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„Nicht zielführend“: Mitgliederrat äußert sich zum Offenen Brief des 1. FC Köln an die Ultras

Foto: roteboecke.com

Der Offene Brief des 1. FC Köln an die Ultra-Gruppierungen sorgt intern immer noch für Groll. Der Mitgliederrat äußert sich in einer Stellungnahme zum siebenseitigen Schreiben und verweigert die Zustimmung.

Der Mitgliederrat des 1. FC Köln hat sich erstmals öffentlich als Gremium zum heiß diskutierten Offenen Brief des Vereins an die Ultra-Gruppierungen geäußert – und wird sich dem Schreiben nach eingehender Diskussion nicht anschließen. „Der Mitgliederrat stimmt zwar dem Inhalt des Ultra-Papiers in einigen Punkten zu. Wir glauben jedoch, dass die gewählte Form nicht zielführend ist“, heißt in der Stellungnahme des Gremiums.

Dazu wollte der Mitgliederrat vor einer möglichen Zustimmung und Veröffentlichung intern über den siebenseitigen Offenen Brief beraten – der Vorstand sei dieser Bitte nicht gefolgt. „Eine Zustimmung vom Mitgliederrat zu verlangen, ohne dass das Gremium die Möglichkeit hat, das Papier zu besprechen oder Änderungswünsche anzubringen, stellt aus unserer Sicht eine Missachtung des Gremiums Mitgliederrat und seiner satzungsgemäßen Rechte und Pflichten dar. Wenn der Vorstand selbst bei diesen Themen nicht den Rat des Mitgliederrates einholt, ist das bestenfalls als enttäuschend zu bezeichnen“, stellt das Gremium fest.

Offener Brief sorgt für Kritik seitens des Mitgliederrats

In dem ausführlichen Schreiben, das Mitte Februar auf die vereinseigene Homepage gestellt wurde, äußerte sich der 1. FC Köln zu vielen Kritikpunkten, die in den vergangenen Monaten aufgekommen waren, und fand dabei auch harte Worte gegenüber den wortführenden Ultragruppierungen. Der Text, den Präsidium, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat des 1. FC Köln sowie “Teile des Mitgliederrats”, wie der Verein die nicht im Gremium abgestimmte Zustimmung von drei Mitgliederräten umschrieb, unterschrieben hatten, zeichnet die Entfremdung zwischen Verein und Teilen der Fanszene seit dem vergangenen Sommer nach. Unter anderem nimmt der effzeh dort auch Stellung zur umstrittenen Choreo-Klausel, zur Kritik an den Stadionplänen sowie dem Umgang mit der Mitgliederinitiative „100% FC – Dein Verein“.

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Damit reagierten die „Geißböcke“ unter anderem auf die Erneuerung der Vorwürfe, die der „Südkurve 1. FC Köln“ e.V. im Herbst durch einen Offenen Brief an den Vorstand aufgebracht hatte (effzeh.com berichtete). Auch deshalb erhält der effzeh die Unterstützung des Mitgliederrats für diese Vorgehensweise nicht. Insbesondere sei das Gremium nicht damit einverstanden, dass die Auseinandersetzung und Debatte mit und über Ultra-Fangruppen vermischt wird mit Debatten im Verein über die Zukunft des 1. FC Köln. Schon direkt nach der Veröffentlichung hatte Mitgliederrats-Chef Stefan Müller-Römer harsche Kritik geäußert (effzeh.com berichtete), FC-Vizepräsident Toni Schumacher konterte die Vorwürfe nur wenig später.

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Stellungnahme des Mitgliederrates zum Ultra-Papier „ZUSAMMEN FAIR BLEIBEN“ vom
14.02.2018

Liebe Mitglieder und FC-Fans,
der Mitgliederrat als Gremium des 1. FC Köln 01/07 e.V. hat bekanntermaßen der vom Vorstand veröffentlichten Stellungnahme „ZUSAMMEN FAIR BLEIBEN“ vom 14.02.2018 nicht zugestimmt. Da es sich um ein wichtiges Thema handelt, möchten wir zu unseren Gründen hierfür Euch gegenüber Stellung nehmen:

Der Mitgliederrat war in die Erstellung des Ultra-Papiers nicht eingebunden. Vielmehr wurde uns der Entwurf ohne jede Vorankündigung erstmals am Karnevalsfreitag per E-Mail zur Kenntnisgebracht, verbunden mit einer am Rosenmontag um 12.00 Uhr ablaufenden Frist „zur Zustimmung“. Wegen der Bedeutung und Sensibilität des Themas hat der Mitgliederrat noch am gleichen Tag den Vorstand gebeten, mit der Veröffentlichung bis nach der Mitgliederratssitzung am 19.2.18 zu warten, damit wir uns zu dem Papier im Gremium eine Meinung bilden können. Hierzu war der Vorstand eingeladen, um mit uns gemeinsam zu diskutieren. Leider ist der Vorstand unserer Bitte nicht gefolgt.

Der Mitgliederrat befasst sich seit Jahren intensiv mit dem Thema und nimmt auch mit zwei Vertretern an den Sitzungen der AG Fankultur teil. Eine Zustimmung vom Mitgliederrat zu verlangen, ohne dass das Gremium die Möglichkeit hat, das Papier zu besprechen oder Änderungswünsche anzubringen, stellt aus unserer Sicht eine Missachtung des Gremiums Mitgliederrat und seiner satzungsgemäßen Rechte und Pflichten dar. Hierzu gehört die Beratung des Vorstandes, gerade in Fragen, die Mitglieder- und Fanthemen betreffen. Wenn der Vorstand selbst bei diesen Themen nicht den Rat des Mitgliederrates einholt, ist das bestenfalls als enttäuschend zu bezeichnen.

Ebenso wenig mit dem Mitgliederrat abgestimmt war auch der Punkt, dass „Teile des Mitgliederrates“ als Unterzeichner des Papiers aufgeführt wurden. Der Mitgliederrat ist ein Gremium und zerfällt nicht in einzelne Teile. Wenn einzelne, wenige Mitglieder des Mitgliederrates unabhängig von einem Votum des Gremiums oder einer Debatte im Gremium eine Erklärung abgeben, so handelt es sich nur um eine Erklärung einzelner Mitglieder, die nicht im Namen des Gremiums handeln.

Nachdem der Mitgliederrat die Stellungnahme „ZUSAMMEN FAIR BLEIBEN“ in seiner Sitzung am 19.2.2018 besprochen hat, nehmen wir auch inhaltlich dazu Stellung: Seit vielen Jahren gibt es immer wieder einmal Probleme mit Fangruppen, insbesondere mit Ultras. Die Entwicklung dieser Auseinandersetzungen und Debatten hat der Mitgliederrat stets gemeinsam mit dem Vorstand verfolgt und begleitet. Der Mitgliederrat hat immer den zweigleisigen Weg des Vorstandes unterstützt, nämlich einerseits bei Grenzüberschreitungen konsequent durchzugreifen, andererseits aber im Dialog mit der aktiven Fanszene zu bleiben.

Wir verweisen bspw. auf unsere Stellungnahme zu den Vorfällen in Mönchengladbach im Jahr 2015. Bereits damals haben wir erklärt, dass Personen, die unserem Verein nachweislich massiven Schaden zufügen, bei uns keinen Platz haben. Dies gilt selbstverständlich auch weiterhin, weswegen wir Vorfälle wie in Belgrad natürlich verurteilen. Ebenso scharf verurteilen wir die unterirdischen Entgleisungen im Spiel gegen Stuttgart am 4.3.2018 gegenüber dem gegnerischen Torhüter.

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Zugleich halten wir aber die Fortsetzung des Dialogs für alternativlos, um mit den vernünftigen Personen aus der Ultra-Szene im Gespräch zu bleiben und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Entsprechend haben wir stets unseren Teil dazu beigetragen, um die Dialogbereitschaft zu fördern und beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Ziel muss es sein, dass die Ultra-Gruppen wieder zurück in die AG Fankultur kommen, in der der Südkurve 1. FC Köln e.V. übrigens – anders als in dem Ultra-Papier „ZUSAMMEN FAIR BLEIBEN“ suggeriert wird – weiterhin vertreten ist.

Auch in den letzten Wochen haben wir hierzu zahlreiche Gespräche geführt. Dabei haben wir den Ultras deutlich gemacht, dass sie sich und ihren Zielen schaden, wenn sie sich dem Dialog in der AG Fankultur verweigern. Diese Gespräche sind und bleiben jedoch vertraulich. Wir agieren hier im Einvernehmen mit dem Vorstand sowie den Leitern der AG Fankultur und im Interesse der Aufrechterhaltung einer bunten Fankultur.

Der Mitgliederrat hat immer deutlich gemacht, dass er Ausschreitungen und Sachbeschädigungen sowie sonstige Gewalt und Androhung von Gewalt in keiner Weise akzeptiert. So hat der Mitgliederrat vor kurzem noch eine Stellungnahme veröffentlicht und die persönlichen Anfeindungen einzelner Mitarbeiter des Vereins verurteilt. Der Mitgliederrat hat sich dabei namentlich hinter den Mitarbeiter des Vereins gestellt, der Ziel dieser verbalen Angriffe war. Der von manchen geschürte Eindruck, der Mitgliederrat sehe diese Probleme nicht oder leiste in der Ultra-Thematik keinen konstruktiven Beitrag, ist also falsch. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Mitgliederrat stimmt zwar dem Inhalt des Ultra-Papiers in einigen Punkten zu. Wir glauben jedoch, dass die gewählte Form nicht zielführend ist. Insbesondere ist der Mitgliederrat nicht damit einverstanden, dass die Auseinandersetzung und Debatte mit und über Ultra-Fangruppen vermischt wird mit Debatten in unserem Verein über die Zukunft des 1. FC Köln. Die Vermischung betrifft insbesondere die Themen Stadion, Investoren/Anteilsveräußerung und die Mitgliederinitiative “100 % FC – Dein Verein“. Ebenso sind frühere Äußerungen des Vorstands im Zusammenhang mit dem China-Engagement des Vereins nicht nur von Ultras mit Befremden aufgenommen worden.

Wir halten es deswegen für verfehlt, wenn Aussagen über ein „renovierungsbedürftiges Stadion“ und eine „ligaweit höchste Miete“ in einem Schreiben zur Ultra-Thematik enthalten sind. Der Mitgliederrat unterstützt das Ziel des Vorstands, in Müngersdorf bleiben zu wollen. Vor diesem Hintergrund finden wir es nicht richtig, dass die Ultra-Aussage „Standort Müngersdorf unverhandelbar“ als „vereinsschädigende Parole“ bezeichnet wird. Im Ergebnis sind nämlich die formulierten Ziele des Vorstandes, der Ultras und auch von uns in diesem Punkt identisch. Die Frage, in welchem Stadion wir künftig spielen, wie es ausgestattet und finanziert wird, und welchen Platzbedarf wir brauchen, muss offen diskutiert werden. Wir werden uns intensiv daran beteiligen.

Dass Mitglieder angesichts der anstehenden Infrastrukturmaßnahmen (Nachwuchsleistungszentrum, Stadion) die Frage einer Veräußerung von Anteilen des 1. FC Köln 01/07 e.V. an der 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA wenigstens offen diskutieren möchten, halten wir für nachvollziehbar. Eine Debatte über den Kern unseres Selbstverständnisses, nämlich die Frage, ob überhaupt und wenn ja an wen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft veräußert werden (können), muss mit den Mitgliedern, die sich dafür interessieren, geführt werden. Ein Verkauf von Anteilen zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen wird in dem Schreiben des Vorstandes als ein sinnvolles Mittel angesehen. Diese Frage erfordert im ersten Schritt eine transparente und offene Debatte, die wir mitgestalten möchten.

Aus den vorstehenden Gründen hat der Mitgliederrat beschlossen, sich dem vom Vorstand veröffentlichten Papier „ZUSAMMEN FAIR BLEIBEN“ nicht anzuschließen.

Köln, 5.3.2018
Der Mitgliederrat des 1. FC Köln e.V

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