Wir sind ehrlicherweise nicht die leidenschaftlichsten Begleiter des österreichischen Fußballs. Welchen Spielertyp hat der FC mit Dejan Ljubicic verpflichtet? Was sind seine Stärken, wo liegen seine Schwächen?
Ljubicic ist ein defensiver Mittelfeldspieler, allerdings das Paradeexemplar eines spiellenkenden Abräumers. Er ist stark in der Balleroberung, aber noch stärker darin, den gewonnenen Ball schnellstmöglich klug und effizient nach vorne zu bringen. Eine Statistik, die das zeigt: Obwohl er nur 64 Prozent aller Spiele absolviert hat, hat er zu 24 Torschüssen den vorletzten Pass gespielt – das ist der zweitbeste Wert in der österreichischen Liga. Dazu hat er bereits vier direkte Torvorlagen geliefert. Ljubicic war immer der Schlüsselspieler in Rapids Umschaltspiel – ob durch Ballgewinne oder sein Passspiel. Er ist gedankenschnell unterwegs, scheint immer mehrere Schritte vorauszudenken und ist darüber hinaus ziemlich pressingresistent.
Wenn es nötig ist, kann er auch als Mittelmann einer Dreierkette fungieren – das ist aber eher eine Notfalloption. Zu seinen Schwächen fällt mir vor allem eine gewisse Passivität bei Standardsituationen auf – offensiv wie defensiv. Und ehrlich gesagt: Er ist nicht der Spieler, der auf die Zähne beißt und dem Gegner durch körperliche Präsenz die Grenzen aufzeigt. Das entspricht irgendwie einfach nicht seinem Charakter.
“Ljubicic war immer der Schlüsselspieler in Rapids Umschaltspiel – ob durch Ballgewinne oder sein Passspiel. Er ist gedankenschnell unterwegs, scheint immer mehrere Schritte vorauszudenken und ist darüber hinaus ziemlich pressingresistent.”
Glaubst du, er ist schon bereit für die Bundesliga?
Das ist natürlich schwer zu prognostizieren. Die Lücke zwischen den beiden Ligen ist in manchen Aspekten ziemlich klein, in anderen Bereichen aber extrem groß. Ljubicic ist noch ziemlich jung, augenscheinlich ziemlich talentiert mit großen Fähigkeiten und dem Potenzial, es auf das nächste Level zu schaffen, wenn die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden. Ist es die richtige Zeit für diesen Wechsel? Er ist 23, das könnte passen. Ist Ljubicic wirklich bereit? Das wird die Zeit zeigen, aber ich bin optimistisch.
Wie du bereits gesagt hast: Vergangenes Jahr wollte Ljubicic zum MLS-Club Chicago Fire wechseln, doch der Transfer scheiterte aufgrund eines vermeintlichen Kreuzbandschadens, der im Medizincheck aufgefallen war. Haben wir einen Spieler geholt, der nicht komplett fit ist? Oder was ist da deiner Meinung nach passiert?
Diese ganze Geschichte mit dem gescheiterten Wechsel nach Chicago ist wirklich schräg. Es scheint, als stecke da mehr dahinter, als öffentlich bekannt wurde. Berichtet wurde, dass beide Clubs einen Transfer vereinbart hatten und dieser Deal dann scheiterte, weil die US-Ärzte eine Kreuzbandverletzung diagnostiziert haben. Das Ding ist: Ljubicic hatte nie Knieprobleme, nicht einmal kleinere – und auch nach seiner Rückkehr konnten in Hütteldorf keinerlei Anzeichen für irgendwelche Blessuren finden. Sowohl Rapid als auch der Spieler haben sofort versichert, dass das eine Fehldiagnose war. Ja, Ljubicic war nicht zu 100 Prozent fit während des Medizinchecks, aber das lag an kleineren Wehwehchen muskulärer Natur. Die ganze Geschichte ist in sich nicht stimmig. Für mich sieht es so aus, als hätte Chicago eine Ausrede gebraucht, um sich aus welchen Gründen auch immer von diesem Transfer zu verabschieden. Und ganz generell: Ljubicic ist kein verletzungsanfälliger Spieler. Er hatte zwar zu Beginn der Saison kleinere Knöchelprobleme, doch derzeit ist er körperlich in Topform.
2017 machte Ljubicic Schlagzeilen, als er im Urlaub in Bosnien Flaschen an eine Moschee warf. War das zu der Zeit ein großes Thema bei Rapid? Wie waren die Reaktion auf diesen Vorfall?
Das war etwas, das ihm absolut so gar nicht ähnlich sah. Und dass sich niemand bei ihm vorstellen konnte. Als die Berichte bekannt wurden, waren alle derart überrascht, dass jeder dachte, Ljubicic und der andere involvierte Spieler wurden schlichtweg fälschlich beschuldigt. Einfach, weil niemand ein derartiges Verhalten von ihm erwartet hätte. Es hat natürlich jede Menge Wut und Enttäuschung bei Fans und Verantwortlichen hervorgerufen. Ljubicic bat allerdings nicht nur direkt um Entschuldigung, sondern hat auch den Schaden beglichen und den Kontakt mit dem Imam der Moschee gesucht, der auch noch eine Weile nach dem Vorfall anhielt. Rapid hat darüber hinaus das Gespräch mit Ljubicic gesucht und ihm ernsthaft zu verstehen gegeben, dass so etwas nie wieder vorfallen darf. Und bisher hält sich der Spieler eisern daran – obwohl das Gespräch in Fußballkreisen vor allem bei gegnerischen Fans immer wieder auf diese Geschichte kommt.
“Er ist sehr fleißig und zielstrebig. Disziplin zählt sicherlich zu seinen Stärken. Auch neben dem Platz ist Ljubicic ein ähnlicher Charakter: Er ist kein Lautsprecher, sehr bescheiden, ziemlich religiös, sehr ruhig und familiär.”
Abseits davon: Was für ein Typ auf und neben dem Platz wechselt da nach Köln? Glaubst du, er kann sich bei diesem verrückten Club in dieser verrückten Stadt einleben?
Ljubicic ist sehr fleißig und zielstrebig. Disziplin zählt sicherlich zu seinen Stärken: In all seiner Zeit im Seniorenbereich hat nur eine Rote Karte gesehen – trotz seiner Position, die auf dem Platz die umkämpften Bereiche abdeckt. Auch neben dem Platz ist Ljubicic ein ähnlicher Charakter: Er ist kein Lautsprecher, was zu Überschriften wie „Rapids leiser Kapitän“ führte. Er ist sehr bescheiden, ziemlich religiös, sehr ruhig und familiär. Selbst bei einem harmlosen Schimpfwort in einem Interview bittet er sofort um Entschuldigung. Das ist auch der Grund, weshalb dieser unselige Moschee-Vorfall so komplett außerhalb der Reihe wirkt für einen jungen Menschen wie Dejan Ljubicic.
Eine andere Geschichte, die seinen Charakter im Übrigen sehr gut beschreibt: In den vergangenen Jahren hat Rapid ihm immer wieder angeboten, dass er seine Rückennummer doch wechseln könne. Nicht nur einmal, sondern mehrfach – weil die 39 für einen Topspieler und Kapitän nicht mehr angebracht sei. Ljubicic hat das immer wieder abgelehnt. Warum? Weil er, wie er sagt, es den Fans schulde, die Trikots mit seinem Namen und seiner Nummer gekauft haben. Und um auf den verrückten Club in einer verrückten Stadt zu kommen: Ich glaube nicht, dass er da einen großen Unterschied bemerken wird. Rapid ist ein Verein, der in der jüngsten Vergangenheit ebenfalls eine Achterbahnfahrt durchgemacht hat. Nicht ganz wie der FC, aber trotzdem eine verrückte Zeit. Er sollte also ein dickes Fell haben!
Über unseren Interviewpartner: Anna Konovalova verfolgt den Fußball in unserem Nachbarland bereits seit über einem Jahrzehnt mit großer Intensität. Für FootballRadar beobachtet die österreichische Fußballanalysten die Bundesliga und die 2. Liga in ihrer Heimat. Ihr findet sie auf Twitter unter @FRFussballAnna.