Seine Enttäuschung konnte Markus Gisdol nach dem 1:2 des 1. FC Köln gegen Union Berlin kaum verbergen. „Das war heute zu wenig, der Gegner wollte es mehr“, sprach der Trainer der „Geißböcke“ aus, was alle zuvor auf dem Platz sehen konnten. Gegen die Gäste aus der Hauptstadt, für die Marvin Friedrich vor der Pause (39.) und Christian Gentner (67.) nach dem Seitenwechsel trafen, investierten die Kölner nicht genug, um letztlich die Negativserie von sechs Spielen ohne Sieg durchbrechen zu können. Der Treffer in der Nachspielzeit von Jhon Cordoba (90.+2) kam zu spät für einen Punktgewinn, der allerdings auch nicht verdient gewesen wäre.
„Wir müssen uns an unsere eigene Nase fassen, denn so ein Spiel müssen wir eigentlich nicht verlieren. Aber dafür hätten wir passsicherer sein müssen und mehr Tempo im Spiel gebraucht. Uns muss allen klar sein, dass das heute insgesamt zu wenig war. Wir müssen das schleunigst verbessern“, sprach auch Abwehrchef Rafael Czichos nach der erneuten Niederlage Klartext. „Man hatte fast das gesamte Spiel über nicht das Gefühl, dass wir wirklich frisch im Kopf sind. Wir haben uns träge machen lassen. Wir wussten, dass es ein Spiel mit vielen Zweikämpfen und hohen Bällen und wird. Wir hatten kein Tempo in unserem Spiel und Union hat es gut gemacht, wenn wir mit hohen Bällen agiert haben.“
Frei, freier, Friedrich: Pausenführung für Union
Vom Anpfiff weg taten sich die „Geißböcke“, die mit den Rückkehrern Sebastiaan Bornauw (nach Rotsperre für Leistner) und Dominick Drexler (nach Gelbsperre für Jakobs) starteten, enorm schwer gegen laufstarke und zweikampfbereite Berliner, die auch die erste Chance der Partie hatten: Etwas unglücklich beförderte Kingsley Ehizibue den Ball bei einer Abwehraktion in den Lauf von Ingvartsen, der allerdings am Kölner Tor vorbeischoss (5.). Ansonsten entwickelte sich der erwartete Abnutzungskampf mit wenig Offensivaktionen, insbesondere der FC wirkte auf dem Weg nach vorne mitunter heillos überfordert. Torgefahr? Nur bei Standards. Nach einem Uth-Freistoß prüfte Rafael Czichos Union-Keeper Gikiewicz, der allerdings glänzend parierte (25.).
“Wir haben es dem Gegner aber zu leicht gemacht, seine Tore zu erzielen.”
~ Markus Gisdol
Etwas mehr Fahrt nahm die Begegnung noch vor dem Pausenpfiff auf, was jedoch größtenteils an den „Eisernen“ lag. Nach einer Abwehraktion von Czichos, der eine Flanke der Berliner mit Körper und Arm blockte, zeigte Schiedsrichter Martin Petersen zunächst auf den Punkt. Den Strafstoß nahm der Unparteiische allerdings nach Ansicht der Bilder wieder zurück – eine vertretbare Entscheidung, hatte der Kölner Abwehrspieler den Arm am Körper angelegt und war aus kürzerer Distanz angeschossen worden (32.). In Rückstand geriet der FC dennoch kurz darauf: Bei einer Ecke von links durfte Friedrich mit Anlauf viel zu frei einköpfen (39.). Eine verdiente Pausenführung für die Gäste, die mehr in ein schwaches Spiel investierten und auch fußballerisch den besseren Eindruck vermittelten.
Gegentreffer mitten in die einzige Drangphase des 1. FC Köln
Aus der Kabine kamen die „Geißböcke“ komplett verändert. Personell brachte Markus Gisdol Toni Leistner (für Schmitz) und Anthony Modeste (für Drexler) ins Spiel und stellte taktisch auf ein 3-5-2 um. Auf dem Platz erspielte sich der FC in der Anfangsphase ein leichtes Übergewicht, es dauerte allerdings etwas bis zu den ersten gefährlichen Szenen. Erst verpasste Cordoba eine Kainz-Flanke nur knapp (55.), dann scheiterten Uth (59.) und Kainz (61.) am gut aufgelegten Gikiewicz. Mitten hinein in die erste Kölner Drangphase setzten die Berliner dann den entscheidenden Stich: Eine Ecke hatte der FC eigentlich schon geklärt, doch Union machte den Ball nochmals scharf, so dass Gentner allein vor Horn auftauchen konnte und souverän zum 2:0 einschoss (67.). Bereits das sechste Bundesliga-Tor des Routiniers, der noch nie in Köln verloren hat, gegen die „Geißböcke“.
Es sollte auch der entscheidende Treffer für die Gäste sein, denn ein Aufbäumen war bei der Gisdol-Elf nicht mehr zu spüren. Zwar warf das Team nochmals alles nach vorne, doch die „Eisernen“ konnten die harmlosen Offensivbemühungen der Kölner problemlos verteidigen. Erst in der Nachspielzeit leistete sich Union eine Unaufmerksamkeit, die der FC bestrafen konnte: Uth fing einen Fehlpass im Spielaufbau der Gäste ab und setzte sofort Cordoba in Szene, der allein vor Gikiewicz eiskalt blieb und sein 13. Saisontor erzielen konnte (90.+2). Es war noch nicht der Schlusspunkt dieser Partie: Ein weiterer hoher Ball in den gegnerischen Strafraum fand den Weg zu Uth, der beim Abschirmen des Balles recht unsanft von einem Berliner Verteidiger über den Haufen gerannt wurde. Schiedsrichter Petersen verzichtete allerdings auf einen durchaus berechtigten Elfmeterpfiff – und somit war der Traum vom unverdienten Punktgewinn auch ausgeträumt.
Gisdol: “Wir alle müssen eine Schippe drauflegen”
„Ich hatte den Eindruck, dass wir für die Bedeutung des Spiels zu wenig investiert haben“, war FC-Coach Gisdol nachher klar in seiner Analyse. „Ich will, dass die Spieler an ihre Grenzen gehen. Wenn der Gegner neun Kilometer mehr läuft, ist das zu viel. Es sind überall ein paar Meter, die wir nicht machen. Ich erwarte, dass jeder einzelne mehr investiert“, kritisierte er vor allem angesichts der schwachen Laufleistung seiner Mannschaft und fordert zum Start der Englischen Woche beim Nachbarschaftsduell in Leverkusen eine Reaktion: „Wir werden uns jetzt neu ausrichten, denn gegen Leverkusen erwartet uns ein ganz anderes Spiel als gegen Union und Augsburg. Wir alle müssen eine Schippe drauflegen.”
Um den Ligaverbleib braucht sich der 1. FC Köln derweil trotz des erschreckenden Negativtrends kaum mehr Sorgen zu machen: Drei Spieltage vor Schluss haben die “Geißböcke” weiterhin sieben Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang und können sich wohl mehr auf das schwere Restprogramm der Abstiegskandidaten denn auf die eigenen Qualitäten verlassen. Bereits am kommenden Mittwoch geht es für die Gisdol-Elf weiter, wenn der FC inmitten der Englischen Woche zu Gast bei der werbetreibenden Tochter eines Chemiekonzerns ist. Vielleicht darf dort bereits der Klassenerhalt gefeiert werden – vermutlich allerdings nicht aus eigener Kraft.