Das Wesen einer Englischen Woche ist ziemlich einfach: Innerhalb von sieben Tagen kannst du viel gewinnen – und du kannst viel verlieren. Gleich drei Bewährungschancen, das Glück und den Erfolg auf die eigene Seite zu ziehen, stehen zur Verfügung. Zwei davon hat der 1. FC Köln bereits hinter sich, leider mit wenig Erfolg. War die 0:4-Niederlage gegen den FC Bayern München am vergangenen Wochenende noch erwartbar gewesen, so traf das Ausscheiden im DFB-Pokal gegen einen durchaus schlagbaren Hamburger SV doch ziemlich aufs kölsche Gemüt. Im Elfmeterschießen mussten die “Geißböcke” die Waffen strecken – und sorgten somit für die erste größere Enttäuschung im neuen Jahr.
Viel Kritik gab es im Nachgang der Partie, die auch durchaus anders hätte enden können: Kritik am Auftreten der Mannschaft, an der gültigen Regelpraxis des DFB, an der Chancenverwertung – vor allem aber: Kritik am Trainer. Die Veränderung der Aufstellung, die davor zweimal identisch blieb, auf gleich sechs Positionen führten viele Fans als Grund für das unnötige Ausscheiden an. Diese Art Gegenwind kannte FC-Coach Steffen Baumgart bisher nicht, da er die Herzen der Fans mit erfrischendem, mutigem Fußball zuvor im Sturm erobert hatte. Durch die Blume ließ er auf der Spieltageskonferenz aber durchblicken, dass ihn die Kritik durchaus erreicht hat: „Ich habe Probleme mit dem Drumherum. Die Spieler selbst sind es gewohnt. Die Spieler selbst gehen damit kühl um oder sagen dann vielleicht: Gut, das ist halt Köln. Ich habe mehr Probleme damit als die Spieler.“
Sicherlich keinen Gefallen haben sich der Leiter der Lizenspielerabteilung Thomas Kessler und eben Baumgart getan, als sie versuchten, die Leistung gegen den HSV – über 120 Minuten hinweg – als „gut“ verkaufen zu wollen: „Gerade, wenn man eine gute Leistung gebracht hat. Wir hätten auch mit unserer Aufstellung weiterkommen können“, so Baumgart im Hinblick auf die Diskussionen um seine Rotation. Einzig die Chancenverwertung hätte am Dienstagabend in Müngersdorf nicht gepasst: “Wir hatten über die 120 Minuten schon ein Chancenplus. Wir müssen uns vorwerfen, dass wir die Möglichkeiten nicht genutzt haben”, betonte Kessler am Tag nach dem – insbesondere mit Blick auf die verbliebenen Gegner – immer noch extrem bitteren Pokal-Aus.
Schwere Aufgabe gegen Bochum
Nun ist Fußball aber immer Tagesgeschäft und sowohl Pokal-Aus als auch Trainer-Kritik würden relativ schnell verstummen, wenn man den Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet relativ souverän schlagen würde. Dass das schwer genug wird, dürfte jeder beteiligten Person klar sein, denn „Bochum spielt eine sehr gute Saison und spielt sehr aggressiv. Nicht umsonst haben sie so viele Punkte geholt. Sie haben gegen sehr gute Mannschaften gepunktet, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Sie haben sich sehr stabilisiert“, beschrieb Baumgart die Bochumer durchaus treffend. Zumal der VfL gegen auswärts schwächere Kölner ein Heimspiel an der Castroper Straße hat – hier holte der Aufsteiger 17 seiner bisherigen 23 Punkte und kassierten in neun Spielen gerade einmal sechs Tore. Allerdings schossen sie auch nur deren elf daheim.
“Bochum spielt eine sehr gute Saison und spielt sehr aggressiv. Nicht umsonst haben sie so viele Punkte geholt.”
Darin liegt vermutlich Bochums größte Krux: zu wenig Spieler mit Torgefahr. So hat Stoßstürmer Sebastian Polter zwar sechs Tore erzielt, was für einen Stürmer in einem Aufstiegsteam durchaus beachtlich ist, der nächste Spieler dahinter hat in Milos Pantovic allerdings gerade einmal drei – auch wenn der Serbe hier zuletzt deutlich torgefährlicher agierte als noch zu Beginn der Saison. Zudem steht mit Jürgen Locadia ein zumindest spannender Neuzugang in den Startlöchern, der sich im Ligaspiel gegen Mainz bereits gute Gelegenheiten erarbeitete, diese aber noch nicht verwerten konnte. Aber zum Vergleich: FC-Toptorjäger Anthony Modeste hat bereits doppelt so viele Tore erzielt wie Polter und insgesamt schon zwölf – die ganze Bochumer Mannschaft aber gerade einmal insgesamt 17 (Köln: 30). Das Problem der zweiten Reihe kennt jedoch auch der FC: denn auch hier haben die zweitbesten Torschützen je lediglich drei Tore erzielt.
Baumgart kann (fast) aus den Vollen schöpfen
Dass einer der beiden ausgerechnet Ellyes Skhiri ist und dem FC daher noch bis zu den Februar-Spielen fehlen wird, macht diese Statistik besonders bitter. Immerhin: Der Zweite (Mark Uth) steht, wie fast alle anderen Spieler, zur Verfügung. Überhaupt liegt darin ein großer Pluspunkt für Coach Baumgart: Bis auf den immer noch mit Trainingsrückstand agierenden Timo Horn und den erkrankten Marvin Obuz fehlt nur der bereits erwähnte Skhiri, der am Sonntag mit Tunesien im Achtelfinale des Afrika-Cups gegen Nigeria spielen wird. Wobei natürlich gerade das Fehlen des Mittelfeldmotors immer noch schwer wiegt und dies in der öffentlichen Wahrnehmung gerne einmal vergessen wird.
Dies ist vermutlich vor allem ein Kompliment für Salih Özcan, der die Position des Tunesier zwar gänzlich anders interpretiert, sie aber durchaus überzeugend ausfüllt und zuletzt dazu beitrug, drei Siege aus den vier vergangenen Bundesligaspielen zu holen – den Bochumern gelang im gleichen Zeitraum lediglich ein Sieg gegen Florian Kohfeldts waidwunde Wolfsburger bei drei Niederlagen (unter anderem gegen Arminia Bielefeld). Gerne würden die Rheinländer diese Bilanz zu ihren Gunsten ausbauen. Aber genau in diesem Überangebot beim Personalpuzzle liegt auch eine Herausforderung für den Coach: Er hat zuletzt immer wieder betont, es gebe keine erste Elf und jeder Spieler in seinem Kader sei gleichberechtigt.
Kehrt er also zur Elf der ersten beiden Rückrundenspiele zurück, führt er seine eigenen Worte ab absurdum. Zumal beispielsweise ein Dejan Ljubicic oder ein Jan Thielmann im Pokal durchaus überzeugender agierten als beispielsweise ein Ondrej Duda, der schon gegen die Bayern Formprobleme offenbarte. Rotiert Baumgart aber erneut zu viel und geht das Spiel aus FC-Sicht negativ aus, kann es sein, dass die Stimmung noch weiter kippt und die Kritik der Fans noch lauter wird – was allerdings gleichermaßen schade wie unverdient wäre.
Der FC spielt weiterhin eine phantastische Saison
Viele täten gut daran, Rückschritte wie das Spiel gegen den HSV als normale Stadien im Entwicklungsprozess anzusehen und verkennen aus nachvollziehbarer Frustration über das unnötige Pokalausscheiden, dass der 1. FC Köln immer noch eine phantastische Saison spielt. Dieser könnten die “Geißböcke” am Samstag um 18.30 Uhr unter Flutlicht ein weiteres Highlight hinzufügen und die Stimmung auch ganz schnell wieder in Köln-typische Euphorie nach himmelhohem Jauchzen umschlagen lassen. Das Spiel am Samstag geht daher in erster Linie gegen starke Bochumer – und nur in zweiter Linie gegen die Stimmung.