Ab dem 28. Spieltag, so sagte einst der große kölsche Fußballphilosoph Christoph Daum, gelte es so richtig. Die Saison sei schließlich ein Marathon und kein Sprint. Im Schlussspurt müsse man zur Stelle sein, um am Ende die Saisonziele erreichen zu können. Das stimmt wie sämtliche Kalendersprüche im Leben auch nur so halb, denn auch ein knackiges Ende hilft einem nicht mehr, wenn vorher der Zug ohne einen abgefahren ist. Was dieser Metaphernsalat mit dem 1. FC Köln in dieser Saison zu tun hat? Ein wenig, denn sieben Spiele vor Schluss haben die “Geißböcke” das Erreichen des Saisonziels Klassenerhalt greifbar nahe. Wenn die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart jetzt im Zielsprint nicht mehr über die eigenen Füße stolpert, sollte ein weiteres Jahr in der Bundesliga gebucht werden können.
Damals, als Trainer-Zampano Christoph Daum sein Bonmot prägte, endete die Spielzeit mit dem Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse – zum Schluss unter Dach und Fach gebracht im Müngersdorfer Stadion mit einem Heimsieg gegen den 1. FSV Mainz 05. Womit wir beim Gegner zum Auftakt in den Endspurt der aktuellen Saison wären: Mit Mainz 05 ist ein unangenehmer Gegner zu Gast im Kölner Westen. Etwas ungeliebt, aber irgendwie nicht wegzukriegen – also praktisch wie der FC Augsburg, den der FC in der vergangenen Woche bezwingen konnte. Die “Nullfünfer” sind allerdings noch ein größeres Kaliber, bringen sie neben den unnötigen Mätzchen und Spirenzchen auch sportliche Qualität auf den Rasen. Nicht umsonst kämpfen die Rheinhessen noch um den Einzug in den Europapokal.
Der FC visiert derweil “nur” den Ligaverbleib an, der angesichts der personellen Voraussetzungen schon ein ordentliches Pfund ist. Der Vorsprung derzeit ist ausreichend, doch zu sehr sollten sich die “Geißböcke” nicht auf dem vermeintlich komfortablen Polster ausruhen. Gerade zuhause lief es für die Baumgart-Schützlinge zuletzt eher schleppen, seit drei Partien sind die Kölner im Müngersdorfer Stadion ohne eigenen Treffer. Der kölsche Anhang sehnt sich zurück nach Fußballfesten, die die Mannschaft zu Beginn des Jahres gegen Werder Bremen (7:1) und Eintracht Frankfurt (3:0) auf den Rasen gebracht hatte. Gerade gegen Mainz gab es in der jüngsten Vergangenheit emotionale Aufeinandertreffen in der Kölner WM-Arena – warum also nicht auch jetzt am 28. Spieltag? Oder um es mit Christoph Daum zu halten: Jetzt geht es so richtig los!
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Ausgangslage
Tief durchgeatmet hat der 1. FC Köln nach dem Auswärtssieg in Augsburg – durch das 3:1 beendeten die “Geißböcke” eine Serie von zuvor sechs sieglosen Bundesliga-Spielen und vergrößerten das Polster auf die Abstiegsränge auf acht Punkte. Der zugleich erste Auswärtssieg der Kölner seit sieben Monaten war nicht nur deshalb ein Befreiungsschlag für die Baumgart-Elf, die den Bundesliga-Endspurt nicht im Krisenmodus angehen muss. Doch wie verführerisch ein relativ komfortabel anmutender Vorsprung im Abstiegskampf sein kann, musste auch der glorreiche FC schon einmal feststellen. Daher gilt für den Tabellenzwölften vor dem Mainz-Heimspiel die Spannung hochzuhalten und möglichst gleich nachzulegen. Das dürfte nach der Durststrecke auch die strapazierten Nerven rund um den Verein schonen.
Während der FC die Augen eher nach unten richtet, sind die Blicke der “Nullfünfer” Richtung Europapokal unterwegs. Die Mainzer stellen das drittbeste Rückrundenteam und sind seit acht Bundesliga-Spielen ungeschlagen (fünf Siege, drei Remis). Durch diese Serie haben sich die Rheinhessen an die Plätze herangerobbt, die zur Teilnahme an internationalen Wettbewerben berechtigen könnten. Insgesamt sind die Svensson-Schützlinge so etwas wie die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga, gewannen auswärts zuletzt sehr souverän bei einer Marketingabteilung eines österreichischen Brauseherstellers. Mit einem Erfolg in Köln könnte Mainz sogar zumindest vorübergehend am Lokalrivalen Eintracht Frankfurt in der Tabelle vorbeiziehen. Wenn das nicht Motivation genug sein sollte.
So lief das letzte Aufeinandertreffen
Über das Hinspiel sollte der 1. FC Köln eigentlich den Mantel des Schweigens legen: Mit 0:5 gingen die “Geißböcke” in Mainz baden. Es war ein gebrauchter Tag für die Baumgart-Schützlinge, die spätestens nach dem Platzverweis für Luca Kilian die Grenzen ganz deutlich aufgezeigt bekamen. Reden wir also lieber über das letzte Aufeinandertreffen im wunderschönen Müngersdorf: Nach 0:2-Rückstand biss sich der FC zurück in die Partie, Ellyes Skhiri und Dejan Ljubicic schossen die Kölner zurück ins Spiel. Als Kilian (ausgerechnet!!!) zum Sieg traf, glich das Stadion einem Tollhaus. Der erste Schritt Richtung Europapokal war gemacht.
Schlüsselspieler
Lauf- und kampfstark: Eric Martel ist überall dort zu finden, wo Fußball weniger zelebriert denn gearbeitet wird. Diese Qualitäten darf der Sommerneuzugang, der sich in Köln erstaunlich schnell akklimatisiert hat, auch am Samstagnachmittag in Müngersdorf in die Waagschale werfen. Insbesondere aufgrund des Fehlens von Mittelfeldmotor Ellyes Skhiri, der aufgrund seiner fünften Gelben Karte gegen die Mainzer pausieren muss, kommt dem U21-Nationalspieler eine noch größere Wichtigkeit zu – Martel muss Löcher stopfen, Bälle erobern, den Gegner nerven und vieles mehr. Seine neu entdeckte Torgefahr, die in Augsburg zum ersten Bundesliga-Treffer führte, muss vermutlich im Duell mit den “Nullfünfern” hintanstehen, der 20-Jährige dürfte am 28. Spieltag mehr als sichernder Sechser denn als Box-to-Box-Spieler gefragt sein.
“Wir wollen an unsere Leistungen anknüpfen, die wir in den vergangenen Begegnungen gezeigt haben. Drei Punkte wären ein weiterer Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel.”
Ein hoch aufgeschossener Angreifer, so einsatzfreudig wie torgefährlich: Was sich so manche Mannschaft (wie auch der 1. FC Köln) gern backen würde, hat der 1. FSV Mainz 05 seit Winter zur Verfügung. Ludovic Ajorque wechselte zur Jahresfrist von Racing Straßburg zu den Rheinhessen und schlug bei der Elf von Bo Svensson direkt ein. In vorderster Front behauptet der 29 Jahre alte Stoßstürmer die Bälle, läuft schier unermüdlich die Abwehrreihen des Gegners an und sorgt darüber hinaus noch selbst für Torgefahr. Mit vier Toren ist der Franzose der treffsicherste Winterneuzugang der Bundesliga – und der Zielspieler der Mainzer Angriffsbemühungen, die dank des 1,96-Meter-Hünens noch variabler daherkommen.
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Top-Fakt
Der 1. FC Köln verlor nur eines der elf Bundesliga-Heimspiele gegen den 1. FSV Mainz 05 (fünf Siege, fünf Unentschieden) – am 11. April 2021 mit 2:3.
Das sagen die Trainer
Steffen Baumgart (1. FC Köln): „Mainz ist nicht umsonst die drittbeste Rückrundenmannschaft. Es wird eine interessante Aufgabe für uns. Mittlerweile haben sie auf alles eine Lösung parat. Sie haben ein gutes Umschaltspiel und können in allen Phasen der Partie gefährlich sein. Wir wollen an unsere Leistungen anknüpfen, die wir in den vergangenen Begegnungen gezeigt haben, und wollen am Samstag ein positives Ergebnis einfahren. Drei Punkte wären ein weiterer Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel. Wir wollen am Samstag als Sieger vom Platz gehen, aggressiv nach vorne spielen und unsere Chancen nutzen. Dabei wollen wir die Emotionen aus unserem Stadion mitnehmen.“
Bo Svensson (1. FSV Mainz 05): „Uns erwartet in Köln eine sehr besondere Atmosphäre. Die Mannschaft mit den Fans im Rücken machen es zu einem der besten Stadien, in denen man in Deutschland Fußball erleben kann. In den letzten beiden Jahren war es sehr eng. Ich denke, es wird ein emotionales Spiel. Sie werden zuhause von ihren Fans getragen. Diese Aufgabe müssen wir in den Griff bekommen und unsere Qualitäten zur Geltung bringen. Wer sich nicht darauf freut, ist als Fußballer falsch aufgehoben. Unser Respekt ist groß, die Vorfreude aber auch.“
“Uns erwartet in Köln eine sehr besondere Atmosphäre. Die Mannschaft mit den Fans im Rücken machen es zu einem der besten Stadien, in denen man in Deutschland Fußball erleben kann.”
Schiedsrichter
Benjamin Cortus (SR), Florian Heft (SR-A. 1), Norbert Grudzinski (SR-A. 2), Rafael Foltyn (4. Offizieller), Johann Pfeifer (VA), Thorsten Schiffner (VA-A)
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector– Martel, Ljubicic – Schindler, Kainz, Maina – Selke