Nach der geglückten Aufholjagd im Nachbarschaftsduell gegen Bayer Leverkusen hat der 1. FC Köln keine Zeit zur Verschnaufpause. Es erwartet die “Geißböcke” bereits am Mittwoch eine Dienstreise nach Stuttgart, wo der dort heimische VfB die Rheinländer zu einem Spiel um den Einzug um das Achtelfinale des DFB-Pokal bittet. Es ist ein objektiv gesehen schweres Los für die zweite Pokalrunde, in der sich wie jedes Jahr auch noch einige Amateurteams wiederfinden. Dieses Jahr wären dies die Regionalligisten aus Babelsberg und Münster gewesen.
Der langjährige und leidgeprüfte FC-Fan weiß natürlich nur zu gut, dass auch eine Amateurtruppe das heißbeliebte Team aus dem Wettbewerb schmeißen kann. Die Liste der „Sensationssiege“ gegen die Kölner ist lang und schmerzhaft. Die letzte Blamage ereignete sich vor zwei Jahren in Völklingen gegen den von Dirk Lottner trainierten Regionalligisten 1. FC Saarbrücken. Und letztes Jahr schieden die “Geißböcke” in der dritten Runde bei Zweitligist Jahn Regensburg im Elfmeterschießen aus – auch kein glorreiches Pokalaus des eigentlichen ruhm- und glorreichen 1. FC Köln.
„Das ist ein Finale, eine Pokal-Runde kann man nur einmal spielen.“
Insofern ist es vielleicht ganz gut, dass die Kölner zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Wettbewerb auswärts bei einem Bundesligisten antritt. Mannschaften, welche im Pokal weit kommen, schreiben ja auch nicht selten eine eigene Pokalgeschichte und sammeln wettbewerbseigenes Selbstvertrauen. Der schon erwähnte 1. FC Saarbrücken kickte sich vor zwei Jahren nämlich bis ins Halbfinale, das Spiel gegen den 1. FC Köln kann für die Saarländer rückblickend als Kickstarter für eine sehr erfolgreiche Pokalkampagne gesehen werden. Sollten die Kölner in Stuttgart gewinnen, würde das Team von Trainer Steffen Baumgart, egal wer der Gegner ist, sicher in der dritten Runde daran denken, dass man schon auswärts bei einem ordentlichen Bundesligisten gewonnen hat.
Steffen Baumgart will ins Pokalfinale
Sich über äußere Umstände zu beklagen oder Ausreden zu suchen ist für FC-Trainer Steffen Baumgart sowieso vieles, aber ganz sicher keine Alternative. Als sein zu diesem Zeitpunkt verletzungsgeplagtes Team vor knapp zwei Wochen in Hoffenheim 0:5 verprügelt wurde und er nach dem Spiel nach den ganzen Verletzungen gefragt wurde, würgte er die Frage schon im Ansatz mit dem Hinweis ab, dass elf Kölner auf dem Platz gestanden haben. Zu Baumgarts Wesen gehört es auch, öffentlich sehr direkt und offen in seinen Ambitionen zu sein. Nach dem Spiel gegen Leverkusen auf DAZN auf die nächsten schwereren Aufgaben angesprochen, welche die “Geißböcke” erst nach Stuttgart und anschließend in der Liga nach Dortmund führen, antwortete er, er wolle beide Spiele gewinnen. „Wer mich kennt, der weiß, dass ich nach Berlin will. Und das kannst du halt nur, wenn du die Spiele gewinnst.“ Dass es leichtere Lose aus ein Auswärtsspiel im Neckarstadion hätte geben können, daran wird Baumgart keine Sekunde gedacht haben.
Die Heimbilanz der Stuttgarter liest sich mit zwei Siegen, einem Unentschieden und zwei Niederlagen auch eher mittelprächtig. Dem fulminanten 5:1-Sieg gegen Fürth am ersten Spieltag folgten zwei Heimniederlagen gegen Freiburg (2:3) sowie Leverkusen (1:3), bevor man die TSG Hoffenheim 3:1 schlug und am Spieltag letztes Wochenende 1:1 gegen Union Berlin spielte und dabei 30 Minuten in Unterzahl spielend in der 93. Minute den Ausgleich schoss und sich Selbstvertrauen abholte. Im Pokalspiel müssen die Schwaben allerdings auf Angreifer Omar Marmoush sowie Philipp Förster verzichten.
Mit dabei sein werden allerdings alter Kölner Bekannter: Nikolas Nartey spielte zweieinhalb Jahre in Köln, konnte sich allerdings als Talent nicht bei den Profis durchsetzen und wechselte 2019 nach Stuttgart, wo er sich anschließend durch Leihen nach Rostock und Sandhausen entwickelte und in dieser Saison endlich Spielzeit sieht. Am 8. Spieltag feierte er im Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach sein Startelfdebüt und wird am Mittwoch mit Sicherheit besonders motiviert sein zu beweisen, dass sein Abschied vom Geißbockheim ein Fehler der Kölner war. Dasselbe gilt für Offensivmann Chris Führich, der nach seinem Abschied vom FC 2018 über die Reserve von Borussia Dortmund und den SC Paderborn den Sprung in die Bundesliga zum VfB geschafft hat.
Schwäbe hütet im Pokal wieder das Tor – Rafael Czichos fällt aus
„Ich sehe die Chancen bei 50:50“, schätzt Steffen Baumgart das Spiel ein, ergänzt aber direkt in Richtung seiner Mannschaft: „Mutig sein, klar sein und Torchancen erarbeiten. Dann muss zu sehen sein, dass wir in die nächste Runde kommen wollen“, so der FC-Coach. Dabei helfen soll Marvin Schwäbe. Wie bereits vor der Saison besprochen, wird die eigentliche Nummer 2 im Pokal das Tor hüten. Etwas aufhorchen ließ Baumgart mit dem Loblied, dass er auf der Pressekonferenz auf seinen Ersatzkeeper losließ: „Er hat sich sehr gut entwickelt hier. […] Ich finde, er hat in den letzten vier Monaten einen riesigen Schritt gemacht. Ich gehe schon davon aus, dass das auf der Torwartposition auf lange Sicht immer enger wird.“ Eine Ansage an Timo Horn, der immer noch Schwächen als spielender Torhüter offenbart und auch sonst nicht fehlerfrei agiert oder nur ein aufbauendes Lob für Schwäbe vor dem Pokalspiel? Dies wird die Zukunft zeigen.
Aufgrund eines Magen-Darm-Infekts nicht mit ins Schwabenland gereist ist Rafael Czichos. Baumgart ließ allerdings durchblicken, dass er den diese Saison eigentlich gesetzten Innenverteidiger sowieso nicht hätte spielen lassen. „Wir werden auf mehreren Positionen Wechsel vornehmen, um mit der frischesten Mannschaft ins Spiel zu gehen“, so der Coach. Für Czichos rückt Tim Lemperle zurück in den Kader. Für das Pokalspiel sind Stand Dienstag 23.000 Tickets verkauft, der VfB Stuttgart dürfte theoretisch sein Stadion unter Einhaltung der 2G-Regelung voll auslasten. So richtig begeistern tun sich die traditionell für ihren VfB etwas schwerer zu emotionalisierenden Schwaben allerdings anscheinend nicht für diese zweite Pokalrunde. Ein Hexenkessel wird das Neckarstadion also nicht. Kein Nachteil für die Kölner, die angetrieben von ihrem Coach die Hürde Stuttgart überspringen wollen und weiter Kurs auf das Pokalfinale nehmen.