Folge uns
.

Spielerportraits

Steffen Baumgart wird neuer Trainer des 1. FC Köln: Mit Energie gegen die Lethargie

Steffen Baumgart wird ab der kommender Saison der Trainer des 1. FC Köln sein. Bei den “Geißböcken” übernimmt der Charakterkopf eine Aufgabe, die keinesfalls zu unterschätzen ist.

Fußball 1. Bundesliga 8. Spieltag 1. FC Köln - SC Paderborn 07 am 20.10.2019 im RheinEnergieStadion in Köln Steffen Baumgart Cheftrainer Paderborn DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video. Football 1 Bundesliga 8 Matchday 1 FC Köln SC Paderborn 07 on 20 10 2019 at RheinEnergieStadion in Cologne Steffen Baumgart head coach Paderborn DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video xRx
Foto: imago images / Revierfoto

“Zeit für eine Veränderung”, zitierte die Pressemitteilung des 1. FC Köln den neuen Trainer Steffen Baumgart, der ab Sommer die Geschicke am Geißbockheim leiten soll. “Ich freue mich auf die Herausforderung in Köln”, ergänzte der 49-jährige Fußballlehrer. Sein Vorgesetzter Horst Heldt bescheinigte Baumgart “herausragende Arbeit” bei dessen vorheriger Station in Paderborn, er sei der “richtige Mann für den Weg, den wir in den nächsten Jahren gehen müssen.” Und Heldt schob nach: “Dazu ist er ein emotionaler Leader, der sehr gut zum FC passt.”

Gute Stimmung also beim 1. FC Köln und insbesondere bei Heldt zwei Spieltage vor Saisonende und nur wenige Tage vor dem vorentscheidenden Spiel bei Hertha BSC. Baumgart, der dem Vernehmen nach auch bei Schalke, Hannover und dem HSV im Gespräch war, ist nach Markus Anfang, Achim Beierlorzer und Markus Gisdol nun also der vierte Trainer in den vergangenen vier Jahren, der langfristig beim FC etwas aufbauen soll, wenn man die Interimslösungen André Pawlak und Friedhelm Funkel herausrechnet.

Baumgarts Bilanz: Aus wenig viel machen

Mit dem gebürtigen Rostocker, der als Trainer zuvor in Magdeburg, bei Hansa und unterklassig in Berlin arbeitete, kommt nun also ein rastloses Energiebündel in die Domstadt. Seine vorrangige Aufgabe es sein, die bleierne Lethargie rund um den 1. FC Köln, die sich seit Jahren zu vergrößern scheint, zu beseitigen. Einzig die Frage nach der Ligazuhörigkeit ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Die finanzielle Situation gestaltet sich schwierig, nicht zuletzt wegen überdimensionierter Verträge aus der Vergangenheit und natürlich auch die Auswirkungen der Corona-Krise werden beim FC finanziell keine großen Sprünge zu erwarten sein. Diese Art von Arbeit ist der neue Kölner Trainer aber immerhin schon gewohnt.

https://twitter.com/fckoeln/status/1392047056945045505

Vier Jahre wirkte Baumgart zuvor in Paderborn, er erlebte dort zwei Aufstiege und einen Abstieg, in der aktuellen Saison wird es wohl ein Mittelfeldplatz in der zweiten Liga. Zwischen 2017 und 2019 stieg der SCP unter dem früheren Bundesligastürmer zweimal in Folge auf, die Erstligasaison endete mit Platz 18. Zusammen mit den Sportchefs Markus Krösche (seit 2019 bei RB Leipzig, ab Sommer Sportvorstand bei Eintracht Frankfurt), Martin Przondziono (entlassen im April 2020) und nun Fabian Wohlgemuth gelang es dem Fußballlehrer, aus wenigen Mitteln viel herauszuholen. Anders gesagt: mit geringem finanziellen Aufwand gelang es in Paderborn in den letzten Jahren überwiegend, funktionierende Mannschaften zusammenzustellen und dabei jeweils einen Überschuss zu erzielen. Anders als der 1. FC Köln, bei dem seit Jahren für wenig Erfolg viel Geld in die Hand genommen wird, steht Steffen Baumgart also eher dafür, das maximal Mögliche aus den bestehenden Möglichkeiten herauszuholen. Von daher ist er als Trainer eine gute Wahl.

“Bis auf Taktikfuchs bin ich alles”

Gleichzeitig gelang es dem SC Paderborn unter seiner Ägide, eine erkennbare sportliche Philosophie zu entwickeln und diese unabhängig von der Liga durchzuziehen. Baumgart sieht Fußball als Arbeit, jeder Spieler könne laufen und Einsatzbereitschaft zeigen, betonte er in mehreren Interviews. Und tatsächlich: Der SCP stand in den letzten Jahren für einen laufintensiven und offensiven Pressingfußball, begleitet von einem Trainer, der als Musterbeispiel für “aktives Coaching” steht. Meist kurzärmlig und in Sportklamotten des Vereins gekleidet bewegt sich der frühere Stürmer von Hansa Rostock und dem VfL Wolfsburg während der gesamten Spielzeit durch seine Coaching-Zone, mit lauter Stimme brüllt er Anweisungen aufs Spielfeld und ist dabei auch den Schiedsrichtern gegenüber nicht um klare Worte verlegen.

“Ich bestimmt nicht der größte Taktikfuchs, aber ich kann jeden dazu bringen, dass er den Meter mehr läuft.”

In einem Interview mit dem Portal Spox brachte Baumgart sein Verständnis von Fußball treffend auf den Punkt: “In erster Linie geht es (…) um Mentalität und Bereitschaft. Es geht um Zweikämpfe, Mann gegen Mann. Da musst du dich durchsetzen können. Alle taktischen Geschichten folgen später.” Er selbst sei “bestimmt nicht der größte Taktikfuchs, aber ich kann jeden dazu bringen, dass er den Meter mehr läuft”. So beschrieb er es in einem Podcast von Toni und Felix Kroos. Gegenüber dem Sportbuzzer sagte er einst: “Bis auf Taktikfuchs bin ich alles. Was soll das überhaupt sein, ein Taktikfuchs? Alleine das viele Gerede von Taktik! 4-4-1, 4-3-3 oder sonst eine Anordnung – was soll das bringen? Eine Mannschaft muss ein Gesicht haben und eine gewisse Ordnung.” Baumgart besinnt sich in seiner Arbeit daher auf das Wesentliche: Einsatzbereitschaft und Beziehungsverhältnis zu seinen Spielern.

In Köln wartet eine andere Aufgabe auf Baumgart

In den vergangenen Jahren machte sich der SCP dabei bewusst oder unbewusst das Image des Underdogs zu eigen und auch die überschaubare Medienlandschaft in Ostwestfalen trug ihren Teil dazu bei, dass Baumgart relativ unbeschwert arbeiten konnte. In Köln wartet nun ein etwas andere Aufgabe auf ihn. Bei einem der größten Vereine in Deutschland, seit vier Jahren eigentlich mehr oder weniger in einer dauerhaften Identitätskrise, ist die Emotionslage eine andere – nicht zuletzt durch die intensive mediale Begleitung. Bei Sport1 bekannte Baumgart daher auch, relativ gut darüber Bescheid zu wissen, was ihn in Köln erwarte. “Es geht hier in erster Linie um positive Emotionen. Das kann eine gute Sache werden mit mir und dem FC. Ich treffe auf ein sehr emotionales Publikum, die ganze Stadt steht hinter diesem Klub und fiebert im Guten wie im Schlechten mit.”

“Das kann eine gute Sache werden mit mir und dem FC. Ich treffe auf ein sehr emotionales Publikum, die ganze Stadt steht hinter diesem Klub und fiebert im Guten wie im Schlechten mit.”

Dem Müngersdorfer Stadion attestierte er “eine besondere Power”, Köln stünde für ihn für “pure Emotionen, viel Stimmung und diese geballte Kraft.” Seine Affinität zu emotionalen Ausbrüchen scheint daher ebenfalls gut nach Köln zu passen. Im Gespräch mit der Sportschau bekannte Baumgart, dass er sich bewusst sei, dass einiges auf ihn zukomme. Seine vorrangige Aufgabe verstehe er deshalb darin, an der Struktur der Mannschaft zu arbeiten und gewisse Spieler besser zu machen. Darin liegt zum jetzigen Zeitpunkt auch das größte Risiko dieser Verpflichtung: Der Kader des FC ist seit längerer Zeit unausgewogen, bestimmte Schlüsselpositionen sind nicht ausreichend gut besetzt, zudem droht im Sommer der Abgang von mehreren Leistungsträgern aufgrund der finanziellen Zwänge des Vereins. Und so droht auch Baumgarts Elan schnell zu verpuffen.

Paderborn, Benteler Arena, 10.04.21, GER, Herren, 2.Bundesliga, Saison 2020-2021, SC Paderborn 07 - VfL Bochum Bild: Trainer Steffen Baumgart Paderborn Nur fuer journalistische Zwecke Only for editorial use Gemaess den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoaehnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video. NRW Deutschland *** Paderborn, Benteler Arena, 10 04 21, GER, Herren, 2 Bundesliga, Saison 2020 2021, SC Paderborn 07 VfL Bochum Bild Trainer Steffen Baumgart Paderborn Nur fuer journalistische Zwecke Only for editorial use According to the regulations of the DFL Deutsche Fußball Liga it is prohibited to use or have used photographs taken in the stadium and or from the game in the form of sequence images and or video-like photo series DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video NRW Germany

Foto: imago images / Ulrich Hufnagel

Der neue Kölner Trainer wird daher aller Voraussicht nach mit einem Kader zusammenarbeiten müssen, der eine gewisse Unwucht mitbringt und zuletzt mehrfach unter Beweis gestellt hatte, durchaus etwas phlegmatisch zu sein. Die einzige Hoffnung für den FC in diesen Zeiten sind die zahlreichen talentierten Jugendspieler, die in der kommenden Saison im Profifußball landen dürften. Ob externe Neuzugänge dazustoßen, ist fraglich – Horst Heldts bisherige Transferaktivitäten beim FC sind mit Ausnahme von Ondrej Duda eigentlich überwiegend negativ zu bewerten.  Kostspielige Transfers wie Sebastian Andersson und Dimitrios Limnios (zusammen etwa zehn Millionen Euro Ablöse) haben ebenso wenig funktioniert wie die Leihen von Tolu Arokodare und Emmanuel Dennis.

Ein energiegeladener Trainer mit klarer fußballerischer Idee

Und letztlich ist eine Trainerverpflichtung beim 1. FC Köln in der aktuellen Konstellation nicht immer nur rein eine Trainerverpflichtung. Die Geschäftsführung um Alexander Wehrle und Horst Heldt wollte dem Vernehmen nach eigentlich eher Peter Stöger in die Domstadt zurückholen. Mit dem Österreicher wäre ein in Köln bekannter, beliebter und medial gut vernetzter Trainer gekommen, der sich zuletzt auch nicht zu schade dafür war, den Stand der Verhandlungen fortdauernd in der Öffentlichkeit zu kommentieren. Für die Geschäftsführung, die aktuell durchaus in der Kritik steht, wäre Stöger daher ein gutes Schutzschild gewesen – durch seine Strahlkraft hätte er viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Auch interessant
Die Trainersuche des 1. FC Köln: Es braucht eine Vision für die Zukunft

Mit der Verpflichtung von Baumgart ist der Geschäftsführung laut kicker “ein großer Erfolg” gelungen, gerade weil auch andere Vereine an ihm interessiert waren. Mit einem möglichen Klassenerhalt auf den letzten Metern wären die letzten beiden Wochen der Saison also doch noch irgendwie positiv gelaufen. Deswegen ist Steffen Baumgart eigentlich schon eine passende Besetzung für das Traineramt beim 1. FC Köln, wenn da eben nicht die genannten Bedingungen wären. Ob Anfang, Beierlorzer oder Gisdol, sie alle sind zuletzt beim FC aus unterschiedlichen Gründen gescheitert. Baumgart bringt als energiegeladener Trainer mit klarer fußballerischer Idee auf dem Papier alles mit, die Frage wird sein, ob die Strukturen und Machtgefüge am Geißbockheim ihn nicht zerdrücken.

Mehr aus Spielerportraits

.