Das Spruchband, mit dem die Gladbacher Fans den effzeh begrüßten, war nicht dumm gewählt. Ein Bauer, der dem Geißbock den Hintern versohlt, dazu die Worte “In guter alter Tradition”. Sie konnten es sich ja erlauben, diese Gladbacher. Sie hatten ja Recht und sie behielten Recht, das musste der effzeh nach 91 Minuten bitterböse wieder einmal am eigenen Leib erfahren.
Ein völlig unnötiges Gegentor in der Nachspielzeit nach einem Freistoß, der eigentlich keiner war, durch einen Spieler, der eigentlich schon hätte des Feldes verwiesen werden müssen . Sowas passiert auch nur gegen Mönchengladbach. Doch es passiert viel zu häufig. Was danach geschah, ist einmal mehr unverzeihlich.
Ausgangslage
Das zweitbeste Auswärtsteam der Liga fuhr noch ohne eine einzige Niederlage in der Rückrunde und als frischgebackener offizieller Karnevalsverein an einem Karnevalssamstag gen Mönchengladbacher Prärie. Klingt also alles ziemlich geil für einen Aufsteiger. So toll war die Stimmung rund ums Geißbockheim aber dann doch nicht. Zu ernüchternd waren die beiden letzten Heimspiele. Zwei torlose Unentschieden binnen weniger Tage schlugen ein wenig auf das karnevalistische Feiergemüt. Trainer Peter Stöger war das freilich egal, er peilte auch bei der zweifellos hochfavorisierten Borussia ein ähnliches Ergebnis an, wie er zuvor auch auf der Pressekonferenz offenbarte. Schien ja dann doch auch vernünftig.
Nicht so vernünftig agierten die Herren der DFL, wo man sich dachte, dass das mit dem Rheinderby an einem Karnevalstag doch sicher alle lustig finden. Völlig überraschenderweise stellte sich dabei heraus, dass das vor allen Dingen die Leute lustig fanden, die dadurch einen Grund hatten das seitens des Verbandes festgelegte Vermummungsverbot im Stadion zu umgehen. So fanden sich schnell einige findige Malermeister im Kölner Gästeblock wieder, die auf die schlaue Idee kamen mal wieder ein bisschen Pyrotechnik zu zündeln, so dass die Begegnung mit einigen Minuten Verzögerung angepfiffen wurde.
Personal
Als sich die rot-weißen Götter auf dem Spielfeld aufstellten, konnte man fast schon euphorisch werden: Sogar gegen den so übergroßen Rivalen 40 Kilometer abseits des Rheins bot Stöger zwei Spitzen auf. Yuya Osako stand für den gegen Paderborn stets bemühten, aber etwas unglücklichen Bard Finne im Sturmzentrum an der Seite des leicht kriselnden Anthony Ujah. Außerdem war auch Marcel Risse in der Startelf wiederzufinden, nachdem er gegen Mitaufsteiger Paderborn noch für Dusan Svento Platz machen musste. In der Innenverteidigung dann noch eine zwangsläufige Änderung: Dominic Maroh hatte sich vor dem Spiel krank abgemeldet und wurde durch Mergim Mavraj ersetzt.
Wie sich schnell zeigte, agierte der effzeh in einem sehr engmaschigen 4-4-2 mit zwei sehr tief und dicht beieinander stehenden Viererreihen und zwei Stürmern, die immer wieder hinten aushalfen. Taten sie das einmal nicht, zeigten Ujah und Osako vorne, dass sie nicht so richtig zusammen funktionieren. Aber wir wollen ja nicht zu viel vorweggreifen vom…
Spielverlauf
Nachdem sich die eloquenten Herren in weiß fürs Erste einmal beruhigt hatten und es zumindest 45 Minuten lang schaffen nicht völlig sinnfrei Pyrotechnik durch den Nordpark zu schmeißen, begann ein Spiel, das zunächst seine intensivsten Momente hatte, als auf der Anzeigetafel die Ergebnisse aus den anderen Stadien eingeblendet wurde, wo es so richtig abging. In Mönchengladbach ging dagegen eher wenig ab. Wer nun das Hinspiel sowie generell die letzten Spiele der jeweiligen Mannschaften und deren Spielanlagen schon vorher unter die Lupe genommen hatte, der fiel zu diesem Zeitpunkt nicht völlig überrascht von seiner örtlichen Couch, als sich beide Teams anfangs komplett neutralisierten.
Gladbach hatte dabei gleich von Beginn an deutlich mehr vom Spiel und kontrollierte den Ball. Der effzeh ließ seinen Rivalen kommen, doch die Elf von Lucien Favre tat sich, wie jedes andere Bundesligateam bis auf den FC Bayern München, schwer mit der tiefstehenden Mannschaft von Peter Stöger. Dabei merkte man der Borussia aber auch an, dass sie zwar auf Heimsieg spielte, allerdings auch den letzten Funken Risiko scheute. Eigentlich war alles ziemlich genauso wie im Hinspiel, nur mit etwas stärkeren Gladbachern und noch etwas passiveren und destruktiveren Kölnern. Kurzum: Das Konzept von Peter Stöger ging auf. Gladbach biss sich die Zähne aus, der effzeh versuchte Nadelstiche zu setzen.
Allerdings haperte es dieses Mal im sonst so hochgelobten Umschaltspiel. Das krankte zum einen daran, dass aus der Abwehr heraus kaum ein geradliniger Ball gespielt wurde, das Mittelfeld in den wenigen Ausnahmefällen dann aber auch nicht schnell genug nachrückte und schlussendlich die beiden Spitzen einfach nicht viel richtig machten, so wie Anthony Ujah, der es Mitte der ersten Hälfte vorzog aus 30 Metern Entfernung einen Fernschuss ungefähr 30 Meter neben das Tor von Gladbach-Keeper Sommer zu hauen, anstatt dem völlig freistehenden Sturmpartner aus Japan in die Gasse zu spielen. Kurz vor der Halbzeit machte Marcel Risse es etwas besser und prüfte Sommer mit einem Schuss aus 20 Metern in der stärksten Kölner Phase des Spiels. Gladbach hatte die gesamte erste Hälfte eher nur Halbchancen. Die beste davon war eine abgefälschte Flanke von Julian Korb, die Timo Horn in letzter Not über das Tor lenkte.
In Hälfte zwei wurde Gladbach immer stärker, der effzeh immer defensiver. Teilweise glichen die Angriffsbemühungen der kleinen Pferdchen einem gepflegten Handball-Aufbau. Der effzeh mit zehn Mann hinter dem Ball, Gladbach mit der verzweifelten Suche nach der Lücke, die dann aber doch hin und wieder einmal freigelegt wurde. War das allerdings kurzzeitig der Fall, war immer noch der einmal mehr sehr souveräne Timo Horn zur Stelle. Als Neuzugang Deyverson in der 77. Spielminute sein Debüt für den effzeh gab, drückte man bereits die Daumen, dass wenigstens der Brasilianer vielleicht etwas Schwung in die Kölner Offensivbemühungen bringen würde. Doch der effzeh agierte im Umschaltspiel weiterhin unglücklich, versucht es dabei auch mit etlichen etwas verzweifelten Distanzschüssen. Eine gute Kontersituation vereitelte der gelbbelastete Granit Xhaka, der Slawomir Peszko in vollem Lauf herunterdrückte. Schiedsrichter Aytekin ließ die Szene aber weiterlaufen.
So kam es, wie es kommen musste. Mönchengladbach erhielt nach einem Phantom-Foul von Kevin Wimmer an Branimir Hrgota einen gefährlichen Freistoß in der Nachspielzeit. Wer bereits mit der Derby-Historie vertraut war, der hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt den Raum verlassen. Alle anderen Menschen mussten sich eben mitansehen, wie Mergim Mavraj einen Kniefall im Strafraum machte, der eben genannte Granit Xhaka dadurch völlig frei zum Kopfball stieg und die Derby-Niederlage besiegelte. The same fucking procedure as every derby.
Nach dem Abpfiff meinten dann die Herren, die merkwürdigerweise selbst behaupten, Fans des wundervollsten Fußballvereins der Welt zu sein, eben jenem Verein zu schaden. Die gut 800 Millionen Einsatzkräfte vor Ort, von denen vorher gesprochen wurde, schafften es dann auch nicht mehr einen Platzsturm zu verhindern und so spielten sich Jagdszenen im Borussia-Park ab. Der Verein bedankt sich für eine abermals grandios dämliche Aktion.
Spieler im Fokus
Anthony Ujah: Momentan läuft herzlich wenig zusammen bei der ärmsten Sau auf dem Feld. Der Nigerianer erhielt im gesamten Spiel gefühlte drei Bälle und musste sich wieder in hunderten Kopfballduellen mit Rouel Brouwers aufreiben. Trotzdem: Gegen die Borussia machte der Angreifer vorne einfach alles falsch. Schlechte Laufwege, schwache Pässe, fehlerhafte Entscheidungen. Viele Möglichkeiten erhält er nicht, umso wichtiger ist es, dass er wieder mehr Effektivität ins Spiel bekommt.
Mergim Mavraj: Ein unglücklicher Auftritt als Maroh-Vertreter. Sicherheit und Ruhe strahlte der Albaner nur selten aus, stattdessen fiel er mit einigen äußerst unglücklichen Rettungsversuchen auf. Stark nur seine Halbgrätsche in der ersten Halbzeit, mit der er eine Hermann-Chance verhinderte. Beim Treffer von Xhaka kniete Mavraj komischerweise neben dem Schweizer, statt in der Luft zu stehen und den Ball rauszuhauen.
Deyverson: Der Brasilianer hatte nicht viel Zeit und erhielt auch nicht viele Bälle, zeigte aber vielversprechende Ansätze. Gut in der Luft, stark mit dem Rücken zum Tor und ziemlich agil. Er wurde immer wieder auf rechts rausgeschickt. Dort mit einer missratenen Flanke und einem starken Pass in den Rückraum. Zu wenig Aktionen, um groß bewertet zu werden, aber genug, um Hoffnung zu machen.
Timo Horn: Wieder einmal bärenstarker Rückhalt. Zeigte lediglich bei einer Flanke, durch die er hindurchflog, Unsicherheiten, ansonsten gewohnt souverän und in etlichen Situationen der Retter in der Not. Wird langweilig, sollte aber trotzdem erwähnt werden!
Fazit:
Es ist keine Niederlage, die einen umwirft. Es ist eine Niederlage, die man so irgendwie auch erwarten konnte und es ist eine Niederlage, die zwar ungerecht ist, weil der Freistoß kein Freistoß war und der Torschütze nicht mehr hätte dabei sein dürfen, doch eine nach dem Spielverlauf gerechte Niederlage. Vielleicht rüttelt diese Last-Minute-Pleite das Team etwas wach und zeigt, dass es auch in die Hose gehen kann, wenn man nur darauf aus ist, ein 0:0 zu halten. Natürlich ist eine Derby-Niederlage scheiße, doch das ist man ja mittlerweile gewohnt und in der Tabelle hat man immerhin sieben Tore auf den glorreichen Hamburger Sportverein aufgeholt.
Viel schlimmer ist aber das, was sich nach dem Spiel abspielte. Jörg Schmadtke musste sich bei Schlichtungsversuchen während des Spiels bereits beleidigen lassen und hatte auch keine Chance, als nach dem Spiel wieder das Image des Vereins mit Füßen getreten wurde. So haftet der sowieso schon bitteren Niederlage eine noch extra-bittere Note an. Aber naja, vielleicht hilft ja ein Geisterspiel zuhause, um den Heimfluch endlich zu besiegen.
Die Statistik des Spiels:
1. FC Köln: Horn – Olkowski, Mavraj, Wimmer, Hector – Lehmann, Vogt , Risse (86. Nagasawa), Halfar – Osako (77. Deyverson), Ujah (Peszko 63.)
Borussia Mönchengladbach: Sommer – Korb, Brouwers, Jantschke, Dominguez – Kramer, Xhaka – Herrmann, Traoré (Hazard 73.) – Raffael (81. Hrgota), Kruse
Tore: Xhaka (90.+1)
Gelbe Karten: Wimmer (24.), Xhaka (42.), Risse (61.), Peszko (66.)
Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
Zuschauer: 54.010