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Fünf Erkenntnisse aus dem Heidenheim-Spiel: Der 1. FC Köln darf nicht die Nerven verlieren!

Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images

Fußball ist, das erklärte uns Vollamateuren schon der bekannte Volksphilosoph und Medientheoretiker Karl-Heinz Rummenigge, keine Mathematik, Fußball ist ein Ergebnissport. Und in Folge dessen auch nicht immer gerecht. Nach dem Heimspiel des 1. FC Köln gegen Heidenheim notierte die offizielle Statistik folgende Werte: 65 Prozent Ballbesitz, 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 28 zu neun Torschüsse. Eine erdrückende Überlegenheit, die dem effzeh schlussendlich allerdings nicht zu einem Sieg gereichte.

Dass es im dritten Spiel in Folge keinen Dreier zu bejubeln gab, hatte zahlreiche Gründe. Gründe, auf die die Mannschaft von Trainer Markus Anfang Einfluss hatte. Ein abermalig frühes Gegentor beispielsweise oder die mangelnde Zielstrebigkeit in der Offensive. Aber auch Gründe, an denen die „Geißböcke“ nichts ändern konnten. Durchaus diskutable Schiedsrichterentscheidungen zum Beispiel oder die taktisch extrem gut eingestellten Gäste, die es dem effzeh durch ihre ultra-defensive Spielweise über weite Strecken sehr schwierig machten.

Schwerer als von vielen gedacht?

Spätestens nach zehn Minuten war klar: Das wird eine extrem harte Nuss. Die Heidenheimer begannen mutig und gingen durch die erste nennenswerte Chance in Führung. Wie schon gegen Duisburg war der effzeh früh unter Zugzwang, schüttelte dies dann allerdings recht schnell ab. Gegen einen extrem tief stehenden Gegner, der zeitweise mit allen elf Spielern in der eigenen Hälfte campierte und sich den Angriffen der „Geißböcke“ entgegenstellte, suchte die Offensivreihe der Kölner nach der einen Lücke, die sich allerdings zu selten auftat. Das hatte zuvorderst zwei Gründe: Einerseits verstand es der FCH, wie viele andere Profiteams auch, die Reihen mit großem Laufeinsatz und hoher Intensität zu schließen. Andererseits mangelte es in der Anfang-Elf an Entschlossenheit und der notwendigen Präzision.

Beim Sturmlauf der Kölner zeigte sich, was bereits vor der Saison gesagt wurde: Spiele gegen Außenseiter in der 2. Bundesliga sind auch immer eine Frage der Geduld. Immer wieder rannte der effzeh an, immer wieder zerschellten die Bemühungen am Heidenheimer Bollwerk. Zündende Ideen? Genauso Mangelware wie klare Abschlüsse. Dennoch dominierten die „Geißböcke“ das Duell nach Belieben, ließen den Ball im Mittelfeld gut laufen und warteten geduldig auf Fehler im Spiel der Gäste. Einzig: Die Belohnung für den spielerischen Aufwand ließ auf sich warten. Zu oft machte der effzeh aus vielversprechenden Ansätzen zu wenig, ließ gegen aufopfernd verteidigende Heidenheimer die Durchschlagskraft vermissen. Gerade Schaub und Drexler, sonst die Schwungräder des Kölner Offensivspiels, konnten sich vor allem vor der Pause nicht entscheidend durchsetzen.

Entscheidungsfindung im letzten Drittel

Das sich entwickelnde Geduldsspiel zerrte an den Nerven der Kölner Akteure – auf und neben dem Platz. Dass der effzeh dem Rückstand zunehmend wütend hinterherlief, hatte vor allem einen Grund: Rund um den Strafraum der Heidenheimer machten es sich die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust unnötig schwierig. Immer wieder konnten die Offensivakteure die losen Fäden nicht zu einer echten Chance zusammenzuspinnen, immer wieder wurde die falsche Entscheidung für den entsprechenden Moment verfolgt. Gegen einen derart defensiv agierenden Gegner, der mitunter acht eigene Spieler im Sechzehner postierte, muss im letzten Drittel viel zusammen passen: Tempo, Genauigkeit, Timing – all das wollte über weite Strecken nicht kombiniert klappen. Das alles sorgte dafür, dass der Ausgleich zwar ständig in der Luft lag, aber letztlich erst nach fast einer Stunde gelingen sollte.

Interessant dabei, dass besonders eine Stärke der Kölner am Samstagmittag nahezu komplett ausfiel: Die Standards, vor allem die Eckbälle, missrieten gegen Heidenheim fast allesamt – die Variante auf den kurzen Pfosten verpuffte trotz mehrmaliger Versuche größtenteils. Auch die zahlreichen Freistöße, die die aggressiv auftretenden Gäste verursachten, blieben ungenutzt, richtig gefährlich wurde keiner der Anläufe. Dass der Ausgleich letztlich nach einem in den Rückraum gepassten Eckstoß fiel, ist feinste Ironie. Dennoch tat sich der effzeh einmal mehr in der Offensive gegen einen mauernden Gegner schwer – auch deshalb muss zu Beginn eines Spiels höchste Konzentration herrschen. In dieser Liga, in der der 1. FC Köln eigentlich in jeder Partie als Favorit gilt, ist es äußerst anstrengend, einem Rückstand hinterzulaufen. Verteidigen mit Mann und Maus – das kann mittlerweile jede ambitionierte Fußball-Mannschaft auf einem respektablen Niveau.

Die Ausfälle wiegen schwer

Wie wichtig manch ein Spielertyp ist, merken die meisten erst, wenn er nicht zur Verfügung steht. Und im wahrsten Sinne des Wortes: Gegen Heidenheim fehlte in der Offensive ein Akteur wie Christian Clemens, der durch seinen Dynamik im Antritt und seiner zielstrebigen Spielweise im letzten Drittel entscheidende Löcher reißen kann. Dazu gibt der Außenstürmer den Kölner Offensivbemühungen die entsprechende Breite, die es braucht, um eine massiert stehende Defensive auseinanderzuziehen. Dass der effzeh-Kader keinen Ersatz für „Chrille“ kennt, ist weder ihm noch Trainer Markus Anfang anzulasten. Wie dünn die „Geißböcke“ auf der offensiven Außenbahn besetzt sind, wurde an dieser Stelle schon oft diskutiert und scheint auch endgültig bei den Entscheidern am Geißbockheim angekommen zu sein. Ohne einen klassischen Flügelspieler, der im Eins-gegen-Eins Räume öffnen und zur Grundlinie ziehen kann, wird es gegen Abwehrbollwerke der 2. Bundesliga auf Dauer schwierig.

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warum der 1. FC Köln nicht die Nerven verlieren sollte

Doch auch ein weiterer Spieler wurde zumindest in der Anfangsphase schmerzlich vermisst: Lasse Sobiech hatte bisher die Lufthoheit beim effzeh und war bei Standards hinten wie vorne eine wichtige Konstante. Defensiv zeigte sich beim Gegentreffer, dass die Kölner durchaus anfällig bei Eckbällen sind. Nationalspieler Jonas Hector stand diesmal gleich doppelt im Fokus: Erst verursachte er durch einen fehlerhaften Rückpass den Eckball, dann zog er im Kopfballduell gegen Beermann den Kürzeren. Dass der Linksverteidiger allerdings überhaupt zu einem der gefährlicheren Kopfballspielern des Gegners zugeordnet wurde, liegt auch am Fehlen Sobiechs, der im Zentrum stets einen der „langen Latten“ zu übernehmen hatte. Auch in der Offensive fehlte der Innenverteidiger, der allein durch seine Größe schon Angst und Schrecken verbreitet. So konnten sich die Heidenheimer einzig und allein auf Simon Terodde als Kopfballspezialist in Kölner Diensten konzentrieren.

Guirassy empfiehlt sich für mehr

Dass die „Geißböcke“ dennoch per Kopf trafen, war eine Mischung aus erzwungenem Glück und weiterem Pech. Zur Pause brachte effzeh-Coach Markus Anfang Serhou Guirassy für Salih Özcan, der nach einem haarsträubenden Tackling des Heidenheimer Mittelfeldspielers Niklas Dorsch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte verletzt ausgewechselt werden musste. Der Franzose brachte direkt zusätzlichen Schwung in die Kölner Offensivbemühungen, der erste Abschluss ließ nicht lange auf sich warten. Auch wenn er vermutlich alle Beteiligten durch seine Aktionen mitunter an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte: Den Treffer zum 1:1 hatte sich Guirassy redlich verdient. Nach feiner Flanke von Marcel Risse stieg der Angreifer im Heidenheimer Strafraum hoch und nickte zum ersehnten Ausgleich ein.

Doch nicht nur durch seine Torgefahr machte sich die Einwechslung bezahlt: Guirassy beschäftigte seine Gegenspieler, hielt und verteilte die Bälle öfters sehenswert und zog dadurch das effzeh-Offensivspiel an sich. Als Joker machte er mächtig Eindruck und hatte mit einer sehenswerten Direktabnahme noch die Chance zum 2:1 auf dem Fuß. Auch wenn dies nicht gelang, weil der Ball zu zentral auf Heidenheims Keeper Müller kam: Guirassy machte an diesem Samstagmittag Werbung für sich, dürfte für das anstehende Topspiel beim Hamburger SV am kommenden Montag eine Alternative für die Außenbahn in der effzeh-Offensive sein. Welche Qualität der Franzose den Kölner Angriffsbemühungen verleihen kann, hat er gegen Heidenheim bewiesen. Das muss er jetzt auch öfter auf den Platz bringen, dann führt wenig am hochveranlagten Stürmer vorbei.

Nicht die Nerven verlieren!

Kein Weg vorbei sollte eigentlich auch am Aufstieg des 1. FC Köln führen – das dachten viele zumindest. Die letzten Spiele haben derweil Zweifel geweckt, die nicht von der Hand zu wischen sind: Seit drei Partien muss sich der effzeh auf einen Erfolg gedulden, lässt weiter auf einen überzeugenden Sieg warten und hat gerade vor den eigenen Fans große Probleme mit Gegnern, die das Anfang’sche System entschlüsselt zu haben scheinen. Trotz der Durststrecke stehen die „Geißböcke“ an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga, was zum einen nicht für die Qualität der Liga spricht und andererseits lediglich ein Feigenblatt für die Kölner darstellt. Dass der Aufstieg kein Selbstläufer wird, war wohl jedem in der Domstadt bewusst – wie kompliziert die Mission Bundesliga-Rückkehr wird, sollte jetzt endgültig durchgedrungen sein.

Beide Teams haben vor dem Spiel eine klare Botschaft gesendet: "Kein Platz für Rassismus!"FC-Hauptpartner DEVK verzichtete zu Gunsten der Aktion auf das Ärmelbadge auf dem Heimtrikot.

Gepostet von 1. FC Köln am Samstag, 27. Oktober 2018

Diese Erkenntnis sollte den Verein allerdings nicht zu Schnellschüssen verleiten: Aus den durchaus kritisierten Auftritten im Oktober müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden, gerade an der Balance zwischen defensiver Stabilität und offensiver Durchschlagskraft muss zwingend gearbeitet werden. Rufe nach einem Trainerwechsel sind allerdings genauso verfrüht wie nur leise zu vernehmen. Vielleicht kommt die gefühlte Bundesliga-Woche für den effzeh genau zur richtigen Zeit: Weder in der Pokalpartie gegen Schalke 04 noch beim Topspiel beim Hamburger SV geht die Anfang-Elf als haushoher Favorit ins Rennen. Das könnte zum einen die eigene Anspruchshaltung, die das Team offensichtlich zu hemmen scheint, entspannen, zum anderen aber auch die Probleme im Offensivspiel nicht so deutlich zu Tage treten lassen. Fußball ist schließlich keine Mathematik!

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