Einen leichteren Einstieg in einen Text über den sportlichen Zustand des 1. FC Köln gibt es eigentlich kaum, denn (Achtung): Es wird Herbst in Köln. Die Tage werden kürzer, die Blätter fallen von den Bäumen und das Klima wird rauer. Wie passend, dass dasselbe uneingeschränkt auch für die Berichterstattung in Bezug auf den 1. FC Köln gilt, der nach nunmehr fünf sieglosen Spielen den Gegenwind von Presse und Fans spürt.
Die 0:1-Niederlage im vorher als absolutes Raketenspiel deklarierten Duell gegen den Mitabsteiger Hamburger SV sorgte vielerorts für einige negative Reaktionen, weil die spielerische Leistung nicht einmal annähernd mit dem in Einklang zu bringen war, was vom 1. FC Köln erwartet wird. Einige der wenigen positiven Aspekte an diesem Abend betrafen die Analyse von Armin Veh, die nun nicht wirklich in den Verdacht geraten konnte, schönmalerisch zu sein.
“Das Spiel war einfach grottenschlecht”, fasste Armin Veh die 90 Minuten im Volkspark zusammen und ergänzte: “Das Wichtigste ist, dass wir es einordnen, dass wir es besser machen. Das können wir selbst regeln. Wir müssen nicht immer schauen, was alles außen passiert. Erst mal müssen wir schauen, dass wir intern was regeln und dass wir besser Fußball spielen. Das ist entscheidend.”
Markus Anfang: Rückendeckung von Veh, aber …
Er erteilte seinem Trainer Markus Anfang damit einen klaren Auftrag, das Spiel zu analysieren und die richtigen Lehren daraus zu ziehen – bereits am Samstag steht gegen Dynamo Dresden die nächste Aufgabe an. Dass es im Binnenverhältnis zwischen Anfang und Veh bereits knirscht, kann man aufgrund der jüngsten Eindrücke, die nach außen hin vermittelt wurden, einigermaßen begründet dementieren: Zuletzt scherzten beide auf einer Pressekonferenz, am Sonntag unterstrich der Geschäftsführer Sport bei “sky”, von Anfang “total überzeugt” zu sein.
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Er halt den ehemaligen Kieler gleichzeitig für ein “riesengroßes Talent”. Wenn wir bei diesem Wort bleiben, wird man Markus Anfang auch zugestehen dürfen, dass er Fehler macht – denn gerade Talenten gegenüber sollte man in diesem Zusammenhang nachsichtig sein. Doch das mit der Nachsichtigkeit in Köln ist so eine Sache. Und fest steht auch, dass es erst Anfangs zweites Jahr in der 2. Bundesliga ist, dazu das erste an einem unruhigen Standort wie Köln.
Dass er dabei “et kölsche Hätz” noch nicht so bedienen konnte, weil er anders als seine Vorgänger Stanislawski und Stöger weniger über die Malocher-Attitüde (Stanislawski) und den Wiener Charme (Stöger) kommt, ist dabei noch nicht einmal das Problem – final werden seine Leistungen nämlich auf Grundlage dessen beurteilt, was seine Mannschaft auf dem Feld leistet. Und genau diese Leistungen sind es seit einigen Wochen, die Anlass zu Diskussionen geben.
Doch auch hier muss man differenzieren: Während die Leistungen bei den Niederlagen gegen Duisburg und gestern gegen den HSV absolut mangelhaft waren, zeigte die Mannschaft gegen Heidenheim und Schalke durchaus ansprechende Leistungen. Das Spiel gegen Kiel endete auch nur deswegen Unentschieden, weil kurz vor Ende ein individueller Fehler passierte. Gegen den beileibe nicht formstarken S04 und die solide Zweitligamannschaft aus Heidenheim spielte der effzeh jedoch im Rahmen des Erwartbaren, weil gegen Schalke der Klassenunterschied nicht erkennbar war und gegen Heidenheim trotz vieler Offensivaktionen kein zweites Tor gelang.
Das Anfang’sche Dogma: Wie viel davon ist zu sehen?
Ergebnisse werden im Fußball jedoch immer in einen größeren Kontext eingeordnet – dieser Kontext wird dann bisweilen als “Krise” oder (wie hier) als “Sieglos-Serie” bezeichnet und offenbart, dass die leistungsbezogene Entwicklung beim 1. FC Köln trotz der zwischenzeitlichen Tabellenposition nicht wirklich so verläuft, wie man sich das vorstellen durfte.
Auf der nächsten Seite: Was kleine Anpassungen bewirken können.
Nachdem Markus Anfang im Sommer seinen Dienst angetreten hatte, musste er neben den Spielern erst einmal die Öffentlichkeit für seine Idee von Fußball sensibilisieren – einschiebende Außenverteidiger im Aufbauspiel, flacher und ruhiger Spielaufbau, dazu mannorientiertes Verteidigen, kurzum: Dinge, die man so in Köln nicht unbedingt häufig vorher gesehen hatte.
Die letzten Spiele zeigten jedoch, dass die Kölner Gegner sich auf genau diese Vorstellungen vorbereitet hatten und diese dementsprechend bekämpften – mit einer Raute im Mittelfeld, in dem Höger zugestellt und die Bewegungsfreiheit der Achter eingeschränkt wurde, konnte man die Ballzirkulation des effzeh schon einigermaßen wirkungsvoll unterbrechen. Folglich kommt Simon Terodde weniger in Abschlusssituationen, die Chancen auf Torerfolge sinken somit rapide.
Hannes Wolf baut auf Titz-System auf
Interessant ist, dass die Entwicklung beim HSV einigermaßen ähnlich verlief, nur mit dem Unterschied, dass zwischenzeitlich der Trainer entlassen wurde. Christian Titz setzte auf ein ballbesitzorientiertes, durchaus riskantes Spiel, in dem die Rolle von Keeper Pollersbeck als zusätzlichem Aufbauspieler das hervorstechendste Merkmal war. Gemutmaßt wurde, dass Titz aufgrund seiner Beratungsresistenz entlassen wurde und wenig Bereitschaft dafür zeigte, einen Plan B zu entwickeln.
Witzigerweise gab es dann unter seinem Nachfolger Hannes Wolf keine bahnbrechende Revolution, die das gesamte System auf den Kopf stellte. Wolf vollzog kleinere Änderungen, schränkte die Offensivspieler ein wenig in ihrer Bewegungsfreiheit ein und verschaffte dem HSV somit mehr Stabilität. Die Elemente sind im Vergleich zum effzeh immer noch ähnlich: Verteidigt wird im 4-1-4-1, die Außenverteidiger rücken unter Wolf allerdings auch etwas mehr ins Zentrum und sorgen dort für Ballzirkulation und Aktionen nach vorne.
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Bezeichnend war gestern, dass Douglas Santos aus dieser Position heraus an den beiden torgefährlichsten Aktionen beteiligt war – erst scheiterte er nach einem simplen Laufweg in dem Raum, den eigentlich Marcel Risse beherrschen müsste, an Horn. Danach beschleunigte er gegen Höger und drang in den Strafraum ein, sein Abschluss wurde von Horn zwar pariert, der Nachschuss war jedoch drin – der effzeh verlor deswegen.
Kleinere Anpassungen dringend notwendig
Nach fünf Spielen ohne Sieg ist es nun auch logisch, dass die Diskussionen um den Trainer etwas lauter werden. Was es nun braucht, sind Anpassungen von Anfang, Reaktionen auf das zuletzt Gesehene – eine Verzweiflungs-Einwechslung wie die von Frederik Sörensen gestern kann das allerdings nicht sein. Wenn man nach 20 bis 30 Minuten merkt, dass man den Ball nicht konstant aus der Abwehr in die gegnerische Hälfte bekommt, sollte man unter Berücksichtigung seines Matchplans überdenken, warum das so sein könnte – und ob die aufgestellten Spieler an diesem Tag ihre Aufgabe erfüllen.
Anfang muss nicht alles von hinten nach vorne umkrempeln, das würde für noch mehr Unsicherheit sorgen. Kleinere Anpassungen (weniger Fokus auf flachen Spielaufbau, vielleicht ein zweiter Sechser neben Höger) können schon viel bewirken und der Mannschaft etwas mehr Sicherheit geben. Der ehemalige Kieler sollte nun tunlichst Maßnahmen umsetzen, um die Wahrscheinlichkeit auf Siege zu erhöhen. Ansonsten könnte es wirklich ein stürmischer Herbst werden.