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100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Gründungsspieler, Geißbock-Namenspate, Doublesieger: Kaum jemand prägte den 1. FC Köln auf so unterschiedliche Art und Weise wie Hennes Weisweiler. Eine Würdigung des großen FC-Trainers zu seinem 100. Geburtstag.

Hennes Weisweiler Meisterschale
Foto: Edition Steffan

Doch zuvor, in der schwierigsten Phase, im Herbst 1977 war Weisweiler zwischenzeitlich tatsächlich in Gefahr, den Verein verlassen zu müssen. Die Ergebnisse waren das eine, aber auch die Art und Weise, wie Overath abserviert worden war und sich dies scheinbar nicht einmal auszahlte, hatten Zweifel im Verein gesät. Die Gremien tagten also (so wie sie das immer tun) und entschieden sich letztlich, Weisweiler auch nach einigen Niederlagen in der Bundesliga und dem Europapokal-Aus in Porto weitere Chancen einzuräumen. Im nächsten Spiel folgte der 5:2-Auswärtssieg bei Meisterschaftsmitfavorit Borussia Mönchengladbach (ausgerechnet) und der FC-Express nahm von da an Kurs Richtung Salatschüssel. Von einer Entlassung des Trainers war dann auch keine Rede mehr.

Insbesondere am Ende der Saison zeigte sich die Wichtigkeit eines erfahrenen Top-Trainers. Der Effzeh gewann nun auch die Spiele, in denen es darauf ankam. Die alte FC-Krankheit, Spiele in ganz besonders wichtigen Momenten zu vergeigen, gab es nämlich bereits in den aus heutiger Sicht glorreichen 70er Jahren. In dieser Saison wurde diese Regel aber außer Kraft gesetzt. In der Endphase, als das Fernduell mit Gladbach bereits auf hohem Niveau lief, siegte der FC unter anderem in Kaiserslautern, wo es normalerweise kaum etwas für die “Geißböcke” zu holen gab. Hier zahlte sich Weisweilers geradezu manisches Eckballtraining noch einmal besonders aus.

Das Double des Hennes Weisweiler

In der ganzen Saison hatte man bereits viele Tore aus Eckbällen erzielt, was nicht alle im Verein guthießen, weil man spielerisch brillieren wollte. Doch der Coach ließ sich nicht beirren, beide Treffer beim enorm wichtigen 2:0-Sieg in Kaiserslautern fielen nach immer wieder eingeübten Eckballvarianten.  Auch dem Druck, das Pokalfinale gegen Düsseldorf bereits vor dem Saisonende bestreiten zu müssen, hielt man unter Weisweilers Führung als Favorit stand. Das Spiel mag nicht mit Glanz und Gloria gewonnen worden sein, aber man bestand den Titeltest in abgeklärter Manier und hatte damit bereits eine Trophäe in der Tasche.

Foto: Edition Steffan

Weisweiler wird innerlich aufgeatmet haben, schließlich wäre der Druck unfassbar hoch geworden, hätte man die Möglichkeit liegengelassen und nur noch eine Patrone übrig, die dann sitzen musste.  Nun aber war die Chance auf das geschichtsträchtige „Double“ da und man ließ sich diese nicht mehr nehmen. Im Nervenspiel gegen den VfB Stuttgart setzte man sich im komplett ausflippenden Müngersdorfer Stadion knapp mit 2:1 durch. Im Stadion war man zeitweise der Meinung bereits Meister zu sein, weil Gladbach beim HSV lange Zeit zurückgelegt hatte. Doch der Kontrahent konnte durch einen gewaltigen Schlussspurt noch hoch gewinnen und so musste der letzte Spieltag entscheiden.

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Dieser letzte Spieltag ging in die Geschichte ein und muss eigentlich nicht mehr in epischer Breite geschildert werden. Kurzum: Der 1. FC Köln gewann mit 5:0 beim FC St. Pauli. Der 12:0-Sieg Gladbachs gegen den BVB, dessen lustlose Einstellung in dieser Begegnung zum Schämen war, war letztlich nur ein kurioses Ergebnis für die Bundesliga-Statistik.  Hennes Weisweiler hatte dies möglich gemacht, gerade in dieser Crunchtime zeigte sich der FC-Coach in bester Verfassung, machte keine Fehler im Fernduell mit Mönchengladbach, zeigte sich öffentlich in Interviews selbstbewusst, aber ohne dabei zu überdrehen, wie es viele Jahre später ein Christoph Daum im Duell mit den Bayern machte.

Die große Ära des 1. FC Köln blieb aus – Weisweilers Anteil

Foto: Edition Steffan

Er setzte in den wichtigen Momenten auf die richtigen Spieler, ein nicht immer unumstrittener Yasuhiko Okudera etwa erzielte in dieser Meisterschaftsendphase extrem wichtige Tore. Der Trainer hatte sich immer für den ersten japanischen Spieler der Bundesliga stark gemacht, schließlich hatte er ihn selbst geholt und in Besuchen bei ihm zu Hause auch stark geredet und Mut zugesprochen. Mit dem Gewinn des Doubles hatte Weisweiler den kölschen Gipfel erklommen, gleich drei wichtige Titel in zwei Saisons, das wird ihm in Köln wohl kaum nochmal einer nachmachen.

„Jetzt folgt eine große Ära des 1. FC Köln“ – das dachten sicher nicht wenige, als der in der Saison alles überragende Kapitän Heinz Flohe die Meisterschale präsentierte und gleichzeitig der DFB-Pokal von Spielerhand zu Spielerhand gereicht wurde. Trainer Hennes Weisweiler hatte scheinbar den Bann dauerhaft gebrochen, viele glaubten zu dieser Zeit – gar nicht mal zu Unrecht –, dass der FC nun die Chance nutzen könne, schwächelnde Bayern und danach auch abbauende Gladbacher dauerhaft als Spitzenteam der Liga abzulösen. Die Chance war da, doch leider wurde sie nicht wahrgenommen. Auch daran hatte Weisweiler einen gewissen Anteil.

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In der Folgesaison war Kapitän Flohe durch eine bei der WM erlittenen Verletzung lange ausgefallen, die Mannschaft hatte daraufhin große Probleme in der Liga, hielt sich aber immerhin im Europapokal der Landesmeister schadlos. Doch nach dem Aus im Halbfinale gegen Nottingham Forrest war die Chance, den berühmten „Henkelpott“ nach Köln zu holen, hinüber, danach brach die Mannschaft regelrecht zusammen. Auch Weisweiler war tief getroffen, hatte er doch bereits mit Mönchengladbach den wichtigsten Pokal des europäischen, ja des Welt-Fußballs immer knapp verpasst. Für den Trainer war in diesem Moment sicher auch ein persönlicher Traum zerplatzt.

Der Abschied vom FC und für immer

In diese unselige Gemengelage fiel dann auch noch das Ausscheiden im DFB-Pokal sowie die derbe 0:6-Auswärtsniederlage beim HSV. Dort war der endlich einmal halbwegs gesunde Flohe, gemeinsam mit Herbert Neumann, vom Platz geflogen. Unsinnigerweise wurden daraufhin beide vom Verein suspendiert, Weisweiler zeigte sich unnachgiebig und entzog seinem einstigen Chefspieler das Vertrauen. Eine Maßnahme mit sehr weitreichenden Folgen, denn der zutiefst gekränkte Flohe wollte anschließend nur noch weg. Es kam zum Wechsel, den Weisweiler nicht mehr verhindern konnte und zuvor auch nicht wollte.

Die Trainerbank, v.r.n.l.: Trainer Weisweiler, Assistent Wolfgang Weber, Assistent Hannes Löhr, Mannschaftsarzt Dr. Alfons Bonnekoh.

Foto: Edition Steffan

Die Folgesaison brachte zwar mit Tony Woodcock einen neuen Star, aber spätestens zur Rückrunde war das Klima zwischen Weisweiler und seinem Verein vergiftet. Präsident Weiand hatte sich scheinbar geringschätzig über den Trainer geäußert, als der Vereinsboss dann auch mit der angedachten Vertragsverlängerung mit Weisweiler zögerte, nahm dieser verärgert ein schon länger vorliegenden Angebot von Cosmos New York an. Nach einer eilig zustande gekommenen Vertragsauflösung endete Mitte April 1980 die Zusammenarbeit des 1. FC Köln mit seinem erfolgreichsten Trainer nach 130 Bundesligaspielen.

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Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass dem zu dieser Zeit 60-jährigen, sehr vitalen Weisweiler nur noch drei Jahre unter uns bevorstanden. Er tat in dieser Zeit, was er immer machte: Mannschaften trainieren und Titel gewinnen. Mit Cosmos wurde er US-Meister und Grashoppers Zürich hinterließ er das, was er schon beim FC als größtes Geschenk hinterließ: Das Double, bestehend aus der Schweizer Landesmeisterschaft und dem Gewinn des Vereinspokals. Am 5. Juli 1983 erlag der Mann aus Lechenich schließlich einem Herzinfarkt. Der Trauerfeier im und am Kölner Dom wohnten über 20.000 Menschen bei, die Anteilnahme war riesig.

Weisweilers Erbe

Hennes Weisweiler wäre am 5. Dezember 2019 stolze 100 Jahre alt geworden. Er hat es geschafft, gleich zwei, sehr unterschiedliche und sich gegenseitig rivalisierende Vereine zu prägen. Ja, regelrecht ein Derby entstehen zu lassen, wo regional eigentlich gar kein Derby entstehen konnte. Für beide Vereine ist er „ihr Hennes“. Für beide Vereine war er elf Jahre als Trainer tätig, in Mönchengladbach am Stück, beim Effzeh in drei Amtszeiten.

Beiden hat er Titel, Erfolge und große Fußballfeste geschenkt … und durch ein bisschen Zoff auch Leben in die jeweiligen Buden gebracht.  Der Fußball, das Rheinland und natürlich der 1. FC Köln wären ohne sein Wirken nicht vorstellbar. Der Verein mit dem Maskottchen, welches seinen Namen trägt, hat ihm einen großen Teil des Glanzes zu verdanken, weswegen er sich auch heute noch, in eher sportlich-bescheidenen Zeiten, als Traditionsverein bezeichnen darf. Danke für alles, Hennes Weisweiler!

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