Nach dem 2:2 im Duell der rheinischen Rivalen gegen Bayer Leverkusen feierte das Stadion Anthony Modeste. Im Stadion wird vom DJ der passende Song aufgelegt, dazu singen die Fans des 1. FC Köln die seit 2016/2017 bekannte Lobeshymne auf den Stürmer. Ein Spieler ging bei den Jubelarien auf den wiedererstarkten Torjäger aber unter: Jonas Hector! Der Kapitän und Linksverteidiger stand in diesem Spiel für das hohe Risiko der “Geißböcke”. Schon vor den beiden Gegentoren versuchte der FC im Duell mit den ungeliebten Nachbarn sein eigenes Spiel aufzubauen, doch aus den 60 Prozent Ballbesitz konnte in den ersten 20 Minuten kein einziger Torschuss herausgespielt werden. Leverkusen konnte dagegen im gleichen Zeitraum fünfmal abziehen, sodass der Zwischenstand von 0:2 zwar etwas deutlich, aber eben auch nicht unverdient war.
Die Kölner zeichnet in dieser Saison aber eben großer Mut aus. Mit dem Rücken zur Wand und aus einer 0:5-Klatsche in Hoffenheim kommend, setzten sie trotzdem das riskante Spiel fort und hofften so, weiterhin etwas Zählbares mitzunehmen. Anders als FC-Coach Steffen Baumgart, der die Partie in erste und zweite Hälfte einteilt, kann man die Veränderung auch nach dem zweiten Gegentreffer verorten. So tat es auch Jonas Hector, der am Mikrofon nach der Partie schon am Ende der ersten Halbzeit ansprach. Die Daten geben dem Kapitän, um dessen Rolle es gleich noch genauer gehen soll, Recht. Betrachtet man die Statistiken ab der 21. Minute, wird aus dem Schussverhältnis von 0:5 plötzlich ein drückendes 19:4. Die wurden aber dann mit saubereren Angriffen aber wirklich erst im zweiten Durchgang besser, denn von den sieben Schüssen im ersten Abschnitt ging nur einer aufs Tor, fünf gingen (teilweise weit) am Tor vorbei, und ein Versuch wurde geblockt.
Hectors Seite bringt die Wende
Zwei der sieben Versuche im ersten Durchgang gab dabei Jonas Hector ab. Das mag zwar auf den ersten Blick überraschen, spielt der Kapitän doch seit dieser Saison auf der Linksverteidigerposition. Und doch werden die regelmäßigen Zuschauer*innen der FC-Spiele diese Statistik kaum mit aufgerissenen Augen und staunendem Mund verarbeitet haben. Unter Steffen Baumgart werden die Außenverteidiger schließlich sehr offensiv eingesetzt. Im Mittelfeld gibt es keine klaren Flügel, sodass die Breite im Angriff oft über die Außenverteidiger geschaffen werden muss. So ist es schnell zu erklären, dass Benno Schmitz plötzlich seinen Offensivgeist entdeckt und nach neun Spieltagen schon drei Torvorlagen beisteuern konnte.
Hector interpretiert die Aufgabe dabei etwas anderes als Schmitz auf der rechten Seite. Als einer der besten Techniker und Fußballspieler im Team sucht er die Mittelfeld-Zentrale, in der er in den vergangenen Jahren auch im System eingeplant war. Der ehemalige Sechser zeigt auch auf der neuen Position immer wieder, wie gerne er sich vor dem Strafraum aufhält und wie wichtig er von dort für das Ballbesitzspiel der “Geißböcke” ist. Und so ist das Spiel gegen Leverkusen sehr gut am Beispiel Hectors zu erklären. Seine durchschnittliche „realtaktische“ Position (der Ort, an der sich über die 90 Minuten zusammengenommen / durchschnittlich aufgehalten hat) ist nach Spielschluss in der gegnerischen Hälfte.
“Wir wussten, sobald wir einen machen, ist auch das Stadion da. Und genau das ist dann eingetroffen.“
Der Kapitän konnte neben den beiden Schüssen auch eine weitere, noch deutlich wichtigere Offensivaktion beisteuern: Die Flanke zum 1:2 auf Anthony Modeste. Aus seiner hohen Positionierung wurde der ehemalige Nationalspieler von Florian Kainz am linken Sechzehnereck bedient, von wo die perfekte Hereingabe für den Stürmer erfolgen konnte. Neben dem Flankenfokus (der FC schlägt die meisten Flanken der Liga, 25 pro Spiel) lässt sich hier ein weiteres Muster erkennen: Das Zusammenspiel auf der linken Seite zwischen Außenverteidiger Hector und Offensivkraft Kainz. Der Österreicher hält in den Angriffen deutlich stärker die Außenlinie, damit Hector bei seinen Vorstößen mit seiner Spielintelligenz die gefährlichen Halbräume vor dem Strafraum besetzen kann.
Kehrseite Konteranfälligkeit
Zur Positionierung Hectors gehört, gerade in diesem Spiel, aber auch die Anfälligkeit gegen die Flügelspieler der “Werkself”. Es ist kein Zufall, dass gerade Frimpong von den Gäste-Fans in die Kritik für die ungenauen Konter geriet, denn über seine rechte Angriffsseite war besonders viel Platz für die dann ungenauen Konter. Schon aus dem Spiel gegen Bochum kennt man dieses Risiko besonders gut, als kurz vor der Pause gleich drei Konter über die Seite des aufgerückten Hector in Richtung Kölner Tor und Timo Horn liefen. Doch wie schon gegen die Aufsteiger folgte daraus auch gegen Leverkusen nach dem frühen Doppelschlag kein weiterer Treffer, auch wenn dabei vor allem die Ungenauigkeit der Gäste eine große Rolle spielte.
Aus Kölner Perspektive ist Luca Kilian in dieser Hinsicht hervorzuheben, der mit fünf abgefangenen Pässen (Höchstwert) immer wieder genau richtig stand und auch die meisten Klärungsaktionen (drei) der Kölner hatte. Und so konnte Hector, dessen Fehlen in Hoffenheim schmerzlich zu spüren war immer wieder seine Offensivaktionen starten. Defensiv konnte der FC-Kapitän sich auf die Nebenmänner verlassen, auch wenn er natürlich auch dort seine Klasse zeigen musste, wie bei der wichtigen Grätsche in der zweiten Minute der Nachspielzeit, als er das letzte Aufbäumen der Kontrahenten mit einem Tackling beendete.
An diesem Spiel lässt sich insgesamt aber vor allem die offensive Interpretation der Linksverteidiger-Rolle Hectors gut beschreiben. Ein Assist aus dem gegnerischen Strafraum deutet die Rolle schon an, was die Statistik um die durchschnittliche Position in der Angriffshälfte und die zwei eigenen Chancen unterstreichen. Gerade durch die zentrale Rolle hatte der Kapitän daher eine große Rolle für die Entwicklung der Angriffe, auch wenn damit immer ein Wagnis einhergeht. Insgesamt passt Hector in Kombination mit Kainz daher perfekt in die Baumgart-Spielweise, in der das Risiko immer wieder bewusst gewählt werden soll – ein Risiko, das sich gegen Leverkusen letztlich für den 1. FC Köln auszahlen sollte.