL-Sicherheitspapier Anwendung finden, dagegen zu protestieren, unabhängig gegen welchen Verein diese durchgeführt werden. Man hält Wort.

Also was erlaubt sich da die Fanszene, wieder zu protestieren und zu boykottieren? Für einige eine Unverschämtheit. Die eigenen Fehltritte seien es doch gewesen, die die DFB-Sanktionen herbeigeführt hatten. Eine Position, die ich so nicht teile. Nein, ich denke sogar, dass dies genau die richtige Vorgehensweise ist. Schon die 12:12-Proteste hatten gezeigt, dass die Mehrheit der Fans die Maßnahmen seitens des Verbandes nicht gut heißt. An der Stelle die organisierte Fanszene im Allgemeinen dafür zu rügen, weil sie erstens organisiert und zweitens als einziges Sprachrohr für eine große Zahl an Fans agiert, halte ich für blind und voreingenommen.

Dass Fans ein Grundrecht wie jeder andere in diesem Land auf Protest haben, sollte von jedem akzeptiert werden. Sie treten in diesem Fall einem Maßnahmenkatalog entgegen, der letztlich bei Anwendung jeden Stadionbesucher betreffen kann. Jedem sollte allerdings auch bewusst sein, dass der Verein als solches gegen die DFB-Auflagen keine Handhabe hat. Wir sollten uns freuen, das unsere organisierten Fans, im Gegensatz zu manch anderen Fanorganisationen, der vernünftigen Argumentation mächtig sind und eine reale Sicht der Dinge vortragen kann. Hier sind kein „mimimimi“ und auch keine “aber die”-Verdrehungen zu finden. Sachlichkeit ohne Schuldzuweisungen und Weinerlichkeit, ebenso keine Selbstdarstellung oder -verherrlichung. Haben wir nicht genau deswegen uns köstlich über die Stellungnahmen aus der niederländischen Grenzregion amüsieren können?

In der „Protestnote“ wird gezeigt, wie man vernünftig auf Geschehnisse reagieren kann. Insbesondere, da so andere, radikalere Ausdrucksformen einiger weniger unterlaufen wird und das Ganze somit zur Befriedung der Gemüter, die weniger denken als am Ende handeln, beiträgt. Gerade die Kritiker der organisierten Fans, die an nahezu allen Handlungen etwas auszusetzen haben, sollten daher anfangen zu differenzieren. Nichts zu tun ist für viele in dieser Angelegenheit keine Option. Sie sollten Unterstützung erfahren, wenn das richtige tun. Sachlich und ohne Verstöße mit und für alle Fans und den Verein. Denn: Solidarität geht weit über Vereinsfarben hinaus. Gerade die Vergangenheit hat in Sachen Fanrechte gezeigt, dass eine „Wehret den Anfängen“-Einstellung zumindest nicht von der Hand zu weisen ist. Und wenn ein reduziertes Kartenkontingent nicht funktioniert, vielleicht tut es dann ein komplettes Gästeverbot. Und ganz ehrlich: Ein Derby ohne Gladbacher? Das würde wie schales Kölsch schmecken!

Marc Ritter

© effzeh.com

© effzeh.com

Das Mittel entleert den Zweck

Streng genommen handelt der Südkurve 1.FC Köln e.V. nach eindeutiger Beschlusslage. Er wird aktiv, wenn Inhalte des Sicherheitspapiers umgesetzt werden – auch bei Gästefans. Dazu kommt es nun beim Derby nach den Vorfällen der letzten Saison. Ferner gab es in der vergangenen Rückrunde bereits einen aktiven Stimmungsboykott, die auch aus den Reaktionen auf die Vorfälle des Derbys in Gladbach resultierten. Über den Sinn der vom DFB getroffenen Maßnahmen darf und muss man sicher streiten, über die Reaktionen darauf jedoch ebenso.

Es sind nun „die Fans, die Ihr nicht wollt“, die sich zum Protest in Form eines erneuten Boykotts entschlossen haben. Wenngleich der Protest sich ausschließlich gegen den DFB richten soll, wird er nicht ansatzweise die erhoffte Wirkung haben. Im Gegenteil: Der DFB freut sich, wenn die Unerwünschten draußen oder stumm bleiben; die Stimmung im Stadion wird ähnlich mies sein, wie während der letzten Rückrunde und der Ärger der weiteren effzeh-Fans im Stadion auf die Südkurve wird weiter anwachsen. Grotesk wirkt dies vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Spiel um das Derby gegen Borussia Mönchengladbach handelt.

Die eigene Entbehrlichkeit, der man mit diesem Beschluss entgegenwirken möchte, wird weiter verstärkt. Der Beschluss ist Wasser auf den Mühlen derjenigen, die schon immer der Meinung waren, dass sich exakt jene Fans wichtiger nehmen als den Verein, zu dem sie stehen. Er befeuert diese Haltung in geradezu trauriger Art und Weise. Wenn eine Fanszene in einem der emotionalsten Spiele des Vereins die eigenen Bedürfnisse rund um das Spiel stärker bewertet als das Spiel selbst, zerstört sie dadurch nicht nur sukzessive ihren schmalen Rückhalt. Sie zeigt dadurch, dass die ihnen oft unterstellte Selbstgerechtigkeit mindestens in diesem Falle zutrifft und reflektiert die Rolle nicht, der ihr bei den Vorfällen in der Vergangenheit zuteil wurde.

Abgesehen von einem achselzuckenden DFB werden vor allem die Gladbacher laut über diesen Beschluss der effzeh-Fanclubs lachen. Die peinliche, an Unlogik und Realitätsferne schwer zu übertreffende Stellungnahme des dortigen Fanprojekts rückt nun unverdientermaßen in den Hintergrund. Nicht nur der effzeh selbst, auch die an den Vorfällen in Gladbach sicher nicht unbeteiligten Fanclubs hätten hier klar Stellung beziehen können und das Gladbacher Fanprojekt als das dümmliche, arrogante und unreflektierte Kollektiv darstellen können, das es ist. Leider hat es der Verein vom Niederrhein es aber einmal mehr geschafft, die Deppenrolle in der Öffentlichkeit an den effzeh weiterzugeben – und wieder einmal bar jeder Rationalität. Wenn dies intendiert war, dann Chapeau. So viel Weitsicht wäre selbst in Mafiafilmen spektakulär.

Die Intention des Boykotts, nämlich gegen die unerträglichen Anzeichen für eine kontinuierliche Verschärfung der Fanrechte zu demonstrieren, ist lobenswert und richtig. Aber die Protestform „Boykott“ macht den Sinn der Aktion zunichte. Die mediale Darstellung wird sich auf die Vorfälle beim letzten Derby und den Boykott beschränken. Damit wird der Eindruck erweckt, die Fans würden sich uneinsichtig zeigen. Auch wenn dies nicht mit der Realität übereinstimmen mag, ist das der Eindruck, der haften bleibt. Und für den effzeh wird es ein Derby, bei dem die Stimmung schlecht ist. Wenn das Derby nicht gewonnen wird, könnte es somit auf Seiten des effzeh in dieser Sache ausschließlich Verlierer geben.

Christopher Kohl

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