Nach einem Fußballspiel fallen mal mehr, mal weniger bemerkenswerte Sätze. Nach dem 1:1 des 1. FC Köln gegen Werder Bremen gab es zumindest einige, die interessante Schlussfolgerungen zulassen und solche, über die viel diskutiert werden dürfte. Allein diese Tatsache zeigt, dass es ein Unentschieden der interessanteren Sorte war, was im Müngersdorfer Stadion stattgefunden hatte. Der Satz des Kölner Trainers Markus Gisdol, der eine Menge über sein Team und die Saison des FC aussagt, war: “Er (Jonas Hector Anm. Red.) ist eigentlich unser bester Spieler.” Doch dazu später mehr.
Nach den 90 Minuten, die der FC eigentlich dominiert hatte, dann aber doch abermals einem Rückstand (Joshua Sargent, 66.) hinterherlaufen musste, bedankte sich Gisdol sogar bei höheren Mächten für den verdienten Ausgleich: “Zum Glück war der Fußballgott heute da und hat gesagt: Dieses Spiel darf der FC nicht verlieren”, sagte der Kölner Coach und spielte damit auf die Szene zum Kölner Treffer durch eben jenen Jonas Hector (83.) an, die im Nachhinein noch für viel Diskussionsstoff sorgte. Foul oder kein Foul – darüber gingen die Einschätzungen der Beteiligten weit auseinander.
Die Streit-Szene
In der Schlussoffensive probierte es der FC immer und immer wieder mit hohen Flanken, den unglücklichen Rückstand wettzumachen. Der eingewechselte Hector bildete im Grunde gemeinsam mit dem ebenfalls als Joker gebrachten Emmanuel Dennis ein Sturm-Duo. Und dann flankte Noah Katterbach den Ball in den Lauf von Dennis in den Bremer Sechzehner. Bremens Keeper Jiri Pavlenka verließ seinen Kasten und wollte den Ball fangen, Dennis ging sprunggewaltig zum Kopfball hoch, der Kölner setzte sich durch, der Ball landete anschließend bei Jonas Hector, der nur noch zum 1:1 einzuschieben brauchte.
Für Bremens Trainer Florian Kohfeldt eine klare Sache: “Beim Gegentor bin ich der Meinung, dass es ein klares Foulspiel ist. Ein Torwart muss den Ball fangen dürfen, das konnte er nicht. Da hätte der VAR eingreifen müssen”, so der Werder-Coach. Doch der Video-Assistent griff nicht ein. Die Kölner ihrerseits konnten in der Szene, in der Dennis beim Sprung den Arm in der Luft hat und Pavlenka seinerseits dabei berührt, kein Foul erkennen. Unterstützung kommt in dieser Sichtweise auch von den Regelexperten “Collinas Erben”, die den Zweikampf auf Twitter als “regelkonform” und “nicht irregulär” einstuften.
Und für mich ist es ein regelkonformer Zweikampf in der Luft, den Pavlenka verliert. Dennis setzt den Arm in der Sprungbewegung zum Kopfball ein und nicht, um den Torwart zu behindern. Dass Pavlenka nicht an den Ball kommt, weil da der Arm ist, macht es nicht irregulär. https://t.co/cAOOnWRwfw
— Collinas Erben (@CollinasErben) March 7, 2021
Aus der Szene zum Ausgleich ergibt sich dann aber eben auch eine ganz unterschiedliche Sichtweise auf das Endergebnis. Während Kohfeldt von einem unglücklichen Punkt für die Gäste sprach, nannte Gisdol das Ergebnis “ein mehr als verdientes Unentschieden”. Die Wahrheit ist wohl: Keiner hatte dieses Spiel gewonnen, beide Teams eher zwei Punkte im Abstiegskampf verloren. Denn für hohe Ballkontrollwerte gibt es im Fußball eben nichts geschenkt, wie auch unsere Analyse zeigt. Bremen hatte 90 Minuten lang mit zehn Feldspielern die Defensive abgeriegelt und auf Konter gesetzt, dem FC das Spiel überlassen.
Meyer überzeugt beim Startelf-Debüt
Eine nachvollziehbare Taktik, denn den Beweis, dass das Team von Markus Gisdol kreativ genug ist, um einen fetten Abwehrriegel zu knachen, blieb es auch diesmal schuldig. “Wir haben eine Taktik gewählt, die nicht wunderschön anzusehen ist. Aber so haben wir wenig zugelassen. Es war der Gedanke, dass sich Köln ein wenig ausspielt”, gab Kohfeldt freimütig zu. Der effzeh hingegen kombinierte außergewöhnlich ballsicher im Aufbau und spielte sich bis zum gegnerischen Strafraum auch gut durch die erste Bremer Kette. Ein Grund dafür: der erstmals in der Startelf stehende Winter-Neuzugang Max Meyer.
“Wir hätten heute drei Punkte verdient gehabt.”
Die Passquote des FC mit dem Duo Skhiri/Meyer erreichte einen für diese Spielzeit außergewöhnlichen Wert nahe der 90 Prozent. “Wir haben einen sehr defensiven Gegner erwartet, der uns viel Geduld und Passsicherheit abverlangt. Max hat heute seine Nominierung gerechtfertigt. Er war immer anspielbereit, immer ballsicher”, lobte Markus Gisdol seinen zweiten 6er. Der wiederum war nach dem Spiel, in dem er zudem die vollen 90 Minuten auf dem Feld verbrachte, bescheiden: “Ich habe lange nicht gespielt, das war schon alles richtig so. Und heute war ich glücklich, dass ich spielen durfte”, antwortete Meyer auf die Frage des Sky-Reporters, ob er denn nicht früher mit einem solchen Startelfeinsatz gerechnet hätte. Und: “Wir hätten heute drei Punkte verdient gehabt.”
Dass es diese drei Punkte nicht gab, lag zum Einen daran, dass Ellyes Skhiri in Halbzeit 1 einen Kopfball innerhalb des Fünfers nicht im Tor unterbringen konnte (Gisdol: “Der muss rein”). Zum Anderen lag es eben genau an der defensiven Spielanlage der Bremer auf der einen und dem mangelnden Vermögen der Kölner, diesen dichten Abwehrriegel zu knacken auf der anderen Seite. Kapitän Jonas Hector indes kann diese Sichtweise offenbar nicht mehr so richtig hören. Sichtlich genervt reagierte der Kölner Torschütze nach dem Spiel bei Sky auf wiederholte Nachfragen, ob denn der FC nichts mit dem Ball anzufangen wisse. “Die Partie hat gezeigt, dass wir mit dem Ball etwas anfangen können. Wir müssen das weiter ausbauen und mehr Torgefahr entwickeln, dann bin ich zuversichtlich”, war noch die sinnstiftendste Antwort Hectors.
Am Strafraum war Schluss mit der Kölner Herrlichkeit
Der Grund für dessen Unzufriedenheit liegt vermutlich im Detail. Denn richtig ist, dass der FC so viel Ballbesitz hatte wie wohl noch nie in dieser Saison. Richtig ist auch, dass Aufbau und Spielanlage gar nicht schlecht anzusehen waren. Daher wohl Hectors Urteil, dass sein Team sehr wohl etwas mit dem Ball anzufangen wisse. Gleichwohl endete dieses Wissen aber eben jeweils am gegnerischen Strafraum. Eine schier unfassbare Anzahl an Flanken und Flankenversuchen in Richtung Duda, Rexhbecaj, später Hector und Dennis, waren die Folge. Nicht aber eine Kombination, die zu großer Torgefahr und Kopfschmerzen in der Bremer Hintermannschaft geführt hätte. Insofern ist die Frage nach dem Können des FC in Ballbesitz im Endeffekt eben schon berechtigt.
Einer, der hier große Sicherheit vermitteln kann, ist eben genau jener Jonas Hector. Und Markus Gisdol gab denn auch einen erstaunlich offenen Einblick in seine Gedankenwelt und den Stellenwert Hectors: “Jeder weiß, welche Bedeutung er für den FC hat. Er ist eigentlich unser bester Spieler, hat aber weite Teile der Saison gefehlt. Das Erfolgserlebnis wird ihm gut tun”, lobte der Kölner Coach. Der eigentlich beste Spieler des glorreichen 1. FC Köln kommt bisher in dieser Saison auf so wenig Spielzeit wie wohl noch nie. Verschiedene Verletzungen haben den Kapitän immer wieder zurückgeworfen und damit wohl auch seinen Trainer in der Konzeptsuche zumindest durcheinandergebracht.
Dass Gisdol Hector jetzt als 10er auflaufen ließ, spricht ebenfalls Bände. Denn in der Jugend spielte Hector zwar genau da und sicherlich bringt er Ballsicherheit und auch Kreativität mit. Dass Hector aber nun zum offensiven Joker avanciert, sagt wohl mehr über die Kadersituation des FC aus, als sich Gisdol und Horst Heldt so wünschen würden. Zudem ist Hector auf Sicht eben nicht in der Verfassung seine angestammte Rolle als Lenker des Spielaufbaus auszufüllen, dafür geht ihm in dieser Spielzeit auch die Sicherheit ab. Vielleicht glänzt der “beste Spieler” aber ja fortan als Joker-Scorer. Geil wäre das schon.