Der letzte Sieg des 1. FC Köln in der Bundesliga, die Älteren werden sich erinnern, war Anfang März ein 2:1-Auswärtserfolg beim SC Paderborn. Zuvor hatte die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol Ende Februar sowohl gegen Schalke 04 als auch bei Hertha BSC deutlich gewonnen. Doch von dieser Euphorie ist nicht viel übrig geblieben. Drei Unentschieden und vier Niederlagen später dümpelt der FC nunmehr dem Saisonende entgegen, der Klassenerhalt dürfte schon vor Anpfiff des 32. Spieltags einigermaßen sicher sein. Die vergangenen Wochen haben jedoch Zweifel gesät an der Ausrichtung des Teams in der jetzigen Konstellation.
Vorangestellt sei an dieser Stelle wie immer: Die Corona-Pause war für alle Leistungssportler ein bisher nicht bekannter Einschnitt in normale Prozesse und Abläufe. Die zwei Monate, die die Spieler mit Training im Home Office verbrachten, um ihr körperliches Level zu halten, dienten zwar zur körperlichen Erholung – dienlich für die technisch-taktische Weiterentwicklung der Mannschaft des 1. FC Köln waren sie allerdings nicht. Nach dem Re-Start sind mittlerweile sechs Spiele absolviert, dieser Tage findet die zweite Englische Woche in diesem Rahmen statt – die Spieler dürften also mittlerweile wieder vermehrt in einen Erschöpfungszustand geraten sein, der der fußballerischen Leistung jetzt auch nicht wirklich zuträglich ist.
Vorrangiges Ziel: Den Wettbewerb nicht verzerren
Dennoch ist es möglich, von einer Mannschaft zu verlangen, dass sie genau diejenigen Attribute abruft, die es langfristig für den Verbleib in der Bundesliga braucht. Zur Erinnerung: Nach dem Spiel gegen Union in der Hinrunde lag der FC auf Rang 18 der Tabelle. Danach ging es bis zur Corona-Pause steil bergauf, das Team von Markus Gisdol gehörte zu den formstärksten Mannschaften der Liga. Doch seitdem ist, wie bereits erwähnt, die Luft raus. Vielleicht ist es auch angemessen, die Frage zu diskutieren, ob der 1. FC Köln in der Phase zwischen Dezember und März nicht sogar etwas überperformte und die Ergebnisse dem Leistungsvermögen nicht wirklich entsprachen. Das würde bedeuten, dass die derzeitige Phase eher wenig überraschend käme.
In der Zukunft wird man auch berechtigterweise darüber sprechen dürfen, welche Rolle die Emotionalisierung der Spieler durch die Fans im Stadion spielt – denn es scheint nur schwer vorstellbar, dass es der Mannschaft aktuell Spaß macht, nachdem sie in den Wochen vor der Corona-Pause enorm von der eigenen Anhängerschaft unterstützt wurde. Doch wie dem auch sei: Mit den nun letzten drei ausstehenden Partien gegen Leverkusen, Frankfurt und Bremen kann der 1. FC Köln noch entscheidend ins Rennen um die direkte Champions-League-Qualifikation und den Klassenerhalt eingreifen. Von daher sollte die erste Motivation darin liegen, keine Wettbewerbsverzerrung zu betreiben und die Spiele einfach widerstandslos herzuschenken.
Der 1. FC Köln muss wieder sein altes Leistungsniveau erreichen
Die zweite Motivation für einige Spieler könnte die Tatsache sein, dass sie auf Bewährung spielen – denn zwangsläufig wird der Kader für die kommende Saison etwas ausgedünnt werden müssen. Es ist nicht zu erwarten, dass es durch die Leistungen in den letzten drei Spielen noch zu gravierenden Veränderungen in der Kaderplanung speziell auf Seite der Abgänge kommt. Doch einige der Akteure werden die Gelegenheit nutzen müssen, in den kommenden Wochen bis Saisonende auf sich aufmerksam zu machen, weil eine Weiterbeschäftigung bei ihnen vielleicht auf der Kippe steht. Als dritte Motivation könnte, sofern der Wille in der Mannschaft aktuell noch ausgeprägt genug ist, die Erreichung eines einstelligen Tabellenplatzes dienen. Eine solche Leistung gab es in der jüngeren Vergangenheit des FC selten und es wäre ein befriedigendes Ende für eine in allen Belangen turbulente Saison.
Es wird also deutlich, dass es den FC-Profis vielleicht doch nicht an Anreizen mangeln sollte. Doch wie wir wissen, regelt die Motivation alleine nicht alles im Fußball. Gerade bei den Elementen, die wirklich zählen (Passsqualität, Laufintensität, Entscheidungsfindung), war bei Jonas Hector und Co. in den vergangenen Wochen erheblicher Nachholbedarf sichtbar. Über die Gründe lässt sich, wie oben bereits geschildert, nur spekulieren: Fest steht aber, dass die Mannschaft des 1. FC Köln es besser kann, es besser machen muss. Zwischen den Spielen gegen Union und Leverkusen blieb zwar nur wenig Zeit, um im Training nachhaltig an diesen Themen zu arbeiten, vielleicht hilft aber das Gespräch, das Trainerteam und Mannschaft zu Beginn der Woche führten.
“Das war für unsere Ansprüche zu wenig”
„Die Mannschaft war sehr selbstkritisch. Das war für unsere Ansprüche zu wenig”, gestand Markus Gisdol im Rahmen der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen die Werkself. Der Trainer hoffte darauf, dass die Leistung beim Spiel gegen die “Eisernen” ein “Ausrutscher” bleiben würde. Der frühere Hoffenheimer Coach erklärte aber auch, dass die aktuelle Situation wegen der Corona-Pandemie “nicht mit irgendeiner anderen Phase aus der Vergangenheit” zu vergleichen sei. Er gab daher auch gleich das Motto für die anstehenden Wochen vor: „Wir müssen daran arbeiten, dass wir immer ein gewisses Grundniveau abrufen.”
Gegen die Mannschaft von Peter Bosz besteht die erste Gelegenheit dazu. Die talentierte Werkself ist leistungsmäßig etwas unkonstant aus der Corona-Pause gekommen. Starke Leistungen wie gegen Bremen und Gladbach schlossen sich hohe Heimniederlagen gegen Wolfsburg und Bayern München an. Dennoch kann Leverkusen an einem guten Tag jeder Mannschaft in der Liga das Leben schwer machen, gerade weil sie fußballerisch überdurchschnittlich gut und mit Spielern wie Kai Havertz, Kerem Demirbay oder Moussa Diaby außergewöhnlich besetzt ist. Eine Rolle im Nachbarschaftsduell könnte auch Florian Wirtz spielen, der erst im Winter aus Köln unters Bayer-Kreuz wechselte und in seinen ersten Spielen sein Leistungsvermögen schon andeutete.
Eine Niederlage in Leverkusen wäre keine Schande, doch die Zweifel werden umso lauter, wenn es die Mannschaft des 1. FC Köln nicht schafft, sich auf dem Feld konkurrenzfähig zu präsentieren. Im Hinspiel präsentierten sich die “Geißböcke” im Vergleich zum vorher ausgetragenen Spiel gegen Union Berlin deutlich formverbessert und konnte einen 2:0-Erfolg einfahren. Eine derartige Leistungssteigerung am Mittwochabend würde auch gewisse Zweifel zerstreuen, die zuletzt aufgekommen waren.