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Die Gewinner und Verlierer des Saisonstarts: Des einen Lust ist des anderen Frust beim 1. FC Köln

Foto: imago images / Ulrich Hufnagel

Die Saison ist gerade einmal zwei Bundesliga-Spieltage alt und doch ist rund um den 1. FC Köln schon eine kleine Euphorie-Welle entstanden. Nach dem Heimsieg zum Saisonstart gegen Hertha BSC lieferten die “Geißböcke” dem FC Bayern München einen großen Kampf, kamen nach einem 0:2-Rückstand nochmals zurück in die Partie und hatten den großen Favoriten beim 2:3 am Rande eines Punktverlustes. “Wir haben ein Spiel verloren, was wir nicht hätten verlieren müssen aufgrund des Verlaufs”, betonte FC-Coach Steffen Baumgart nach dem Spiel in München, das trotz der Niederlage Eindruck gemacht hatte.

Die Mannschaft der Kölner ist im Vergleich zu den vorherigen Jahren kaum wiederzuerkennen, dabei hat sich abseits der Trainerbank am Kader der “Geißböcke” gar nicht so viel geändert. Mit Dejan Ljubicic, Mark Uth und Timo Hübers kamen in der Bundesliga bislang erst drei Neuzugänge zum Einsatz. Dennoch gibt es für fast alle Spieler veränderte Rollen in der Baumgart’schen Spielidee. Manche kommen damit bislang gut zurecht, sodass sich nach dem Saisonstart bereits erste Gewinner auftun. Doch nicht für jeden kölschen Kicker begann die Saison ähnlich stark, bei manchem ist sogar schon abzusehen, dass sie im neuen System (erstmal) keine große Rolle spielen werden.

Die Gewinner des Saisonstarts

Anthony Modeste – Die Rückkehr der Brille nach Müngersdorf

Nach einer torlosen Vorsaison und einer bereits als gescheitert abgestempelten Rückholaktion galt Steffen Baumgart als letzter Hoffnungsschimmer für Anthony Modestes bei seinem Herzensverein in Köln. Der französische Torjäger hatte in der vergangenen Saison sowohl beim FC als auch bei seiner Ausleihe nach Saint-Étienne, wo er nicht eine Partie über 90 Minuten absolvieren konnte, größere Verletzungssorgen. Nur die größten Optimisten träumten von einem Wiedererstarken des Torjägers, der vom neuen Trainer seit Amtsantritt aber stetig aufgebaut wurde. Bereits in der Vorbereitung gab es ein Sonderlob vom neuen Fußballehrer für den Angreifer, von dem „alle ein bisschen überrascht“ gewesen seien. So wurde Modeste in den Testspielen regelmäßig eingesetzt, doch nur gegen Duisburg gelang dem Stürmer ein Treffer.

Foto: imago images / ActionPictures

Es wirkte geradezu so, als hätte der Stürmer eine mentale Blockade, doch der Trainer schenkte ihm auch nach einem glücklosen Pokal-Auftritt weiter das Vertrauen. Im Saisonauftakt gegen die Hertha zeigten sich dann die ersten Früchte der harten Arbeit in der Vorbereitung: Der Mittelstürmer konnte seine Strafraum- und Kopfball-Qualitäten nach einem geschickten Einsatz gegen Marton Dárdai unter Beweis stellen und zum wichtigen 1:1 vor dem Pausenpfiff einköpfen. Abseits vom Treffer, bei dem der 33-Jährige endlich wieder seinen Brillen-Jubel in Müngersdorf zeigen durfte, begeisterte der erstaunlich bewegliche Modeste auch beim systembedingten Ausweichen auf den Flügel. Es war keine Einzelaktion, als der Stürmer vor dem 2:1 auf die rechte Bahn auswich und damit das 2:1 für Florian Kainz mit einer abgefälschten Flanke vorbereitete.

“Ich muss sagen, er hat die Vorbereitung perfekt gemacht. Er belohnt sich mit dem Tor”

~ Steffen Baumgart nach dem Heimsieg gegen Hertha BSC

Auch gegen die Bayern traf der Mittelstürmer, wieder war er per Kopf im Strafraum zur Stelle. Und das ist kein Zufall. Immer wieder wischen die Kölner auf die Flügel aus, um von dort Hereingaben in die Mitte zu schlagen.  Gegen die Hertha gab es 21 Flanken, gegen die Bayern immerhin 17 offensive Luftduelle. Mit zehn Kopfbällen in Richtung Tor führt der FC damit sogar die Liga-Statistik an. Eine Spielweise, die Modeste und seiner nachgewiesenen Lufthoheit sehr zugute kommt. So kann sich der Mittelstürmer berechtigte Hoffnungen machen, auch weiterhin Erfolgserlebnisse im Sturm feiern zu dürfen. Zumal sein Trainer selbst gegen Favoriten wie Bayern auf einen Doppelsturm setzt und eine mutige Herangehensweise bevorzugt.

Jan Thielmann – Vom Joker zum Allrounder

Erstaunlich ruhig ist es dagegen (noch) um den Vorbereiter des ersten Modeste-Treffers: Jan Thielmann. Der 19-Jährige stand bisher jede Pflichtspiel-Minute auf dem Feld und glänzte dabei nicht nur durch den Assist zum 1:1 gegen Hertha. Thielmann kam in der vergangenen Saison zwar auf 24 Bundesliga-Einsätze, durfte dabei aber nur dreimal über 90 Minuten auflaufen. In dieser Spielzeit deutet vieles auf einen Durchbruch des B-Jugend-Meisters und U19-Nationalspielers hin. Vor allem profitiert der schnelle Thielmann dabei von seiner Vielseitigkeit: Er kann sowohl im Sturm als auch daneben und dahinter agieren. Gegen die Hertha besetzte der Angreifer zunächst wie im Pokal die Doppelspitze neben Modeste. Dahinter durfte Mark Uth als Zehner starten, doch gerade weil der dynamische Thielmann oft auf die Flügel treibt, um Tempo aufzunehmen, konnte der Kölner immer wieder in den Strafraum vorstoßen.

Foto: imago images / kolbert-press

Das Zusammenspiel geht dadurch perfekt auf, dass Thielmann in der von Baumgart präferierten Mittelfeldraute auch den rechten Part bekleiden kann. Gerade die Wechsel innerhalb des Spiels machen das Spiel der Kölner für den Gegner schwer ausrechenbar. Vor allem gegen die Hertha konnte Thielmann so mit drei Schlüsselpässen (drunter der Assist für Modeste und die Vorbereitung für Vorlagengeber Schmitz beim 3:1) für Aufsehen sorgen. Er scheint unter den vielseitigen Anforderungen des neuen Trainers geradezu aufzublühen. Bemerkenswert ist dabei auch die Fitness, denn als einziger der Offensiv-Spieler hielt der Nachwuchs-Star das aggressive und hohe Pressing immer über die volle Spieldauer aus.

Rafael Czichos – Neuer Abwehrchef nach dem Bornauw-Abgang

Zwar liegen erst zwei Bundesliga-Spieltage hinter uns und doch scheint der erfahrene Abwehr-Recke auch unter Steffen Baumgart hoch im Kurs zu stehen. Trotz der Verpflichtung von Timo Hübers, der als Rechtsfuß mit einem starken linken Fuß auch als Czichos-Alternative gesehen werden könnte, durfte der Ex-Kieler alle drei Pflichtspiele über die vollen 90 beziehungsweise 120 Minuten bestreiten. Jorge Meré, der durch die Verletzung von Hübers gegen die Bayern starten durfte, scheint dagegen ins Duell mit dem Neuzugang aus Hannover zu müssen.

Ein Kampf um die Rolle neben Czichos. Der 31-Jährige übernahm zudem zum Saisonstart das Amt des Vizekapitäns von Marco Höger und steht nach dessen Abgang in der Spielführer-Hierarchie sogar vor dem anderen Stellvertreter Timo Horn. Spielerisch konnte Czichos, der im Pokal noch einige Wackler zeigte, vor allem gegen Hertha für ein Highlight sorgen, als er vor dem 2:1 den entscheidenden Ballgewinn gegen Matheus Cunha einfahren konnte. Das frühe Herausrücken aus der Kette hat in der Vergangenheit aber auch schon zum einen oder anderen Gegentor geführt, sodass der Status des neuen Abwehrchefs nicht in Stein gemeißelt sein dürfte.

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Die Verlierer des Saisonstarts

Ondrej Duda – Von der Offensiv-Hoffnung zum Verkaufskandidat?

An 13 der 34 Kölner Treffer war Ondrej Duda in der Vorsaison direkt beteiligt – Höchstwert beim FC. Weil mit Anthony Modeste und Sebastian Andersson zudem die beiden Mittelstürmer ausfielen, musste der Slowake immer wieder im Sturm aushelfen. Nicht immer konnte der Aushilfs-Stürmer dabei glänzen und doch sorgte der quirlige Offensivmann nicht selten für die einzigen spielerischen Lichtblicke im trostlosen Angriffsspiel der “Geißböcke”. Es folgte eine passable EM-Endrunde für das Slowakische Nationalteam, bei dem Duda ebenfalls als „falscher“ Stürmer eingesetzt wird. Doch nach dem verspäteten Start in die Vorbereitung hat Duda einen schweren Stand unter Steffen Baumgart, der Spielmacher muss sich zunächst hinter Köln-Rückkehrer Mark Uth anstellen.

In der Folge wurde der Slowake in Jena (77.), gegen Hertha BSC (68.) und bei den Bayern (66.) jeweils nur eingewechselt. Überzeugen konnte er dabei kaum, in München fiel er spätestens durch einen überambitionierten Hackentritt inklusive Ballverlust im Vorwärtsgang dabei besonders negativ auf. An der Seitenlinie können solche Joker-Auftritte (wie schon in Jena mit einfachsten Ballverlusten) wenig zu einem verbesserten Ansehen beim Trainer führen. Weil die Kassen in Köln derart leer sind, dass selbst trotz zwei teurer Verkäufe von Ismail Jakobs und Sebastiaan Bornauw kaum finanzieller Spielraum besteht, scheint daher auch ein Abgang des Spielmachers plötzlich eine Möglichkeit zu sein. Zu sehr scheint Duda mit der direkten und aggressiven Spielweise unter Steffen Baumgart zu fremdeln.

Durch eine Millionen-Ablöse, die sich der spielstarke Zehner mit guten Leistungen in der Vorsaison erspielt hat, könnte ein Abgang von Ellyes Skhiri möglicherweise verhindert werden. Der Tunesier zeigt trotz Wechsel-Aufregung erneut, wie wichtig er für die Mannschaft ist und könnte wohl kaum ersetzt werden. Duda hingegen muss aktuell ohnehin hinter Uth anstehen und hat mit Schaub zudem weitere Konkurrenz, wäre also vermutlich leichter zu ersetzen. Dennoch kann seine Klasse auch trotz des schweren Starts nicht in Zweifel gezogen werden, zu häufig hat er im vergangenen Jahr seine Qualitäten unter Beweis gestellt. Ein Duda in Top-Form wäre auch in diesem Jahr eine Bereicherung für die Mannschaft, auch wenn er davon aktuell noch weit entfernt ist.

Salih Özcan – Der Vorbereitungs-Gewinner noch außen vor

In beinahe jedem Vorbereitungsspiel war zu spüren, wie stark Steffen Baumgart Salih Özcan als neue Säule im Zentrum des FC aufbauen möchte. Der U21-Europameiser verlängerte den Vertrag erst kurz vor dem Auslaufen – weil der Trainer ihn von der neuen Rolle in seinem Jugendclub überzeugen konnte. Ein Pokalspiel später, indem der Mittelfeldmann nicht überzeugen konnte und darüber hinaus die Wichtigkeit Skhiris zum Vorschein kam ist der frische Wind erstmal aus den Segeln der neuen Nummer Sechs. Beim FC Bayern wurde der 23-Jährige (auch wegen des Spielstandes) nicht eingesetzt, gegen Hertha half er zumindest für eine Viertelstunde, die Führung über die Zeit zu bringen.

Foto: imago images / Revierfoto

Nach zwei Liga-Spielen ist der Özcan-Zug also ordentlich ins Stocken geraten. Es deutet sich zwar an, dass er den nächsten Schritt unter dem neuen Förderer machen kann, von der Joker-Rolle wollte sich der gebürtige Kölner aber gerade lösen. Es bleibt daher weiter auf den Durchbruch Özcans zu warten, der darüber hinaus derzeit zweimal hinter Dejan Ljubicic anstehen musste. Zumindest gibt es im neuen System jetzt mehrere Positionen, auf denen er auflaufen kann. Dennoch: Nach der Vorbereitung kommt es überraschend, dass das FC-Eigengewächs zuletzt auf der Bank Platz nehmen musste. Spricht aber auch dafür, dass Steffen Baumgart kein Dogmatiker ist, der an vermeintlich liebgewonnenen Vorstellungen festhält, wenn sie nicht mit den Erkenntnissen auf dem Platz korrespondieren.

Noah Katterbach und Sava-Arangel Čestić – Spielpraxis nur in der U21

Das Nachwuchs-Duo durfte sich berechtigte Hoffnungen machen, unter dem neuen Trainer mit mehr Konstanz in der ersten Elf zu stehen. Katterbachs Position wurde durch den Verkauf seines Kumpels Jakobs und die Verletzung von Jannes Horn sogar eigentlich für ihn frei. Doch Baumgart war mit der Vorbereitung des Fritz-Walter-Medaillengewinners nicht zufrieden. So begann Benno Schmitz als Aushilfslösung im Pokal auf links, in der Liga wurde dagegen Jonas Hector zweimal auf seine alte Position zurückversetzt. Kein gutes Zeichen für „Katto“, der zumindest bei seinen drei U21-Auftritten überzeugen konnte.

Bei der Reserve in der Regionalliga West wusste Katterbach zumindest ein bekanntes Gesicht an seiner Seite: Sava-Arangel Čestić. Der frischgebackene serbische Nationalspieler scheint nach Verletzungsproblemen in der Vorbereitung bei den Profis aktuell keine Aussicht auf Einsatzzeiten zu haben, zumal am Dienstag mit Luca Kilian ein weiterer Innenverteidiger verpflichtet wurde. Eine sinnvolle Option könnte daher eine Leihe darstellen, gleiches gilt für Katterbach, sofern er Baumgart nicht schnell durch gute Leistungen überzeugen kann.

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