Nach der dritten Niederlage im vierten Spiel der Zweitliga-Rückrunde wird der Wind rauer am Geißbockheim. Es ist das zweite Mal in dieser Saison, dass beim Aufstiegsfavoriten keine Zufriedenheit wegen der sportlichen Leistungen der Profis herrscht – bereits im November war man nach der 0:1-Niederlage gegen den Mitbewerber aus Hamburg zusammengekommen, um über die Konsequenzen der Schwächephase zu diskutieren. Der für das Sportliche verantwortliche Geschäftsführer Armin Veh erklärte nun nach dem 2:3 in Paderborn: “Natürlich kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn man so ein Spiel verliert. Von den letzten vier Spielen haben wir drei verloren. Das ist eindeutig zu viel. Das können wir uns als FC nicht leisten.”
Danach richtete er einen Appell an das Trainerteam um Markus Anfang, das jetzt gefragt sei, “Lösungen zu finden”. Veh ergänzte: “Wenn wir Phasen haben, in denen wir keine Souveränität besitzen, brauchen wir dafür Lösungen. Wir müssen unsere Spiele gewinnen. Nach der letzten Niederlage ist das Ziel gefährdet.” Nachdem sich der 1. FC Köln früh auf Anfang als Cheftrainer für die Zweitliga-Saison festgelegt hatte, strahlte der Aufstiegsfavorit in dieser Spielzeit nur phasenweise die Dominanz aus, die sich Vorstand, Geschäftsführung, Fans und Mannschaft gewünscht hatten. Durch die klare Ansage an das Trainerteam wird der Druck nun größer für Anfang und seine Kollegen – ist der effzeh gar gezwungen, die Trainerposition neu zu besetzen? Wir setzen uns mit dieser Frage in einem “Pro und Contra” auseinander.
Warum sich der 1. FC Köln von Markus Anfang trennen sollte
Eine Einordnung vorweg: Markus Anfang ist nicht alleine für den derzeitigen Zustand des 1.FC Köln verantwortlich. Er wurde verpflichtet, weil er mit Holstein Kiel offensiven und erfolgreichen Fußball spielen ließ. Beim effzeh wusste man, was man bekam und (hoffentlich) was für den Erfolg nötig gewesen wäre. Abgesehen von Anfangs Wunschspielern stellte Armin Veh ihm dann allerdings den vermutlich langsamsten Kader zusammen, der in der letzten Dekade beim effzeh unter Vertrag stand.
Dass diese Geschwindigkeitsdefizite auch in der zweiten Liga zu Problemen führen, war absehbar. Die Konsequenz von Armin Veh? Er holte – im Winter! – Johannes Geis und verstärkte diese Probleme noch zusätzlich. Das ist nur ein Beispiel von vielen, aber symbolisch wichtig: Der effzeh verpflichtete Markus Anfang, um offensiven, erfolgreichen Fußball bieten zu können. Er verpasste es jedoch nahezu völlig, ihm die passenden Spieler dafür zur Verfügung zu stellen. Und die Geis-Verpflichtung zeigte, dass der Bedarf weiterhin ignoriert wurde.
Dass diese Tempodefizite auch unter jedem anderen Trainer ein Problem sein würden, dürfte deutlich zu erkennen sein. Aber, und da liegt der Hase eigentlich schon seit Beginn der Saison im Pfeffer: Markus Anfang sollte das selbst am besten wissen und die Ausrichtung der Mannschaft dementsprechend anpassen. Statt eines solchen Prozesses sehen wir jedoch, dass die Abhängigkeit von Glück und individuellem Können größer ist als je zuvor. Ohne die Qualitäten im Sturm und –vereinzelt- im offensiven Mittelfeld würde der Aufstieg in weiter Ferne liegen.
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Stillstand, sondern Rückschritt beim 1. FC Köln
Es ist unklar, was der Coach in der Winterpause einüben ließ – genutzt hat es offensichtlich wenig. Nach wie vor nimmt er nicht dringend benötigte Anpassungen an der Spielweise vor, sondern versucht auf Biegen und Brechen, seinen Stiefel durchzuziehen. Gab es in der Hinrunde noch Momente, in denen Anfang eine gewisse Lernfähigkeit andeutete, ist davon nun nichts mehr zu erkennen. Die Probleme in der Defensive sind geblieben, in der Offensive sind viele hinzugekommen. Es geht schon lange über Frederik Sörensen als Mittelstürmer in Notsituationen hinaus.
In einer lesenswerten Analyse wurde auf dem Paderball-Taktikblog die taktischen Defizite des effzeh treffend formuliert und die zunehmende Verschlechterung hervorgehoben, die nicht nur in Paderborn erkennbar war: „Köln machte nichts aus der individuellen Dominanz, versuchte zu keinem Zeitpunkt, Fußball zu spielen, sondern vertraute nahezu alleinig auf seine Stürmer. Anstatt zu kombinieren, wurde gepöhlt, anstelle das Spiel aufzubauen, brachte man sich mit jedem Pass mehr in die Bredouille”, heißt es in der Analyse, die folgerichtig festhält: “Es ist schlichtweg erschreckend, wie stark das Niveau der Kölner seit dem Hinspiel abgefallen ist. Während die Abwehr weiterhin wacklig und mehr denn je auf den Status Quo der Schiedsrichterei angewiesen ist, hat die Offensive das Kombinationsspiel verlernt.“
Alte Fehler in der Abwehr, neue Probleme im Angriff
Die Probleme im Defensivverhalten sind unter anderem: Zu große Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, zu schwache Ballsicherheit im eigenen Spielaufbau, ein langsames, unaufmerksames Umschalten nach eigenen Ballverlusten, eine grundsätzlich schlechte Ordnung, zu unkonzentriertes Zweikampfverhalten, generelle Nachlässigkeit und ein extrem schlechtes Verhalten bei Standardsituationen. Kommt man an den Ball, wird er weggedroschen; kommt man nicht an den Ball, verliert man jegliche Orientierung und lässt dem Gegner sehr viel Zeit, damit dieser sich das Spielgerät neu vor dem effzeh-Strafraum zurechtlegen kann. Nicht zufällig resultierten alle Gegentreffer in Ostwestfalen in der einen oder anderen Form aus Standards.
Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images
Angesichts dessen stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass in mehr als 20 Spielen überhaupt keine Verbesserung in diesen Bereichen erkennbar ist? Hinzu kommen neue Probleme, eigene Offensivaktionen und Torchancen herauszuspielen. Konnte man zu Saisonbeginn noch in der Offensive ein einigermaßen durchdachtes Kombinationsspiel erkennen, beschränkt sich inzwischen alles nur noch darauf, den Stürmern den Ball zu geben und dann spontan zu schauen, was passiert. Das reicht immer noch, um viele Tore zu schießen, weil die individuelle Klasse von Terodde, Cordoba, Modeste, Drexler und Schaub (Fitness vorausgesetzt) für die zweite Liga absurd hoch ist.
Die Alarmsignale beschränken sich nicht nur auf die Taktik
Aber bei den Torerfolgen sind keine taktischen Muster erkennbar. Schon ein gut verteidigendes Team wie Union Berlin hat den effzeh vor unlösbare Rätsel gestellt. Allerspätestens in der ersten Liga wären solche Muster jedoch notwendig, um bestehen zu können. Doch sie sind verschwunden. Wären die Defizite ausschließlich taktischer Natur, könnte man Anfang immerhin zugute halten, er hätte die Mannschaft im Griff, sei ein guter Motivator oder was auch immer. Auch dem ist nicht so. Denn die Alarmsignale beschränken sich nicht auf die Taktik.
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nicht mit Markus Anfang weitergehen sollte
Ein grundlegendes Problem ist, dass die Mannschaft offenbar kontinuierlich sehr schnell dazu neigt, sich zu sicher und selbstzufrieden zu sein. Das wurde nicht durch Änderung der offensiven Spielweise deutlich, sondern durch eine zunehmende Nachlässigkeit in allen Aktionen – sei es das Umschaltspiel nach eigenen Ballverlusten, zu lasches Nachsetzen oder halbherziges Pressing. Diese Probleme rächten sich bereits mehrfach, unter anderem gegen Bochum, Duisburg oder Kiel, die sich nicht von der individuellen Überlegenheit des effzeh einschüchtern ließen und ihm Punkte abknöpften. Entscheidend war dafür nicht nur die bereits erwähnte taktische Planlosigkeit, sondern auch die leidenschaftslose Art, in der die Mannschaft spielte. Die Niederlage in Paderborn zeigt dieses Problem in überspitzter, aber deutlicher Hinsicht auf.
Wenig Einsicht, viel Gottvertrauen
Abseits der Spiele sorgt auch Anfangs Ausstrahlung für Kopfschütteln. Er lässt jede Kritik an sich abprallen, redet Dinge schön und flüchtet sich schnell in Phrasen – insbesondere nach Niederlagen. Dazu verweist er auf vermeintlich erreichte Erfolge und spekuliert über Erfolgsfälle, die in der Realität nicht vorkamen. Wären die Spiele nur ein bisschen anders verlaufen, hätte es nämlich gar keinen Anlass dazu gegeben, irgendwas zu kritisieren. Nehmen wir, als jüngstes Beispiel, einiges, was er der “Bild”-Zeitung in den vergangenen Tagen gesagt hat:
BILD: Wie sehen Sie die Kritik von Armin Veh?
Anfang: „Es ist legitim, die Sinne zu schärfen nach den letzten Ergebnissen. Das ist wichtig und richtig.“
[…]
BILD: Sind Sie noch überzeugt vom Aufstieg?
Anfang: „Man kann jetzt vieles dramatisieren. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen, unser Ziel zu erreichen. Es geht darum, Ruhe zu bewahren. Wer ruhig bleibt und sich auf seine Stärken besinnt, steigt am Ende auf.“
[…]
BILD: Wie dramatisch ist die Situation?
Anfang: „Wenn wir das Nachholspiel gegen Aue gewinnen, sind wir bis auf zwei Punkte an Hamburg dran und alles ist so, wie es sein sollte. Aber klar ist natürlich, dass wir Punkte liegen gelassen haben. Da hat keiner ein gutes Gefühl: Nicht die Mannschaft, das Trainerteam und die Führung und schon gar nicht die Fans. Gegen St. Pauli haben wir ein tolles Spiel abgeliefert, da müssen wir eine Woche später nicht alles in Frage stellen.“
Der Schlusssatz zeigt sehr gut, dass Anfang verlorene Spiele anscheinend nicht als Anlässe sieht, um etwas zu verändern, sondern eher als lässliche Ereignisse, über die man mehr oder weniger hinweg sehen könne. Denn die Spiele hätten ja schließlich auch anders ausgehen können. Das Spiel gegen St. Pauli war toll, deswegen muss man so eine Niederlage wie gegen Paderborn nicht überinterpretieren. Wen interessieren da schon beispielsweise die Auftritte gegen Bochum und Berlin?
Nichts gezeigt, was ein “Weiter so” rechtfertigen würde
Spätestens nach diesen Aussagen müssten auch bei den Verantwortlichen des 1. FC Köln eigentlich alle Alarmglocken schrillen: Anfang folgt dem Motto “Et hätt noch immer jot jejange”. Damit steht er im Verein und im Umfeld zwar nicht alleine da, aber seine Lernresistenz und die lasche Einstellung gefährden den Aufstieg derzeit stärker als die Verfehlungen anderer Leute.
Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images
Vielleicht schafft es die Mannschaft ja, die nächsten drei Spiele zu gewinnen und einige Eindrücke zu verwischen. Vielleicht gelingt Markus Anfang tatsächlich noch der Aufstieg. Wahrscheinlich wäre es jedoch besser, vorher zu reagieren, um den Aufstieg und die Zukunft des Vereins nicht einem “Schwarz oder Rot”-Szenario auszusetzen. Aber spätestens danach sollten die Verantwortlichen die nötigen personellen Konsequenzen ziehen. Auch wenn er damit nicht der einzige gegenwärtige effzeh-Protagonist ist: Markus Anfang hat nichts geleistet, was eine Beschäftigung über die laufende Saison rechtfertigen würde.