Folge uns
.

Nachspiel

“Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten”

“Keine Handbremse”, meint Peter Stöger und zieht sie dann doch. So zeigt sich nach Dr. Jekyll mal wieder Mr. Hyde und der FC rumpelt sich mal wieder zum 0:0.

© effzeh.com

Als der damaligen DDR-Staatsratvorsitzende Walter Ulbricht auf einer internationalen Pressekonferenz am 15. Juni 1961 beteuerte, dass keine Mauer in Berlin errichtet wird, ahnte keiner, dass eben jene Mauer nur einen Monat später mitten in Berlin die Stadt teilen würden. Ulbricht hatte die Presse und das Volk einfach verarscht. Die Mauer wurde doch gebaut und somit zu einem der markantesten Symbole des Kalten Krieges. Nun ist der Fußball zumeist ja eine nicht ganz so ernste Sache wie das Leid, das den Menschen durch den Mauerbau zukam, doch die Begriffe Mauer, Beton und Planwirtschaft sind mehr als 25 Jahre nach dem Mauerfall noch immer feste Bestandteile in einigen Spielen des Ersten Fußballclubs Köln.

Der gewöhnliche Fan des grandiosesten Fußballvereins auf Welt war vor dem Auswärtsspiel in Augsburg allerdings frohen Mutes. Der Abstieg schien so gut wie abgewendet, Augsburg in schwacher Form und Peter Stöger in Feierlaune. Immerhin ließ sich der österreichische Trainer die Worte entlocken: “Ich erwarte kein Spiel mit angezogener Handbremse”. Nach 30 Minuten Rumpelfußball in der Fuggerstadt war dann aber schon klar: Der hat uns ja auch verarscht! Und spätestens nach 55 Minuten und dem ersten Kölner Wechsel war klar: Diese verdammte Mauer steht doch!

© effzeh.com

© effzeh.com

Ausgangslage

Wäre Josep “Pep” Guardiola Trainer des 1. FC Köln, was in spätestens fünf Jahren nach dem Champions-League-Triumph unter Peter Stöger und dessen Abgang zum Tabellenzweiten Red Bull St. Pauli sowieso der Fall ist, hätte er nach dem furiosen Spiel gegen Leverkusen und dem damit verbundenen Gefühls-Nichtabstieg wohl gesagt: “Es war ein super super Spiel. Ich liebe alle meine Spieler, ich hätte gerne hundert Jonas Hectors in meine Mannschaft.” Dann hätte sich Pep in seine dunkle Kammer zurückgezogen und den Schlachtplan gegen Augsburg zurechtgelegt. Nun steht an der rot-weißen Seitenlinie aber noch immer der Guardiola Österreichs. Peter Stöger ging gewohnt nüchtern mit der stark aufsteigenden Form und der drei Spiele andauernden Serie ohne Niederlage um.

Dafür zeigten sich die Kölner Verantwortlichen aber nach einer gefühlten Ewigkeit wieder präsent in den Medien. Der Tünn und sein torwarttechnischer Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel Timo Horn im Sportstudio, Jörg Schmadtke im Doppelpass – überall sah man plötzlich die netten Gesichter von Angestellten rund ums Geißbockheim. Diverse Wechselszenarien gingen durch die Medien und aus dem Umfeld kam eine selbstbewusste Stimmung. Kurzum: Vor Augsburg herrschte Optimismus und auch intern schien man sich des Nichtabstiegs relativ sicher. Mit zwei Kölsch im Blut und vor dem Hintergrund der Aussage, dass die Handbremse dieses Mal nicht angezogen würde, war man ja fast in Ekstase, dass es jetzt mal zwei richtig gute Fußballspiele in Folge geben könnte und der eiserne Vorhang aufgrund des gefühlten Nichtabstiegs ein wenig gelockert würde.

Personal

Keine neuen Frisuren, keine neuen Fußballschuhe, höchstens frisch gewaschene Trikots, doch sonst sah man genau die elf Spieler, die gegen Bayer den Gefühlssieg errungen hatten. Afrikanisch-asiatische Doppelspitze, ein zweites Mal in Folge Yannick Gerhardt und Captain Miso. Direkt zu Beginn sah man der Mannschaft an, dass sie vor Augsburgs Goalgetter Marwin Hitz gewarnt war, der eine Mannschaft aus illustren Namen von Spielern anführte, die eigentlich in der Bundesliga schon als gescheitert galten, nun aber in Kombination komischerweise um die Europa League spielen. Bobadilla, Altintop, Feulner, Esswein, Baier und so weiter.

Spielverlauf

Schon gewusst? Unter deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern hat Augsburg die höchste Dichte von Prostituierten und liegt damit vor Nürnberg und Trier. Außerdem ist Augsburg die einzige deutsche Stadt mit einem eigenen gesetzlichen Feiertag, dem Augsburger Hohen Friedensfest, das am 8. August stattfindet. Damit hat Augsburg die meisten Feiertage im Jahr. Interessant, oder? Doch warum steht das im Spielverlauf? Liegt daran, dass es über das Spiel selbst gar nicht mal so viel zu berichten gibt. Versuchen wir es trotzdem mal.

Eine der spektakulärsten Aktionen des Spiels ereignete sich vor dem Anpfiff. Statt eines Wimpels oder sonstiger Merchandiseprodukte erhielt Miso Brecko von den Augsburgern eine Figur aus der Augsburger Puppenkiste und durfte sich darüber freuen wie ein Schnitzel. Von dieser überschwänglichen Begrüßung waren die Spieler so euphorisiert, dass sich Matthias Lehmann gar für einen waschechten Halbgott hielt und vom Anstoßkreis aus direkt einen Torschuss abgab, womit er Torjäger Hitz im Kasten der Augsburger überwinden wollte.  Es sollte für lange Zeit die letzte Annäherung an das Tor der Fuggerstädter bleiben.

© effzeh.com

© effzeh.com

Der effzeh zog sich weit zurück, zog die Handbremse bis zum Anschlag an und ließ Augsburg erst einmal kommen. Der FCA ist allerdings auch nicht unbedingt die Mannschaft, die das so geil findet. Deswegen sah man viele Fehler, viele kleine hitzige Zweikämpfe und wenig Spielkultur. In der 19. Minute rutschte den effzeh-Fans kurzzeitig das Herz in die Hose, als Horn zunächst eine Hereingabe zu kurz abwehrte, um dann an der nächsten Flanke vorbeizufliegen. Doch Maroh klärte für seinen geschlagenen Torhüter auf der Linie. Augsburg versuchte es weiter mit hohen Bällen oder mit Freistößen und Ecken, weswegen Baier, Feulner und Co die Hälfte der Zeit auch auf dem Rasen lagen. Stögers Team machte aber das, was bislang so vielen Gegnern den letzten Nerv raubte: Es stand kompakt, es stand sehr gut geordnet und es tat alles, um das Spiel so richtig scheiße aussehen zu lassen.

So war Schiri Marco Fritz auch froh, als er zur Halbzeit pfeifen konnte. Dabei ließ der Referee keine Sekunde nachspielen, obwohl Roger Klavan nach einem Faustschlag von Horn gute zwei Minuten benommen im Strafraum liegen geblieben war. So richtig verdenken konnte man es dem Referee nicht. Zur Halbzeit gab es dann Energydrinks statt Bier, damit man die nächsten 45 Minuten auch einigermaßen wach überstehen konnte. Als dann in der 55. Minute in einem relativ unbedeutenden Spiel, in dem der effzeh hinten sicher stand und die Augsburger auch keinen wahnsinnig guten Eindruck hinterließen, Innenverteidiger Mergim Mavraj für Top-Torjäger Anthony Ujah kam und auf eine Fünferkette (im Leben keine Dreierkette!) umgestellt wurde, schaltete ich den Fernseher aus. War ja auch nicht schlimm, ist nämlich auch danach nix mehr passiert. Augsburg hatte noch zwei gute Kopfballchancen durch Hong nach einer Ecke, der effzeh am Ende einen halbgefährlichen Schuss von Vogt und einen einachtelgefährlichen Freistoß von Risse. Ansonsten stand die Mauer fest und dieser atemberaubende 0:0-Rekord für die Ewigkeit wurde ausgebaut.

Spieler im Fokus

Dominic Maroh: Ach Domi, eigentlich brauchen wir ja gar keine anderen Verteidiger. Wimmer, Hector, sogar Brecko – sie alle können ruhig gehen, solange du bleibst. Maroh gewann mit Sicherheit 367 Zweikämpfe, mindestens. Stand immer richtig, lief alles ab und sprang sogar zwei, drei Mal für den an diesem schönen Samstagnachmittag nicht immer ganz sicheren Kevin Wimmer ein. Zudem katapultierte er sich auf Platz eins im Ranking “Rettungsaktion des Monats”.

Yannick Gerhardt: Kann man bei Tipico und Co eigentlich auch viel Geld auf den Senkrechtstarter der nächsten Saison wetten? Yannick Gerhardt wäre jedenfalls ein ganz heißer Tipp. Trotz Seuchensaison und Drüsenfieber deutet der Youngster gegen Ende dieses Saison an, wie viel Potenzial in ihm steckt. Es gelingt nicht immer alles, hin und wieder fehlen ein paar Körner, doch die Technik, die Handlungsschnelligkeit, die Übersicht, sie blitzt immer mal wieder auf. Auch in Augsburg war das der Fall. Daran werden wir dann in der nächsten Saison noch viel Spaß haben.

Timo Horn: Das Abfangen von hohen Bällen ist so ziemlich die einzige Schwäche, die der Keeper noch hat. Zeigt nicht immer das beste Timing bei langen Bällen und Flanken, ist dabei oft noch zu zögerlich. Ist allerdings ja auch noch keine 35 Jahre alt. Was nicht ist, kann noch werden.

10 € Parkgebühr für eine angezogene Handbremse! © effzeh.com

10 € Parkgebühr für eine angezogene Handbremse! © effzeh.com

Fazit

Einen Punkt auf Stuttgart gut gemacht, einen Punkt auf Freiburg gut gemacht. Mal wieder eine astreine Defensivleistung gegen einen Europa-League-Aspiranten gezeigt. Viertes Spiel in Folge ohne Niederlage. Also alles im Soll, tabellarisch alles super. Walter Ulbricht gefällt das.

Trotzdem fühlt man sich verarscht. Demnächst bitte keine Handbremsen-Sprüche mehr und ab nächster Saison dann: Die Mauer muss weg.

1. FC Köln: Horn – Brecko (70. Nagasawa), Maroh, Wimmer, Hector – Lehmann, Vogt – Risse, Gerhardt (77. Svento) – Osako, Ujah (56. Mavraj)

FC Augsburg: Hitz – Verhaegh, Hong, Klavan, Baba – Baier – Esswein (82. Matavz), Feulner (68. Ji), Altintop (59. Höjbjerg), Werner – Bobadilla

Tore:

Gelbe Karten:

Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)

Zuschauer:
 29.185

Mehr aus Nachspiel

.