„Jetzt muss ich überlegen, was ich da jetzt sage, weil…“, grinste Trainer Markus Gisdol fast wie ein Honigkuchenpferd vom Podium der Spieltagspressekonferenz und dachte ein paar Sekunden nach. „Nein. Konnte er nicht“, betonte er dann mit einem frechen Grinsen. Eine so dreiste wie offensichtliche Lüge auf die Frage, ob der aus Wolfsburg gekommene Neuzugang Elvis Rexhbecaj ihm Tipps gegeben habe für den anstehenden Rückrundenauftakt des 1. FC Köln gegen eben jenen VfL aus Wolfsburg. Die anschließenden Lacher im Plenum sowie eine Nachfrage, ob er denn mit Elvis gesprochen hätte, ließen Gisdol dann doch wieder etwas ernster werden. Es gäbe Videoanalysten, mit denen habe er gesprochen, die internen Wege sollten jedoch intern bleiben.
Die Stimmung war gut unter der Woche am Geißbockheim. Fröhlich, voller Tatendrang, sich jedoch der Schwere der Aufgabe bewusst, traten Gisdol und Geschäftsführer Horst Heldt am Donnerstag vor die Presse. Die drei Siege in der englischen Woche vor Weihnachten sowie ein nach eigenen Angaben gutes Trainingslager in Spanien haben die Stimmung rund um das Geißbockheim im Vergleich zu vor vier Wochen deutlich verbessert und Zuversicht bei den Verantwortlichen verbreitet.
Schaffen es Uth und Rexhbecaj auf Anhieb in die Startelf?
Zuversicht und Klarheit verkörperte man auch bei bestimmten Fragen, bei der zum schweren Auftaktprogramm zum Beispiel. Vermutlich erkannten Heldt und Gisdol in der Winterpause, dass dieses eines der Alibis gewesen sei, welches sich das Umfeld, aber auch die Mannschaft nach dem schwachen Saisonstart gegeben hatte. „Ich glaube, wir alle tun gut daran, wenn wir jetzt nicht wieder von einem Auftaktprogramm sprechen – wir schauen von Spiel zu Spiel”, blockte der 50-Jährige ab und gab damit die Marschrichtung für die nächsten knapp vier Monate bis zum Ende der Saison aus. Es ist die Rhetorik, die ein kampfbereiter Abstiegskandidat haben sollte, auch wenn Präsident Werner Wolf jüngst im “Bild”-Interview keine Stimmung wie bei einem Abstiegskandidaten festgestellt haben will.
Helfen sollen dabei natürlich auch die bisherigen Neuzugänge Elvis Rexhbecaj und Mark Uth. Beide haben sich nach Angaben des Coaches gut in die Mannschaft eingefügt und sind am Samstag prompt Startelf-Kandidaten. Gerade Uth sollte dem FC sofort weiterhelfen. Der 28 Jahre alte Angreifer soll die Geißböcke weniger vorhersehbar machen. Uth verfügt über einen guten Torabschluss, kann aber auch hinter den Spitzen oder im rechten offensiven Mittelfeld auflaufen.
Positionen, wo die Geißböcke qualitativ hochwertige Verstärkungen gebrauchen können. Dominick Drexler, Marcel Risse, Jan Thielmann, Kingsley Schindler und Florian Kainz sind quantitativ zwar ausreichend und jeder von ihnen verfügt über Qualitäten, keiner von ihnen ist jedoch eine 1A-Lösung auf den Positionen. Der ehemalige Schalker hat daher gute Chancen auf die Startelf, vorraussichtlich dürfte er dann im offensiven Mittelfeld beginnen.
„Wir haben am Ende der Hinrunde gezeigt, wie wir uns in der Liga festbeißen können“
Der zentrale defensive Mittelfeldspieler Rexhbecaj muss sich vermutlich zunächst hinter Skhiri und Hector anstellen, auch wenn er im Trainingslager schnell auf sich aufmerksam machte. Doch die Doppelsechs um die beiden Nationalspieler stand am Ende der Hinrunde zu gut. Denkbar wäre zwar, dass Hector zurück nach links hinten rutscht. Doch Noah Katterbach machte seine Sache als Linksverteidiger zuletzt mehr als ordentlich. Für das Trainerteam dürfte das jedoch zunächst eher ein Luxusproblem sein.
Ob nach Rexhbecaj und Uth noch weitere Neuzugänge folgen werden, ließen die Verantwortlichen auf der Pressekonferenz offen. „Es gibt noch nichts Neues. Die Dinge sind im Fluss“, so Geschäftsführer Heldt, der in den vergangenen Tagen die Verträge der Youngsters Thielmann, Katterbach und Jakobs anging und in der Personalie Thielmann am Freitag Vollzug melden konnte. Bei der Hoffnung auf spektakulärere Meldungen muss man sich dieser Tage etwas gedulden. Das Transferfenster ist allerdings auch noch bis zum 31. Januar geöffnet.
Wolfsburg im Mittelmaß mit Blick nach oben
Einen größeren Transfer realisieren, konnte der kommende Gegner Wolfsburg mit dem Kauf von Innenverteidiger Marin Pongracic vom Red Bull Ableger aus Salzburg. Für den Kroaten legte man nach Medienberichten rund zehn Millionen Euro auf den Tisch. Doch nach einem von Verletzungen geprägten Jahr 2019 ist der hoch veranlagte Innenverteidiger noch keine Option für den Rückrundenauftakt.
Dennoch entstand durch den Transfer im Winter ein wenig Unruhe im sonst sehr unaufgeregtem Umfeld. Vor allem weil Jeffrey Bruma nach der Systemumstellung auf Viererkette im Dezember keine Spielminute mehr sah, nun erst recht nach dem Kauf von Pongracic um seine Einsätze bangt und öffentlich ins Grübeln kam, ob Wolfsburg noch der richtige Verein für ihn ist.
Ansonsten gab es traditionell kaum Schlagzeilen in der Autostadt. Auch auf dem Platz sind die Niedersachsen diese Saison kein besonders aufregendes Team. Ganz im Gegenteil: Man verkörpert mit Platz neun und 24 Punkten bei sechs Siegen, sechs Unentschieden sowie fünf Niederlagen das Mittelmaß der Bundesliga. Die Spiele der Wölfe sind zudem nicht sonderlich attraktiv, mit 18 geschossenen Toren rangiert man zusammen mit Düsseldorf auf dem geteilten letzten Platz.
Allerdings verfügt man mit ebenfalls nur 18 Gegentreffern auch über mit die beste Defensive der Liga – lediglich Gladbach kassierte ebenfalls so wenig Gegentreffer. Schaut man sich die Auswärtstabelle an, bleibt das Bild fast schon spektakulär unspektakulär: Mit drei Siegen, zwei Unentschieden sowie drei Niederlagen und 8:8 Toren hält man den neunten Platz.
Diese Bilanz aufzupolieren, ist in der Rückrunde die Aufgabe von VW-Trainer Oliver Glasner. Bis nach Europa sind es vier Punkte. „Defensiv lässt sich sehen, Kompaktheit und Fitness war im gesamten Herbst schon sehr gut. Wir wollen im Offensivspiel besser werden“, so das kurze, aber prägnante Hinrundenfazit des Salzburgers auf der Spieltagspressekonferenz. Glasner machte jedoch auch deutlich: „Wir wollen uns nach oben orientieren.“
Vermutlich kein Spiel für Feinschmecker
Ohne Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor dürfte das jedoch nichts werden – eine Schwäche, die den Kölnern Mut machen dürfte. Torchancen erarbeiten sich die Wölfe zwar durchaus, mit 221 Schüssen aufs Tor liegt man im Mittelfeld. Zum Vergleich: Der 1. FC Köln, bekanntlich mit einer insgesamt schwachen Hinrunde, hat lediglich 202 Schüsse aufs Tor abgegeben, dabei aber einen Treffer mehr erzielt. Ebenfalls interessant im Vorfeld: Nur Union Berlin foulte häufiger als Köln und Wolfsburg. Zudem sind beide Teams vergleichsweise zweikampfstark, schlagen überdurchschnittliche viele Flanken, haben aber auch beide eine unterdurchschnittliche Passquote.
Ein Spiel für Fussball-Feinschmecker sollte man Samstagnachmittag folglich nicht erwarten. Vermutlich erwartet die Fans in Müngersdorf eine umkämpfte Partie, in der beide Mannschaften vor allem nicht verlieren möchten. Die Chancenverwertung dürfte so zum entscheidenden Faktor werden. Ein Sieg ließe den 1. FC Köln nicht nur weiter im Abstiegskampf durchatmen, sondern wäre fast schon historisch. Sollten die Domstädter als Sieger vom Platz gehen, wäre es schließlich das erste Mal seit Oktober 2000, dass die “Geißböcke” vier Erstligaspiele in Folge gewinnen konnten. Dann dürfte Markus Gisdol auf der Pressekonferenz ganz sicher wieder lächeln wie ein Honigkuchenpferd.