Sieben Punkte aus drei Spielen: Das ist eine äußerst ehrenwerte Bilanz, selbst für den als Aufstiegsfavorit in die Saison gegangenen 1. FC Köln. Neben Siegen in Bochum und gegen Erzgebirge Aue sprang noch ein eher unglückliches Remis gegen Union Berlin heraus. Zu konstatieren ist, dass dem effzeh der Start in die neue Spielzeit definitiv geglückt ist. Zwar rumpelt es spielerisch noch hier und da, das Spielsystem des neuen Trainers Markus Anfang ist noch nicht vollends bis in die letzten Hirnwindungen vorgedrungen und die Defensive steht noch nicht bombenfest wie einst beim letzten Aufstieg in die Bundesliga.
Das ganz große Fieber ist noch nicht ausgebrochen
Dennoch: Der glorreiche 1. FC Köln ist auf Kurs und thront nach drei Spieltagen punkt- und torgleich mit Union Berlin an der Spitze der 2. Bundesliga. Aber: Das ganz große Fieber, die ganz große Freude über die Leistungen der Jungs mit dem Geißbock auf der Brust ist in Köln noch nicht ausgebrochen. Zu schwer wiegt bei vielen die Erinnerung an die verdammte vergangene Saison, zu selbstverständlich ist der Anspruch an die Mannschaft und den Verein im Gesamten, diese Scharte schnellstmöglich wieder auszuwetzen. So könnte die Reise ans Millerntor, der stimmungsvollen Heimat des FC St. Pauli, genau zur richtigen Zeit für den effzeh kommen. Ein Erfolg beim Kiezklub – er könnte das Feuer, das zum Aufstieg gebraucht wird, endgültig entfachen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Sieg auf St. Pauli zum Meilenstein auf dem Weg zur Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs wird. Schon das letzte Aufeinandertreffen am Millerntor war ein äußerst wichtiger Erfolg für den effzeh, hatte er doch zuvor gleich zweimal verloren. Den bitteren 0:1-Pleiten in Bochum und gegen Ingolstadt folgten Selbstzweifel, ob die Mannschaft dem Druck in der Domstadt gewachsen sei. Diese Mini-Krise endete mit einem dicken Ausrufezeichen: Kevin Wimmer köpfte die Kölner früh in Führung, die Patrick Helmes mit einem trockenen Rechtsschuss nach 28 Minuten ausbaute. Die endgültige Entscheidung besorgte dann Yannick Gerhardt kurz vor Schluss – der effzeh gewann 3:0 und war danach nicht auf dem Weg Richtung Bundesliga nicht mehr zu stoppen.
Hoher Aufwand, großer Ertrag – auch 2018/19?
Auch in der Spielzeit 2007/2008, dem vorletzten Aufstieg der „Geißböcke“, spielte das Auswärtsspiel in Reeperbahn-Nähe eine Schlüsselrolle: Zum Saisonauftakt reiste der effzeh zum FC St. Pauli, kein angenehmer Start in die neue Saison. Doch die von Christoph Daum gecoachte Truppe um das Torjäger-Duo Milivoje Novakovic und Patrick Helmes wurde ihrer Favoritenrolle am Millerntor gerecht. Die routinierte Truppe fuhr dank Treffern ihrer Topstürmer einen 2:0-Arbeitssieg in Hamburg ein. Nicht sonderlich verdient, allerdings mit Eiseskälte eingefahren. Ein Muster, das sich durch die folgende Saison zog: Die individuelle Klasse von hochbezahlten Stars wie Mondragon, Özat, Broich oder Antar sicherte dem effzeh den abermaligen Aufstieg in die Bundesliga – hoher finanzieller Aufwand, großer sportlicher Ertrag.
Auch diesmal fahren die „Geißböcke“ als Favorit ans Millerntor, nicht nur wegen des starken Saisonstarts. Doch aufgepasst: Trotz der 1:4-Niederlage bei Union Berlin am vergangenen Wochenende haben die Kiezkicker ihre Qualitäten in dieser Saison bereits nachgewiesen. Angetrieben von Mittelfeldmotor Christopher Buchtmann, der sein Glück von 2010 bis 2012 vergeblich beim effzeh suchte, stand St. Pauli nach zwei Spieltagen an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga. Nach dem schwierigen vergangenen Jahr, als die Hamburger lange gegen den Abstieg spielten, scheint nun wieder eitel Sonnenschein am Millerntor zu herrschen – FCSP-Coach Markus Kauczinski hat eine solide Einheit geformt, die defensiv schwer zu knacken ist, der allerdings vorne mitunter die nötige Durchschlagskraft abgeht. Doch die quirlige und spielstarke Offensivreihe um Mats Möller Daehli kann im Grunde jede Zweitliga-Defensive in arge Bedrängnis bringen.
Gerade mit dem frenetischen Publikum im Rücken dürfte der erste große Härtetest vor dem neuformierten effzeh-Team liegen. Ein starker Gegner, ein stimmungsvolles Stadion: Das sind die Ingredienzien eines Sonntagmittags in der Hansestadt für den 1. FC Köln. Feuer mit Feuer bekämpfen, denn nur wenn die Mannschaft von Markus Anfang von Beginn an brennt, dürfte St. Paulis Leidenschaft in dieser Partie erlischen. Und wer weiß – vielleicht werden wir im kommenden Sommer auf dieses Spiel blicken und sagen: „Das war der Startschuss einer starke Saison, hier wurde das Aufstiegsfeuer erstmals so richtig entfacht!“
Wir wissen, dass Köln gut ist und wahrscheinlich den besten Kader der Liga hat. Wir sind aber auch nicht ohne. Der FC muss uns erstmal niederringen, in 90 Minuten ist alles möglich.
Das sagen die Trainer
Markus Anfang (Trainer 1. FC Köln): „Am Millerntor ist es schwer, zu spielen. Es ist eine besondere Atmosphäre. Es wird viel über Leidenschaft und Kampf gehen. Es wird um jeden Zentimeter Boden gekämpft. Wir dürfen uns von der Hektik nicht anstecken lassen. Wir müssen konsequent unser Spiel durchbringen. St. Pauli hat den Anspruch und die Qualität, im oberen Drittel mitzuspielen. Sie sind gut in die Saison gestartet. Das ist ihr Potential. Sie haben viel Qualität und haben sich gut verstärkt. “
Markus Kauczinski (Trainer FC St. Pauli): „Ich freue mich total auf das Spiel, auf die Kulisse. Es wird ein Fußballfest und wir wollen unseren Teil dazu beitragen. Wir wollen uns nicht verstecken, sondern unser Spiel durchdrücken. Unsere Aufgabe ist es, mit Leidenschaft und Zielstrebigkeit aufzutreten. Wir wissen, dass Köln gut ist und wahrscheinlich den besten Kader der Liga hat. Wir sind aber auch nicht ohne. Der FC muss uns erstmal niederringen. In solchen Spielen können einzelne Momente entscheiden. Wir sind total fokussiert und konzentriert. In 90 Minuten ist alles möglich.“