In der Bundesliga kämpft der 1. FC Köln um den Klassenerhalt, liegt zwei Spieltage vor Schluss auf einem direkten Abstiegsplatz. Auf der Suche nach einem neuen Trainer waren die “Geißböcke” dagegen schon erfolgreich: Steffen Baumgart steht beim FC ab diesem Sommer an der Seitenlinie, wechselt vom SC Paderborn ans Geißbockheim und unterschreibt in Köln einen Zweijahresvertrag – egal, ob der erste Bundesliga-Meister in der kommenden Saison erst- oder zweitklassig unterwegs sein wird. Mit dem ehemaligen Profi holt sich der Traditionsverein vom Rhein einen umworbenen Charakterkopf an Bord.
Wer aber ist der Trainer, der den FC von Sommer an prägen soll? Für was steht Steffen Baumgart sportlich und charakterlich? Das klären wir mit Autor und Blogger Stephan Simann, der seit 2013 auf schwarzundblau.com über den SC Paderborn schreibt und darüber hinaus im “PaderCast” die Geschehnisse rund um seinen Verein bespricht. Er erklärt uns, wieso der Wechsel zum 1. FC Köln für ihn etwas überraschend kommt, warum Steffen Baumgart für “Was nicht passt, wird passend gemacht” steht und welche Gefahrenquelle er in der Domstadt auf den Trainer zukommen sieht.
Nach vier Jahren zieht es Steffen Baumgart vom SC Paderborn weg zum 1. FC Köln. Eine logische Entwicklung für dich?
Die Vereine, bei denen Steffen Baumgart als heißer Kandidat gehandelt wurde, überraschten in der Form, dass viele davon mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Saison 2021/22 in Liga 2 spielen würden. Logischer wäre in meinen Augen ein Bundesligist gewesen, doch da schienen Angebote zu fehlen, sodass er mit dem 1. FC Köln eine Station gefunden hat, bei der eine Chance auf Bundesliga in absehbarer Zeit besteht. Nicht zuletzt wird es dort auch finanziell ein deutliches Stück nach oben gehen.
“Es wurde ein Fußballmärchen geschrieben, an dem Steffen Baumgart maßgeblichen Anteil hatte. Ich blicke auf eine kleine Ära zurück, die vielleicht die beste in der Vereinsgeschichte sein könnte.”
Seine Zeit in Paderborn war es zunächst ein gewaltiges Auf, danach ein kleineres Ab. Welches Fazit würdest du unter Baumgarts Zeit in Ostwestfalen ziehen?
Man muss sich vor Augen halten, dass es zunächst ganz tief bergab ging, als man eigentlich in die Regionalliga abgestiegen war und nur dank eines Lizenzentzugs von 1860 München in Liga 3 verbleiben dürfte. Danach wurde ein Fußballmärchen geschrieben, an dem Steffen Baumgart maßgeblichen Anteil hatte. So blicke ich auf eine kleine Ära zurück, die vielleicht die beste in der Vereinsgeschichte sein könnte. Geschmälert wird dies nur durch die Tatsache, dass man anderthalb Jahre davon nicht im Stadion miterleben konnte. In Erinnerung wird dennoch packender Offensivfußball bleiben, den man sich als Fan nur wünschen kann.
Foto: imago images / Noah Wedel
Der Fußball, den Baumgart spielen lässt, gilt als temporeich und offensiv ausgeprägt. Was erwartet uns taktisch in Zukunft genau?
Vermutlich dasselbe. Steffen Baumgart hat jüngst mit seiner Mannschaft beim 8:3 in Aue gezeigt, wofür er steht: Offensivfußball, bei dem man lieber ein Tor mehr kassiert, um dann zwei weitere selbst zu schießen. Mich würde wundern, wenn er davon abweichen würde, da er diese Herangehensweise in allen 3 Ligen pflegte, unabhängig davon, ob der FC Bayern München oder Sonnenhof Großaspach der Gegner war.
Im Erstliga-Jahr gab es mitunter Kritik, dass Baumgart zu dogmatisch an seiner Vorstellung von Fußball festhält und ein pragmatischerer Ansatz vielleicht erfolgsversprechender war. Ist der neue FC-Trainer jemand, der seine Linie stur durchsetzen will?
Auch ein Steffen Baumgart lernt dazu. Ich erinnere mich, wie anfänglich trotz Führung in der Schlussphase offensiv(!) gewechselt wurde. Nachdem man dummerweise Tore kassierte und den Sieg verspielte, wurde an dieser Stelle nachjustiert. Ist er aber von etwas überzeugt, zieht er das auch gnadenlos durch, wie in der Bundesliga-Saison zu sehen war, als man die Lösung auch in der Offensive suchte.
Aus der Ferne betrachtet: Hast du das Gefühl, dass der Kölner Kader zu der Art und Weise passt, wie Baumgart spielen will?
Was nicht passt, wird passend gemacht! Steffen Baumgart scheut nicht davor Spieler umzufunktionieren. Der Ex-Paderborner Ben Zolinski wurde in seiner Zeit von der Rechtsverteidiger-Position in den Sturm versetzt, bei Johannes Dörfler machte er es genau umgekehrt. Eure Spieler werden also irgendwie in das Baumgart-System hineinpassen.
“Kommt der FC mit Baumgart gut in die Saison, wird die Stadt und der Verein ihn lieben. Läuft es anfänglich nicht gut, werden seine Aussagen wie ein Bumerang zurückkommen und nicht zur Beruhigung des Umfelds beitragen.”
Immer wieder sorgte Baumgart auch mit seinen Aussagen für Aufsehen, er gilt als Charakterkopf, der nicht um den heißen Brei herumredet. Glaubst du, dass er sich mit seiner zuweilen recht hemdsärmeligen Art in einer Medienmetropole zurechtkommen wird?
Hier sehe ich die größte Gefahrenquelle. Kommt der FC mit Baumgart gut in die Saison, wird die Stadt und der Verein ihn lieben. Läuft es anfänglich nicht gut, werden seine Aussagen wie ein Bumerang zurückkommen und nicht zur Beruhigung des Umfelds beitragen. Vielleicht lernt er an dieser Stelle ein wenig dazu, aber ich würde fast schon garantieren, dass er sich nicht zurückhalten wird.
Foto: imago images / Herbert Bucco
Als raubeiniger Kumpeltyp, der auf harte, ehrliche Arbeit Wert legt: So wird Baumgart oft beschrieben. Was für ein Charakter kommt da auf uns zu? Passt er in deinen Augen zum FC und zu dieser Stadt?
Ich hoffe es sehr, denn ich kann Steffen Baumgart nur alles Gute wünschen und hoffen, dass er dem Fußball noch lange als Trainer erhalten bleibt, da er das Geschäft mit seiner Art unglaublich bereichert.
Über unseren Interviewpartner: Stephan Simann bloggt seit 2013 auf schwarzundblau.com, ist Teil der PaderCast-Crew und Autor der Paderborner Fußballfibel. Auf Twitter findet man ihn unter @schwarzundblau. Manche bezeichnen ihn dabei als SCP-Experten, er sieht sich aber eher als Fan, der gerne seine Meinung zum Sport-Club im Internet hinterlässt.
