Marvin Schwäbe nahm einen Schluck aus seiner Trinkflasche und klatschte sich mit seinen beiden Innenverteidigern, Timo Hübers und Luca Kilian ab. Es fiel ihm schwer, die gerade beendete Partie, die Leipzig mit 3:1 gegen den 1. FC Köln gewonnen hatte, richtig einzuordnen. Domenico Tedescos Team hatte verdient gesiegt, darüber konnte es keinen ernsthaften Zweifel geben. Und doch hatte der Kölner Keeper nur sechs Schüsse auf seinen Kasten bekommen, von denen er genau die Hälfte passieren lassen musste. Seine Kölner hatten gekämpft und auch nach dem 0:3 nicht aufgegeben. Schlecht hatten sie gewiss nicht gespielt und doch standen sie nun mit leeren Händen da.
Kuriose erste Halbzeit – der einzige Torschuss sitzt
Steffen Baumgarts Team hatte sich viel vorgenommen, wollte unter Beweis stellen, dass sie zu Recht im oberen Drittel der Tabelle stehen und ging entsprechend kämpferisch die Partie an. Beide Mannschaften neutralisierten sich lange, die Leipziger liefen an, starteten so manchen schnellen, technisch gekonnt anzusehenden Angriff, kamen jedoch nicht zu Abschlüssen. Der FC musste Schwerstarbeit in der eigenen Hälfte abliefern und schaffte es seinerseits vor der Pause kein einziges Mal, das von Peter Gulacsi gehütete Tor in Gefahr zu bringen. Ein wunderschön verwandelter Freistoß von Christopher Nkunku, der unhaltbar für Schwäbe im linken Torwinkel landete, führte zum 1:0 für die Gastgeber (26.), blieb jedoch auch Leipzigs einziger Torschuss in Hälfte eins.
Die Kölner kamen mit Schwung aus der Pause, bemüht, den Ausgleich zu erzielen. Doch ein Doppelschlag durch Olmo (56.) und Angelino (58.) bereitete diesem Ansinnen ein jähes Ende und sorgte für die frühe Entscheidung. Die Leipziger steckten etwas zurück und eröffneten so den Gästen einige Chancen, die allerdings nicht genutzt werden konnten. Erst ein wuchtiger Kopfball des eingewechselten Tim Lemperle bescherte den Kölnern in der Schlussminute den Ehrentreffer zum 1:3 und ließ zumindest den jungen Stürmer mit einem persönlichen Erfolgserlebnis im Gepäck zurück an den Rhein fahren.
Erkenntnisse: Verdient verloren, aber recht ordentlich gespielt
Niederlagen tun weh, können aber lehrreich sein. Letzteres trifft wohl auf die Partie des 1. FC Köln in Leipzig zu. Stand man vorher mit dem sechsten Tabellenplatz sogar eine Position vor Tedescos Team, so rückte das 1:3 am Freitagabend die wahren Kraftverhältnisse wieder ins rechte Verhältnis. Der Qualität der Leipziger, deren hohem Tempo und technischer Finesse hatten die Kölner Kampf und Leidenschaft entgegenzusetzen – mehr nicht. Die Vermutung, dass Baumgarts Mannschaft in der laufenden Saison “überperformt”, erhält immer mehr Nahrung. Das Team leistet mehr, ist ein ganzes Stück erfolgreicher, als es die Qualität des Kaders eigentlich zulässt.
Wenn dann noch der Torjäger ausfällt und nicht adäquat ersetzt werden kann, ist eine Niederlage gegen ein Team mit deutlichen Champions-League-Ambitionen wenig verwunderlich. Doch es war nicht nur Modestes Torgefahr, die schmerzlich vermisst wurde, sondern auch sein engagiertes Anlaufverhalten. In einer Mannschaft, deren Stärke ein aggressives Offensivpressing ist, fällt die fehlende Laufstärke Sebastian Anderssons, seines Ersatzmannes, umso mehr ins Gewicht. Wenn dann auch noch Ondrej Duda eher unsichtbar bleibt, Kainz und Thielmann auf den Außenpositionen kaum etwas zustande bringen, bleiben Chancen Mangelware. In der Defensive muss den Trainer die offensichtliche Konteranfälligkeit seiner Mannschaft nachdenklich machen. Sein Team kassierte beim Tor zum 0:3 wieder einen Treffer nach einem schnellen Gegenangriff – wie schon gegen die Bayern und auch in Bochum (jeweils beim 0:1).
“Die Jungs sind unabhängig vom Ergebnis drangeblieben, das ist das, was ich sehen will. Die Jungs haben es bis zum Ende gut gemacht.”
Was war gut? Auch nach dem schnellen 0:3 gab das Team nicht auf, fightete, spielte nach vorne und war um Ergebniskorrektur bemüht. Dies hob auch Steffen Baumgart nach dem Spiel hervor: “Die Jungs sind unabhängig vom Ergebnis drangeblieben, das ist das, was ich sehen will. Die Jungs haben es bis zum Ende gut gemacht.” Besonders vor der Pause gelang es seiner Mannschaft, die Leipziger mit konsequentem Zweikampfverhalten und guter Raumaufteilung vom eigenen Tor fernzuhalten. Beide Kölner Innenverteidiger zeigten eine ansprechende Partie, vermochten den schnellen Leipzigern oft Paroli zu bieten. Dejan Ljubicic sammelte durch eine läuferisch, kämpferisch und spielerisch ansprechende Leistung Pluspunkte, die einen Startelf-Einsatz im nächsten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt nahelegen könnte.
Der Blick nach vorne: Erbarmen, die Hessen kommen
Am nächsten Samstag (18.30 Uhr) gibt mit der Frankfurter Eintracht dass drittbeste Auswärtsteam ihre Visitenkarte in Müngersdorf ab. Oliver Glasners Mannschaft zeichnet sich nicht nur durch eine stabile Defensive um Martin Hinteregger und Evan Ndicka aus, sondern weiß auch im Angriff durch die schnellen Filip Kostic, Jesper Lindström und Rafael Borré für gehörige Torgefahr zu sorgen. Ein körperlich starker Gegner, der mit viel Tempo Umschaltsituationen sucht und sie konsequent auszunutzen vermag.
Keine leichte Aufgabe, die da auf Steffen Baumgarts Elf wartet. Der Kölner Trainer wird sich sicherlich Gedanken über die Besetzung seines Sturmzentrums machen, zumal ein Einsatz von Anthony Modeste fraglich erscheint. Steffen Baumgart könnte auf einen echten Stoßstürmer verzichten und Sebastian Andersson durch Mark Uth ersetzen. Dejan Ljubicic könnte für Ondrej Duda in die Mannschaft kommen, weitere Änderungen sind auch angesichts der Corona-Situation nicht auszuschließen. Unabhängig davon – drei Punkte gegen die Eintracht wollen hart erkämpft werden. Zusehen dabei werden vielleicht mehr als nur 10 000 Zuschauer im Kölner Stadion. Gut möglich, dass dies den Unterschied ausmacht und dem FC den Sieg beschert. Lassen wir uns überraschen.