Die Uhr zeigte exakt 17.26 an, als Trainer Markus Gisdol die Faust dreimal hintereinander in den Himmel über dem Signal Iduna Park reckte. Er herzte Kingley Ehizibue, dann Elvis Rexhbecaj und schließlich Co-Trainer Frank Kaspari und Horst Heldt, bevor er in den Katakomben des Dortmunder Stadions verschwand. Einige Momente des Alleinseins, Augenblicke der Stille waren jetzt dringend nötig, um das Geschehen auf dem grünen Rasen zu verarbeiten.
Der erste Sieg in Dortmund seit 1991
Dort umarmte Horst Heldt alles, was ihm in den Weg kam. Mehr als eine Zentnerlast fiel wohl von dem Kölner Geschäftsführer ab. Der 2:1-Sieg seiner Mannschaft beim großen BVB beendete eine Serie von 18 Spielen ohne Sieg und bedeutete einen mehr als willkommenen Befreiungsschlag. Er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was man ihm kurze Zeit später in einem Interview erklärte: Er war Teil der Mannschaft des 1. FC Köln gewesen, der am 13. April 1991 der letzte Sieg im Westfalenstadion gelungen war. Auf Dortmunder Seite hatte Michael Zorc mitgewirkt, der heutige Sportdirektor des BVB.
Maurice “Mucki” Banach hatte damals beide Tore der Kölner erzielt, die am Ende der Saison die internationalen Plätze knapp verfehlen und das Pokalfinale gegen Werder Bremen verlieren sollten. Beim heutigen Sieg gab es erneut einen Doppeltorschützen, Ellyes Skhiri, der jeweils nach Eckball und Kopfballverlängerung den Ball ins Dortmunder Tor bugsiert hatte.
Mit Dreierkette und Cestic zum Erfolg
Markus Gisdol hatte mit Aufstellung und Taktik viele überrascht. In der Dreierkette bot er zum ersten Mal den jungen Sava-Arangel Cestic auf, der eine famose Partie ablieferte. Iso Jakobs und Marius Wolf bekleideten die Außenbahnen und verengten dort genauso den Raum für die schnellen Angreifer des BVB wie Rexhbecaj, Skhiri und Salih Özcan als zweite Kette direkt vor der Abwehr. Ondrej Duda und Jan Thielmann bildeten formell den Kölner Angriff, fungierten aber vielmehr als vorderste Linie des Kölner Abwehrverbunds.
Zum ersten Male in dieser Saison war den aufopferungsvoll kämpfenden Spielern vor Timo Horn das “Lady Luck” hold, das Matchglück, das so oft den Unterschied macht zwischen Sieg und Niederlage. So traf Jadon Sancho die Latte und nicht ins Tor (4. Spielminute), Haalands Versuch ging rechts am von Horn gehüteten Gehäuse vorbei (26.) und Hummels befand sich im Abseits, als er zum vermeintlichen Ausgleich einköpfte (30.). Derweil hatte Skhiri die Kölner nach Dudas Eckball und Wolfs Kopfballverlängerung mit 1:0 in Führung gebracht (9.).
Zum Ende hin war Zittern angesagt
Am Spielgeschehen änderte sich auch nach der Halbzeit wenig. Der BVB rannte an, die Kölner verteidigten mit allem, was sie hatten. Nach exakt einer Stunde gelang Skhiri das Kunststück, die Führung mit einer exakten Kopie des ersten Treffers auszubauen. Das Matchglück lächelte dem 1. FC Köln weiterhin zu, bis dann zwei verletzungsbedingte Wechsel für etwas Unordnung in den Kölner Reihen sorgte. Nach Rafael Czichos (64.) musste auch Rexhbecaj das Spielfeld verlassen.
Die Dortmunder nutzten dies aus und kamen durch Thorgan Hazard zum 1:2-Anschlusstreffer. Ab dann war seitens der Kölner Verantwortlichen Fingernägel-Kauen angesagt. Timo Horn musste mit einem tollen Reflex gegen Hummels retten (87.), bevor Erling Haaland in der letzten Minute der Nachspielzeit aus kurzer Entfernung das leere Tor verfehlte.
Vieles war gut, einiges ausbaufähig
Was bleibt? Viel Positives. Gisdols Taktik war so gut gewählt, das selbst Lucien Favre kein Gegenmittel fand. Die Laufbereitschaft der Kölner, der Wille, den Vorsprung zu verteidigen, was auch immer dazu nötig war, nötigt genauso höchsten Respekt ab wie die abgeklärte Leistung von Cestic in seinem ersten Profieinsatz.
Und doch war nicht alles Gold, was glänzte. Chancen für den FC aus dem Spiel heraus ergaben sich in erster Linie dann, wenn der BVB dies durch zum Teil absurde Konzentrationsfehler ermöglichte. Das Spiel gegen den Ball war gut, sehr gut sogar. Bei Ballbesitz wurde es dann deutlich weniger.
Die Stimmen zum Spiel
Markus Gisdol dankte seiner Mannschaft und seinem Staff für die tolle Leistung: “Der heutige Sieg freut mich für unser Team, für unseren Staff und vor allem für alle Fans, die Woche für Woche mit uns mit fiebern. Unser guter Zugriff auf die Dortmunder war heute ein Schlüssel zum Erfolg. Wir waren heute sehr präsent, sehr lauffreudig, haben eine abartige Laufleistung abgeliefert. Deswegen hat sich die Mannschaft den Sieg heute verdient. Ich habe mich bei der Mannschaft bedankt. Für die aufopferungsvolle Arbeit. Alle sind ein verschworener Haufen. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man so lange nicht gewonnen hat. Diese Mannschaft ist gut. Diese Mannschaft wird sich stabilisieren. Sie kann Dinge leisten, die man in den letzten Wochen nicht gesehen hat. Uns fehlte das Selbstvertrauen. Das wollen wir uns jetzt Stück für Stück zurückholen. Unser Analyseteam um Hannes Dold hat heute wieder sehr, sehr gute Arbeit geleistet. Um die Standards kümmert sich mein Co-Trainer André Pawlak federführend. Schön, dass es heute gleich zweimal geklappt hat.”
“Das Wichtigste war heute aber der Zusammenhalt, den das Team gezeigt hat.”
Ellyes Skhiri freute sich über seine beiden Tore, lobte jedoch auch seine Mannschaft: “Nach den vergangenen Wochen war unser Selbstbewusstsein natürlich nicht groß, aber die Mannschaft hat heute einen tollen Charakter gezeigt. Jeder einzelne hat sein Bestes gegeben. Meine beiden Tore heute sahen sehr ähnlich aus. Ich versuche, mich bei Ecken und Standards allgemein immer in eine gute Position zu bringen. Aber ein bisschen Glück gehörte auch dazu. Das braucht man aber auch. Es war das erste Mal für mich, dass ich zwei Tore in einem Spiel erzielt haben. Das Wichtigste war heute aber der Zusammenhalt, den das Team gezeigt hat.”
Der zweimalige Vorlagengeber Marius Wolf sprach über die Leistung seines Teams, wies jedoch auch auf den Druck hin: “Natürlich wurde der Druck in den vergangenen Wochen immer größer, aber das heute gegen Dortmund war ein sehr gutes Spiel von uns. Dass es heute nach Eckbällen zweimal so gut geklappt hat, wenn ich an den ersten Pfosten gegangen bin, freut mich natürlich sehr. Ich hatte zwar gehofft, dass einer von den beiden Kopfbällen von mir direkt ins Tor fliegt, aber so freut es mich für Ellyes, dass er heute zweimal getroffen hat. Er ist ein unglaublicher Arbeiter auf dem Platz. Aber das ganze Team hat sich heute offensiv und defensiv reingeworfen und die Tore so erzwungen.”
Der Ausblick auf das nächste Spiel gegen Wolfsburg
Am nächsten Samstag werden die “Wölfe” in Köln erwartet. Das Team von Oliver Glasner ist in dieser Saison noch ungeschlagen und präsentierte sich zuletzt in guter Form. Die Unruhe im Verein, die durch Zwistigkeiten zwischen dem Trainer einerseits und Manager Jörg Schmadtke andererseits herrührten, übertrugen sich nicht auf die Mannschaft, die gegen Werder Bremen vor allem in der Offensive glänzte.
Gewiss keine leichte Hürde, die es da zu überwinden gilt. Zudem gibt es neuerliche Verletzungssorgen im Kölner Team. Zum Kreis der nicht einsatzfähigen Spielern gesellt sich nun auch Rafael Czichos, der sich eine Adduktorenverletzung zuzog und ausgewechselt werden musste. Bei Elvis Rexhbecaj konnte der FC zwischenzeitlich leichte Entwarnung vermelden. Beim Sieg in Dortmund zählten beide Akteure zu den Stützen des Teams, die im Spiel durch Jannes Horn und Dominick Drexler ersetzt wurden. Überhaupt bleibt abzuwarten, ob der dreifache Punktgewinn beim BVB lediglich ein Strohfeuer war oder die Trendwende zum Guten hin.