Text: Thomas Reinscheid / Severin Richartz
Vergnügungssteuerpflichtig: Nein, das dürfte ein Vorstandsamt beim 1. FC Köln in den zurückliegenden Wochen wahrlich nicht gewesen sein. Öffentliche Diskussionen um die Nachbesetzung des offenen Vizepräsidenten-Postens, ein interner Brandbrief der Abteilungsleiter am Geißbockheim nach Entlassung des Medienchefs, finanzielle und sportliche Nöte beim Aushängeschild des Vereins nicht ausschließlich nur dank einer weltweit grassierenden Viruspandemie. Für FC-Präsident Werner Wolf dürften es derzeit Zeiten sein, in denen das psychologische Geschick des einstigen Bitburger-Bosses gefordert ist.
Vor einem Jahr, am 8. September 2019, war der heute 64-Jährige gemeinsam mit Jürgen Sieger und Eckhard Sauren auf einer hitzigen Mitgliederversammlung in der Kölnarena gewählt worden. 78,2 Prozent der anwesenden stimmberechtigten FC-Mitglieder schenkten dem mit dem Motto „Gemeinsam gewinnen alle“ angetretenen Trio das Vertrauen – einer Schlammschlacht seitens der scheidenden Restvorstände Toni Schumacher und Markus Ritterbach, die im Vorfeld und während der Veranstaltung kaum eine Gelegenheit zur Attacke ausließen, zum Trotz. Die Konsequenz aus unruhigen Zeiten: Auch 2020 ist der 1. FC Köln noch ein zutiefst gespaltener Club mit zahlreichen Friktionen und Fraktionen – das zeigten vor allem die Debatten um Carsten Wettichs Nominierung als Kandidat für den vakanten Posten als Vizepräsident des Vereins.
Enttäuschte Hoffnungen auf einen “Regimechange”
Tatsächlich hat der FC im ersten Jahr der dreijährigen Amtszeit des neuen Vorstands kaum einen Schritt nach vorne machen können. Teils aus eigenem Antrieb, teils aus externen Zwängen. Hatten sich viele Unterstützer vor der Wahl Hoffnungen auf einen strukturellen wie personellen Neuanfang gemacht, sahen sie sich vom „Wolf-Rudel“, wie der Boulevard das Triumvirat an der Spitze der „Geißböcke“ taufte, schnell enttäuscht. Die Erwartungen, dass nach dem anstrengenden Machtkampf, der vor allem auf Seiten der bis dato Verantwortlichen mit harten Bandagen geführt wurde, auch eine Art „Regimechange“ am Geißbockheim stattfindet, erwiesen sich als verfrüht. Außer einer sinnvollen Umstrukturierung des Vereinsbeirats sowie des Aufsichtsrats der KGaA blieb es verhältnismäßig ruhig unter dem neuen Präsidium.
Foto: imago images / Herbert Bucco
Das galt allerdings nicht für alle Bereiche, hatte Werner Wolf doch gerade sportlich keine allzu prickelnde Ausgangslage geerbt. Zwar war der 1. FC Köln gerade in die Bundesliga zurückgekehrt, doch der direkte Wiederaufstieg fühlte sich mehr als Pflicht denn als Aufbruch an. Armin Vehs Vertrag als Sportgeschäftsführer lief nur noch ein Jahr, der einstige Meistercoach hatte das Budget für Neuzugänge weit überzogen und sich darüber hinaus mit Achim Beierlorzer noch ein (letztlich erfolgloses) Experiment auf der Trainerbank gegönnt. Der neue FC-Vorstand hatte keinen Hehl daraus gemacht, mit dem erfahrenen Ex-Profi verlängern zu wollen, und ließ auch keine Gelegenheit aus, diese Ambitionen öffentlich möglichst wortreich zu untermauern. Der amtsunwillige Veh ließ seine neuen Chefs lange zappeln, um dann seinen Abschied für 2020 zu verkünden.
Dass es mit dem Aus bei den „Geißböcken“ für den Augsburger nicht so lange dauerte, war allerdings weniger diesem Affront geschuldet denn der sportlichen Situation. Nach der bitteren Last-Minute-Niederlage gegen Hoffenheim wurde das sofortige Veh-Ende verkündet – nur wenige Tage später dann auch die Demission des glück- und erfolglosen Beierlorzer. Kaum zwei Monate im Amt ging es für den Vereinsvorstand schon um alles: Inmitten des Abstiegskampfes galt es für den 1. FC Köln, einen neuen Sportchef UND einen neuen Trainer zu finden. Keine alltägliche Szenerie, in der der Club einmal mehr nicht sonderlich gut aussah. Nach öffentlichem Baggern um Bruno Labbadia, der früh absagte, und Pal Dardai fand letztlich Markus Gisdol als Trainer den Weg ans Geißbockheim. Den Posten als Sportgeschäftsführer besetzten Werner Wolf und Co. mit Horst Heldt, der zuerst nicht auf Zustimmung im Gemeinsamen Ausschuss stieß, aber letztlich doch übernehmen durfte.
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Der erste Stresstest für den neuen Vorstand wurde direkt zur extremen Belastungsprobe für die Zusammenarbeit innerhalb des Triumvirats an der Spitze der „Geißböcke“ und dem Verhältnis zu den anderen Vereinsgremien. So war es wenig verwunderlich, dass der Dampfer namens 1. FC Köln bis Weihnachten weiter in unruhigen Gewässern schipperte. Nach nicht einmal 100 Tagen zog Jürgen Sieger Konsequenzen aus den Entwicklungen im Club und besonders innerhalb des Präsidiums: Der angesehene Wirtschaftsjurist schmiss als Vizepräsident aus Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation hin – der Mitgliederrat entsandte Carsten Wettich als Ersatz. Kurz darauf die nächste öffentlich geführte Fehde: Mitgliederratschef Stefan Müller-Römer kritisierte mit drastischen Worten das chinesische Regime und das dortige FC-Engagement, um nur wenig später nach dem entsprechenden weltweiten Presseecho von Werner Wolf in einer Pressemitteilung in die Schranken verwiesen zu werden.
Für das Binnenklima am Geißbockheim nicht sonderlich förderlich, doch dafür hatte der Aufsteiger auf dem Platz endlich mehr Grund zur Freude: Mit einem erstaunlichen Zwischensprint kämpfte und spielte sich die Gisdol-Elf aus allen Abstiegssorgen heraus sogar in die Nähe der Europapokal-Plätze. Gestoppt wurde dieser Lauf nicht so sehr auf sportlicher denn eher auf gesellschaftlicher Ebene: Die COVID-19-Pandemie stellte beileibe nicht nur den 1. FC Köln vor große Herausforderungen, die Existenz der Profiabteilung stand zeitweise aufgrund der Bundesliga-Pause auf dem Spiel. Finanziell und kommunikativ gefordert kam der FC-Vorstand nur zögerlich aus der Deckung, überließ das Spielfeld der Öffentlichkeit viel mehr den Geschäftsführern Alexander Wehrle und Horst Heldt. Ein Bild, das bereits seit Beginn der Amtszeit prägend ist für das neue Präsidium. Das „Wolf-Rudel“ hält sich im Zweifel im Hintergrund – für den einen nach den Erfahrungen der Vergangenheit die bessere Wahl, für einige Kritiker ein unnötiges Abtauchen.
Dem Wahlkampfmotto treu – auch bei schwierigen Themen
So ist auch kaum verwunderlich, dass der aktuelle Vorstand angesichts des eigenen (Nicht-)Handelns und der äußeren Umstände noch nicht zu prägenden Gesichtern des Vereins geworden ist. Wohin es den FC-Dampfer mit ihren derzeitigen Kapitänen verschlagen wird, ist bei so unverschuldet wie selbstverschuldet rauem Seegang noch nicht klar zu erkennen. Wie schwierig eine Kurskorrektur am Geißbockheim allerdings auch ist, zeigen ausgerechnet die letzten Wochen: Dass aus der vielleicht nicht formvollendet präsentierten, aber nicht nur nach den Pleiten und Pannen in der Clubkommunikation umso verständlicheren Trennung von Medienchef Tobias Kaufmann ein in- wie externes Politikum wurde, zeigt die Abwehrkräfte der KGaA-Angestellten im Umgang mit den Vereinsverantwortlichen. Dass mitunter beim 1. FC Köln „der Schwanz mit dem Hund wedelt“, wie es schon öfters in den Gremien hieß, ist im Grüngürtel längst ein offenes Geheimnis.
Dass Werner Wolf und Co. hierbei erst spät (für einige zu spät) eingriffen, bedeutet aber auch: Nach einem Jahr in unruhigen Gewässern ist der Vorstand bereit, sich endgültig freizuschwimmen und auch schmerzhafte Entscheidungen treffen zu wollen. Dass dies nicht ohne Trennungsschmerz vonstatten geht, sollte jedem, der das Beste für den 1. FC Köln im Sinne hat, bewusst sein. Wer das derzeitige Führungstrio bei den „Geißböcken“ beobachtet und auch ihre aktuellen Bemühungen um die Einbindung der FC-Altinternationalen und der Belegschaft am Geißbockheim miteinbezieht, wird wissen, dass Veränderungen innerhalb des Vereins unter diesem Präsidium eher mit dem feinem Skalpell denn mit dem Vorschlaghammer erfolgen werden. „Gemeinsam gewinnen alle“ – der Vorstand will seinem Wahlkampf-Motto auch dann treu bleiben, wenn angesichts der Wucht, die der FC in solchen Fragen mitunter entwickeln kann, vielleicht andere Schritte geeigneter wären.
“Das ist ein Problem des 1. FC Köln. Es gelingt uns einfach nicht, aus welchen Gründen auch immer, diese Ruhe reinzubringen“, erklärte FC-Präsident Wolf zuletzt gegenüber der „Sportschau“ und will zukünftig weiter daran arbeiten, eine größere Einheit in den Club zu bringen: “Wenn sie Krach haben, dann haben sie immer Zentrifugalkräfte. Das kostet Aufmerksamkeit und lenkt sie vom eigentlichen Geschehen ab. Deshalb möchte ich an unserer Zielsetzung festhalten – mehr Ruhe in diesen Verein zu bringen“, so der einstige Bitburger-Boss. Klar dürfte ihm sein: Das wird kein einfaches Unterfangen, das neben psychologischem Geschick und Ausgleichsstreben auch die nötige Entscheidungskompetenz bedarf. Nicht nur intern bei der notwendigen Neuaufstellung, sondern auch extern mit dem Bauvorhaben am Geißbockheim, der stets schwelenden Stadiondebatte und der Entfremdung des Profifußballs von den eigenen Fans warten große Aufgaben auf den Club. Es bleiben wenig vergnügungssteuerpflichtige Zeiten an der Spitze des 1. FC Köln.