Hätte, hätte, Fahrradkette – der Konjunktiv gilt in weiten Kreisen als die Hilfskrücke des Verlierers. Hätte der 1. FC Köln bei der TSG Hoffenheim noch einmal zurück ins Spiel gefunden, wenn eine der beiden Chancen vor dem Halbzeitpfiff ihren Weg ins Tor gefunden hätte? Oder hätte es anders laufen können, wenn die „Geißböcke“ von Beginn an auf einen Mittelstürmer gesetzt hätten? Hypothetische Gedankenspiele, die sich schön in epischer Breite diskutieren lassen, aber für die Realität letztlich keine Relevanz besitzen. Wäre meine Oma ein Bus, dann könnte sie hupen.
Die Realität hieß für das Team von Trainer Markus Gisdol am Sonntag in Sinsheim: 0:3! Eine Niederlage, die zwar vielleicht in der Höhe nicht gänzlich verdient war, aber dennoch die Schwächen des Kölner Abstiegskandidaten noch einmal schonungslos offenbarte. Auch wenn sich nach außen für die ordentliche Phase zwischen 0:2 und 0:3 auf die Schulter geklopft werden kann: Im Grunde war die Partie bereits nach 28 Minuten zugunsten der Gastgeber, die sich eiskalt vor dem FC-Tor zeigten und die teils grotesken Fehler des Gegners unerbittlich auszunutzen verstanden, entschieden.
Never change a winning team?
Markus Gisdol setzte dabei am Ende der Englischen Woche auf dieselbe Formation, die in der zweiten Halbzeit gegen Schalke den Freischwimmer machte, um sich in der Nachspielzeit mit dem glücklichen Siegtreffer zu belohnen. Noah Katterbach rückte demnach für den angeschlagenen Rafael Czichos in die Startelf, Jannes-Kilian Horn begann als linker Innenverteidiger der Dreierkette. Das bedeutete auch: Der 1. FC Köln startete einmal mehr ohne gelernten Stürmer in die Partie – in der Offensive sollten Ondrej Duda, Dominick Drexler und Marius Wolf die Lücken im angriffslustigen Hoffenheimer 3-5-2-System bespielen.
“Wenn du so verteidigst, hast du keine Chance auf Punkte.”
Dass es dazu gerade in der Anfangsphase zu selten kam, lag vor allem an einem starken Beginn der Gastgeber, die es verstanden, die mangelhafte Pressingresistenz der Kölner in eigenen Ballbesitz umzumünzen. Dass der FC es dagegen kaum schaffte, die TSG am Spielen zu hindern, zeigte die Entstehung des ersten Gegentors: Ein langer Ball fand Ihlas Bebou, der am Kölner Strafraum ausreichend Zeit zum Aufdrehen hatte. Seinen Schuss blockte Sava Cestic mit dem Arm, den Elfmeter verwandelte Andrej Kramaric souverän zum 1:0. Wie schon im Hinspiel, als der Kroate bereits nach drei Minuten traf, liefen die „Geißböcke“ einem frühen Rückstand hinterher.
Der schmale Grat der Personalrochaden
Wie offensichtlich die Hoffenheimer sich die Schwächen ihrer Gäste zurechtgelegt hatten, bewies dann die Phase bis zum 2:0: Immer wieder setzte die TSG die rechte Kölner Seite unter Druck, wo einerseits der nach seinem Handspiel völlig verunsicherte Cestic als auch Kingsley Ehizibue keinerlei Stabilität in ihr Spiel bekamen. Daraus zog FC-Coach Gisdol personelle Konsequenzen: Jorge Mere kam für Cestic in die Abwehrkette, Jan Thielmann ersetzte Ehizibue, dessen Position in Folge dessen Wolf übernahm. Einer der Gründe, weshalb die „Geißböcke“ Fuß fassen konnten in einer Partie, die die Gastgeber bis dahin unter Kontrolle hatten. Mit dem Zwei-Tore-Vorsprung im Rücken ließ es Hoffenheim deutlich ruhiger angehen.
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Es ist ein schmaler Grat, den Markus Gisdol mit seinen frühen Wechseln beschreitet. Schon zuvor waren seine Personalentscheidung öffentlich kritisch beäugt worden, gerade der Umgang mit Jorge Meré sorgte in der jüngeren Vergangenheit für Unverständnis. Aus der Startelf auf die Tribüne und vice versa: Auch mangels geeigneter Trainingseindrücke erschließt sich so manch Kaderentscheidung nicht auf den ersten Blick. Dass er nach 30 Minuten auf die schwachen Leistungen zweier Spieler reagiert, erschloss sich allerdings direkt, birgt jedoch auch die Gefahr, Spieler in einer solchen Personalrochade zu „verbrennen“. Das entsprechend zu moderieren, ist eine der großen Aufgaben, die vor FC-Coach Gisdol liegen.
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