Ein Endspiel. Für Markus Gisdol. Abermals. Wenn am Samstagnachmittag Borussia Dortmund zu Gast beim 1. FC Köln, dann geht es nicht nur um wichtige Zähler im Rennen um den Klassenerhalt auf der einen und im Kampf um die Qualifikation für die Champions League auf der anderen Seite. Es geht auch – wieder einmal – um die Zukunft des Trainers bei den “Geißböcken”. Nach nur einem Punkt aus den vergangenen fünf Spielen ist der Vorsprung der Kölner auf die Abstiegsränge bedrohlich zusammengeschmolzen, die formschwächste Mannschaft der Bundesliga zeigt auf dem Platz bedenkliches Niveau – ganz besonders im Spiel nach vorn.
Erst waren es die schnellen Außenspieler, die den Gegner überfallartig anrennen, so unter Druck und aus dem Konzept bringen sollten. Dann war es der lange Ball auf Zielspieler Sebastian Andersson, der in Köln allerdings nie im Vollbesitz seiner Kräfte war. Zuletzt dann wiederum probierte es FC-Coach Markus Gisdol mit gleich sechs zentralen Mittelfeldspielern, die er auf den verschiedenen Offensivpositionen seiner Elf verteilte. Ein Konzept hinter den verschiedenen Versuchen, offensive Gefahr heraufzubeschwören, ist nicht erkennbar. Und doch wird es der 1. FC Köln am Samstag erneut probieren, Borussia Dortmund zu schlagen. Es ist – wieder einmal – Markus Gisdols letzte Chance.
Gegen den BVB hat es schon mal geklappt
Und natürlich ist allen Kölnern bewusst: Gerade gegen diesen jungen BVB hat es schon einmal geklappt. Auch in der Hinrunde waren die “Geißböcke” zuvor katastrophal gestartet, doch der Sieg gegen das schwarzgelbe Spitzenteam brachte so etwas wie eine kleine Wende. Und die wäre abermals dringend nötig, denn schon wieder trudelt der FC sportlich dem Abgrund entgegen. Verstärkt wurde diese Tendenz aus den letzten erfolglosen Spielen durch die Tatsache, dass das Training unter der Woche wegen eines Corona-Falls im Umfeld abgesagt werden musste. Hier immerhin konnte Markus Gisdol in der abschließenden Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen die Dortmunder Entwarnung geben: “Die positive Nachricht ist, dass alle Tests negativ sind. Es ist nicht optimal, dass wir einen Trainingstag in der Vorbereitung verloren haben. Wir im Trainerteam haben die Zeit genutzt, um mehr in der Theorie zu arbeiten. Es macht aber keinen Sinn zu jammern.”
“Objektiv betrachtet waren die letzten beiden Partien ansehnlich, aber mit zu wenig Ertrag.”
Mit den Spielern haben Gisdol und sein Team unter der Woche Einzelgespräche geführt. Ein Ansatz, der im Abstiegskampf immer gut ist. Wobei die Situation mittlerweile so ernst ist, dass nur Reden auch nicht mehr hilft. Eigentlich geht es nämlich nur noch um eines: dreckigen Kampf. Die Frage ist, ob der 1. FC Köln, ob Heldt, Gisdol und die Spieler das verstanden haben. Auf der Pressekonferenz vor der Partie gegen Dortmund sagte Gisdol: “Die Marschroute muss sein: Wir müssen ohne zu mauern beim Verteidigen eine Konsequenz an den Tag legen, die einem Abstiegskampf würdig ist. Jeder muss alles reinhauen und sein letztes Hemd geben.”
Das ist genau dieses ‘Alles reinhauen’, worum es eben geht. Doch wie sehr steht der Trainer selbst hinter dieser vermeintlichen Floskel? Denn Markus Gisdol offenbarte auch erneut wieder eine ganz andere Sicht auf die vergangenen Spiele: “Objektiv betrachtet waren die letzten beiden Partien ansehnlich, aber mit zu wenig Ertrag. Dass im Offensivspiel nicht alles optimal läuft, ist keine Frage. Aber wir haben auch zu einfach die Gegentore bekommen”, betonte der FC-Coach mit Blick auf die Partien gegen Werder Bremen (1:1) und beim 1. FC Union Berlin, das am vergangenen Wochenende nach schmeichelhafter Pausenführung noch mit 1:2 verloren ging.
Zuversicht statt Alibisuche wäre nötig
Dieses Zitat klingt leider – einmal mehr – nach Realitätsverweigerung. Denn es ist schon klar, was Gisdol meint. Die Passgenauigkeit hat zugenommen, der Spielaufbau funktioniert, wenn auch langsam, mittlerweile ohne die haarsträubenden Abspielfehler, die es noch zu Saisonbeginn gab, schwierig wird es dann im letzten Drittel rund um den gegnerischen Strafraum. Nur: Es ist nicht mehr der Beginn der Saison, der Trainer ist nicht mehr neu, die Spieler kennen sich, das Team hinter dem Team arbeitet seit Monaten eng zusammen – wer jetzt noch der Meinung ist, dass ein besser funktionierendes Passspiel schon Fortschritt genug ist, der steuert im vollen Bewusstsein auf die 2. Bundesliga zu.
Der Fortschritt ist einfach zu gering, bei allen Problemen wie den Verletzungen von Florian Kainz und Sebastian Andersson. Zu Letzterem sagte Gisdol: “Ich schließe nicht aus, dass Sebastian Andersson auflaufen kann. Wir warten händeringend auf die Rückkehr von ihm und Florian Kainz”, betont der FC-Coach angesichts der eigentlich als Leistungsträger eingeplanten Langzeit-Ausfälle, die sich nach ihrer Zwangspause derzeit langsam wieder in Form bringen, aber am Samstag noch nicht mitwirken können. Auch deshalb: Was Gisdol zumindest vor der Presse nicht wirklich versprühen konnte, ist Zuversicht. Was in der Kabine passiert, wird dann wohl frühestens in der FC-Saisondokumentation zu sehen sein.
“Die Mannschaft soll eine gute Performance hinbekommen. Es ist nicht so einfach, wenn es Störgeräusche im Umfeld gibt.”
Die Entschuldigung für ein Nicht-Gelingen der Wende gegen Borussia Dortmund jedenfalls lieferte der Coach im Vorfeld besser schon mal mit: “Es geht darum die Dinge auszublenden. Die Mannschaft soll eine gute Performance hinbekommen. Es ist nicht so einfach, wenn es Störgeräusche im Umfeld gibt. Wir wollen alles dafür tun, dass der Klub in der Bundesliga bleibt”, erklärte Gisdol. Wie das genau gelingen soll, das wird die große Frage sein. Zuletzt hatte Gisdol gegen Bremen mit der Viererkette überrascht und auch sein Schachzug mit sechs Mittelfeldspielern hatte kaum ein Beobachter erwartet. Überraschen im Abstiegskampf, gerade auch wenn es gegen einen ‘Großen’ wie Borussia Dortmund geht, ist grundsätzlich keine falsche Idee.
Gisdol: “Wir haben nie einen passiven Ansatz”
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die überraschenden Aufstellungen zuletzt haben im Endeffekt nicht funktioniert, es gab zu wenig Punkte. Wie genau eine Idee gegen Dortmund aussehen wird, ob mit Andersson oder wieder mit schnellen Akteuren wie Thielmann und Jakobs, um auf Konter zu gehen, ließ Gisdol offen. Nur so viel: “Wir haben nie einen passiven Ansatz. Wir müssen aber die Qualität des BVB berücksichtigen. Wir müssen eine gute Mischung finden. Wir wollen dem BVB Schwierigkeiten bereiten mit unseren eigenen Ideen. Wir wollen aktiv in dem Spiel sein.”
Die Dortmunder selbst rechnen wohl eher mit der Konter-Taktik und einem FC, der sich hinten reinstellt und auf wenige Umschaltaktionen setzt. „Wir müssen weiterhin die Konter sehr gut absichern, sodass wir wenig zulassen”, gab Coach Edin Terzic zu Protokoll. Außerdem lobte der Dortmunder Übungsleiter das Team seines Gegenübers: “Die Kölner haben in den letzten Wochen einen sehr guten Mix gefunden aus defensiver Stabilität und trotzdem den Gegner hoch anzulaufen und zu beschäftigen.”
Das Hinspiel werden die Dortmunder noch im Hinterkopf haben. Da konnte sich der 1. FC Köln überraschend drei Punkte sichern, am Ende hieß es nach zwei Standardtoren 2:1. Hierbei war jeweils Marius Wolf beteiligt, immerhin eine Leihgabe aus Dortmund an den effzeh. Zu dessen möglicher Zukunft äußerte sich der BVB-Sportchef Michael Zorc: „Marius ist absoluter Stammspieler beim FC. Wir beobachten das natürlich, haben aber diesbezüglich noch keine finale Entscheidung getroffen“, so die Aussage aus Dortmund. Aus Kölner Sicht wäre es das Beste, wenn eben jener Marius Wolf am Samstag zur Abwechslung mal wieder ein echtes Top-Spiel abliefern würde und ähnlich wie im Hinspiel seiner jetzigen Truppe zu drei überlebenswichtigen Punkten verhelfen könnte.