Der Hamburger SV? Oder doch der VfL Wolfsburg? Der 1. FC Köln spielt am abschließenden Spieltag der Bundesliga-Saison noch eine gewichtige Rolle. Doch soll er dem HSV den Todesstoß versetzen? Eine Diskussion in Pro und Contra.
Ganz zum Schluss kommt dem 1. FC Köln in der Bundesliga-Saison nochmals eine entscheidende Rolle zu. Selbst schon gefühlt vor zehn Spieltagen aus dem Abstiegskampf verabschiedet, kann der effzeh beim Gastspiel in Wolfsburg zum Zünglein an der Waage werden. Eine unangenehme Aufgabe, denn eigentlich hätten die bereits nach dem 32. Spieltag abgestiegenen „Geißböcke“ den letzten Samstag als Erstligist relativ locker angehen können. Nun aber steht die Mannschaft von Trainer Stefan Ruthenbeck ein letztes Mal für dieses Jahr im Fokus der Aufmerksamkeit.
Die Ausgangslage ist glasklar: Verliert der glorreiche 1. FC Köln beim VfL Wolfsburg, ist der Ausgang der Partie des Hamburger SV gegen Borussia Mönchengladbach völlig egal. Das Bundesliga-Gründungsmitglied wäre bei dieser Konstellation erstmalig zweitklassig. Selbst bei einem effzeh-Remis müsste der HSV gegen die „Fohlenelf“ mit mindestens zehn Toren Abstand gewinnen, um zumindest noch die Relegation zu erreichen. Mehr ist für den Bundesliga-Dino am letzten Spieltag nicht mehr zu erreichen. Ein eigener Sieg und Schützenhilfe aus Köln – dann wäre Hamburg zum dritten Mal in fünf Jahren in der Relegation.
Die Gretchenfrage: Soll der 1. FC Köln die HSV-Rettung begünstigen?
Doch sollte der effzeh überhaupt Anstrengungen unternehmen, den permanent schwächelnden Hanseaten eine weitere Chance zur Rettung zu ermöglichen? Sollten wir nicht lieber die Gunst der Stunde nutzen und endlich die Uhr im Hamburger Volksparkstadion abstellen? Kaum eine Frage wurde in den vergangenen Tagen derart kontrovers diskutiert – natürlich auch bei uns in der Redaktion. Wir haben uns Schimpfwörter und faules Gemüse an den Kopf geworfen, sind unter die Gürtellinie gegangen und haben verbale Tiefschläge gelandet, waren kurz vor dem Gang vors ständige effzeh.com-Schiedsgericht und haben uns dann auf ein Pro/Contra geeinigt. Für den HSV steigt Arne Steinberg in den Ring, Severin Richartz prügelt derweil auf den HSV ein.
Auf der nächsten Seite: In einer idealen Bundesliga wäre der HSV immer am Start!
Es ist soweit. Ein letztes Mal noch. Ein letztes Mal noch müssen wir verfolgen was der 1. FC Köln sich so zurechtspielt in der Fußball-Bundesliga, bevor es dann endlich mit der Sommerpause genügend Zeit zur Erholung geben wird. Diese wird auch nötig sein, um als Fan wieder etwas mehr Lust auf das zu entwickeln, was in diesem Jahr nicht immer Freude bereitet hat: Spiele des 1. FC Köln zu sehen, egal ob im Stadion oder zuhause am Fernseher. Bisher gab es 26 Niederlagen in allen drei Wettbewerben zu bestaunen, was die Häufigkeit negativer Emotionen in den vergangenen Monaten relativ imposant unterstreicht.
Zum Vergleich: In Pokal und Liga hatte der 1. FC Köln seit dem Wiederaufstieg 2014 und bis zu dieser historischen Saison 2017/2018 insgesamt 35 Mal verloren. Es gab also außer den Abenteuern in Europa nicht allzu viel Grund für Freude, worüber auch die Vertragsverlängerungen und Bekenntnisse einiger kölscher Jungs nicht hinwegtäuschen können. Denn wäre die Saison ja nicht so schlecht gewesen, hätten sich auch die Fragen nach dem Verbleib nicht gestellt.
Der 1. FC Köln spricht ein letztes Wörtchen im Abstiegskampf mit
Vor dem 43. Pflichtspiel in dieser Saison, dem abschließenden Bundesliga-Spieltag in Wolfsburg, gibt es dennoch genügend Geschichten zu erzählen. Denn auch das ist das Schöne am Fußball und der Berichterstattung über diese Sportart: Jede noch so unwichtige Kleinigkeit kann tagelang in verschiedensten Textgattungen diskutiert werden. Gewiss, der Abstiegskampf in der fußballerischen Beletage ist keine Kleinigkeit, ganz im Gegenteil.
In den Gazetten, die sich mit den Partien des 34. Spieltag beschäftigen, geht es um fast nichts Anderes, gerade weil mit dem Hamburger SV und dem VfL Wolfsburg noch zwei Mannschaften darum kämpfen, entweder noch den Relegationsplatz (Hamburg) oder den rettenden Rang 15 (Wolfsburg) zu erreichen. Der SC Freiburg kann sich im Heimspiel gegen den FCA auch nicht komplett sicher sein.
finds ehrlich gesagt bisschen unangenehm dass dieser #effzeh jetzt in der kommenden woche noch entscheidend in den abstiegskampf eingreift
— Werner Spinner (@arnepuyol) May 5, 2018
Unangenehmerweise ist es nun jedoch so, dass der 1. FC Köln in dieser Konstellation ein ganz wichtiges Wörtchen mitzureden hat. Gewinnt man in Wolfsburg, ebnet man dem HSV die Chance, nach 2014 und 2015 wieder an der Relegation teilzunehmen – vorausgesetzt der HSV gewinnt gegen Gladbach. Verliert man in Wolfsburg, können sich die Hamburger auf den Kopf stellen, es wird nichts mehr an ihrem Schicksal ändern – die Uhr würde abgestellt. Und somit ist es eigentlich nur ganz logisch, dass die Medien sich auch in dieser Woche noch einmal mit dem 1. FC Köln beschäftigen, der „das Zünglein an der Waage“ sein oder „ein ganz entscheidendes Wörtchen mitreden“ kann.
Hector: “Wir haben bislang immer alles reingeworfen”
Dabei wollte man in Köln doch eigentlich nur seine Ruhe haben und in aller Beschaulichkeit absteigen. Jetzt muss diese Mannschaft, die in den letzten Wochen einen deutlichen Spannungsabfall durchmachen musste und wohl kaum an 100 Prozent ihres Leistungsvermögens herankommen dürfte, sich im letzten Spiel noch einmal richtig angehen, damit man sich aus Hamburg nicht den Vorwurf anhören lassen muss, man hätte Wettbewerbsverzerrung betrieben und Wolfsburg einfach so gewinnen lassen.
Kapitän Jonas Hector sieht das, wie es sich für einen Profi gehört, natürlich ähnlich: „Wer uns die letzten Spiele hat spielen sehen, der weiß, dass wir nichts abschenken. Wir haben bislang immer alles reingeworfen, egal, wie aussichtslos es war. So gehen wir das letzte Spiel auch an. Das will keiner, dass einer fragt: Was haben die denn da gemacht?“
Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images
In den sozialen Medien wurde natürlich von den auch Fans diskutiert, ob man nicht einfach abschenken solle, damit der HSV „endlich auch mal in die zweite Liga absteigt“, denn „das hätten die doch schon längst verdient!“. Im Fußball zählt allerdings nicht, was vor vier oder drei Jahren war, sondern nur das Hier und Jetzt. Verdient hätte es der Kölner Gegner aus der Autostadt allerdings auch, vielleicht aufgrund der jüngsten Entwicklungen sogar etwas mehr – denn während der HSV sich unter Neu-Trainer Titz durch spielerisch ansprechende Leistungen noch eine Chance ermöglicht hat, taumelt Wolfsburg unter Bruno Labbadia, der momentan der einzige sportlich Verantwortliche zu sein scheint, dem noch etwas an der Fußballabteilung liegt, tatsächlich einem Abstieg entgegen.
Wolfsburg hätte es auch verdient
Und seien wir mal ehrlich: Seit Jahren betreibt der VfL eigentlich desaströses Missmanagement, wenn man sich den finanziellen Aufwand und den Ertrag anschaut. In Hamburg ist das gewiss nicht anders, da dort Investor Klaus-Michael Kühne den Laden schon seit Jahren am Laufen hält. Doch trotz allem: Wenn man sich eine ideale Bundesliga wünschen würde, der Hamburger SV wäre als Gründungsmitglied und Verein aus einer Weltstadt wohl dabei. Hinzu kommt, dass die Mannschaft des HSV aus psychologischer Sicht tatsächlich momentan oben auf zu sein scheint, da die Leistungen der letzten Wochen (bis auf das 0:3 gegen Frankfurt) eigentlich überzeugend waren.
Und das Argument, dass man sich ja bereits jetzt darüber Gedanken machen müsse, welcher Verein mit absteigt und dann in der zweiten Liga um den Spitzenplatz kämpft, zählt in meiner Wahrnehmung auch nicht. Denn der 1. FC Köln wird erst einmal selbst beweisen müssen, dass man aufsteigen kann, da helfen auch die größten Beteuerungen vorher nichts. Im Endeffekt ist es auch völlig unerheblich, was sich die Fans des 1. FC Köln sich wünschen oder gerne hätten: Die Wahrheit liegt wie immer auf dem Platz. Und da müssen sowohl der HSV als auch Wolfsburg erst einmal liefern.
Auf der nächsten Seite: Stellt endlich die verdammte Uhr ab!
Stellt die verdammte Uhr endlich ab – dieser Gedanke beherrscht meine Überlegungen über Fußball spätestens seit vergangenem Samstag. Die Chance, den Hamburger SV endgültig für sein Missmanagement der letzten Jahre zu bestrafen, diesen bräsigen Dino von seinem Podest zu holen, ist so groß wie nie. Und der 1. FC Köln kann Anteil daran haben: Schon mit einem effzeh-Remis in Wolfsburg dürfte der erste Abstieg des Gründungsmitglieds besiegelt sein. Das sollte doch nach der eher freudlosen Saison das Mindeste sein, was unser Club für mein Seelenheil noch bereitstellen kann. Ich habe Tasmania Köln in der Hinrunde bewundert, ich habe mir Hoffnung machen lassen nach dem Sieg (ausgerechnet!) beim HSV, ich habe diesen zähen Abstieg miterlebt – diese eine gehässige Freude muss mir der effzeh zugestehen.
Mitleid mit dem HSV? Nicht einmal geschenkt!
Mitleid? Habe ich nicht. Ja, ich kenne durchaus HSV-Fans. Ja, einige von ihnen habe ich sogar tief in mein Herz geschlossen. Mitleid wollen sie nicht einmal geschenkt haben (würde ich auch nicht!), die Erlösung aus der Qual können sie allerdings gerne zum Nulltarif haben. Der Hamburger SV hat in all seinem Chaos in den vergangenen Jahren derart an den Nerven seiner eigenen Anhänger gezerrt, ist uns allen schrecklich auf den Sack gegangen und geht dennoch einfach nicht weg.
Das muss nun endlich Folgen haben. Während der 1. FC Köln zumindest den Anstand hat, sang- und klanglos herunterzugehen, wenn der Verein groteske Fehler produziert, wehrt sich der HSV unverständlicherweise immer wieder gegen die gerechte Bestrafung. Und kam damit stets durch – wie so ein verzogener Sohn einer neureichen Familie, der auf dicke Hose macht, Scheiße baut und keine Konsequenzen zu befürchten hat.
Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Damit muss Schluss sein. Schluss mit dem Dino-Gefasel, Schluss mit dieser Uhr, Schluss mit dem einzigen Gründungsmitglied, das ständig in der Bundesliga gespielt hat. Irgendwann trifft es jeden. Und dann soll nicht herumgeheult werden, wie furchtbar schlimm alles ist. Wir haben das in Köln schließlich auch erleben müssen. Und sonderlich viel Mitleid gab es da nicht.
Die Saison mit einem kleinen, gehässigen Grinsen abschließen
Der HSV hat in der jüngsten Vergangenheit immerhin durchgängig dafür gesorgt, dass er bei vielen Fußball-Fans nicht sonderlich gut gelitten ist. Im Grunde fiebert halb Deutschland auf den ersten Abstieg hin – und sieht den 1. FC Köln in einer besonderen Verantwortung. Zwar sind wir nur Teil des großen Schauspiels (die größere Aufgabe bekam glücklicherweise der Rivale aus der deutsch-niederländischen Grenzregion zugeteilt), aber wir können eine beschissene Saison mit einem kleinen, gehässigen Grinsen abschließen. Muss man nicht mögen, ist aber so.
Wünsche ich meinem Verein deshalb eine Niederlage? Jein. Es ist keine simple Situation, die Saison ist für uns eh schon gefühlt seit Dezember 2017 gelaufen. Einerseits können wir dem HSV den endgültigen Todesstoß versetzen, indem das effzeh-Team einfach so spielt, wie es in dieser Saison eben gespielt hat. Wacklig in der Defensive, harmlos in der Offensive, mit Aussetzern individueller und kollektiver Natur. Natürlich mit vollem Engagement, versteht sich. Andererseits ist auch Wolfsburg jetzt nicht der schlechteste Kandidat für einen Direktabstieg in die Hölle namens 2. Bundesliga – und in der Relegation gegen Kiel vermutlich nicht so durchschlagskräftig wie der HSV.
Eigentlich kann der 1. FC Köln nur gewinnen
Eigentlich kann der 1. FC Köln an diesem Samstagnachmittag nur gewinnen. Dennoch ist mir der HSV, auch nach diesen sagenhaft peinlichen Anbiederungsversuchen seitens Verein und Fans, ein Stückchen lieber. Unter anderem, weil ich nächste Saison doch lieber mit meinen Hamburger Kollegen über die grausame Fußball-Welt herziehen möchte als so gänzlich allein in Liga zwei herumzuhängen. Und natürlich wegen Kühne, dem 1/5-Besitzer der HSV AG, der wieder einmal zur besten Zeit in der Öffentlichkeit querschoss.
Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images
Aber der HSV hat doch so viel Tradition und Wolfsburg ist nur ein Werksclub ohne Seele? Das ist definitiv so, auch wenn das nicht alle akzeptieren wollen. Und in einer idealen Fußball-Welt würde Hamburg auch eine gute Rolle in der Bundesliga spielen, während all die Automobil-, Chemie- oder Chemiebrause-Konzerne ihr Geld vollends in Opernaufführungen, coole Veranstaltungen in hippen Skateparks oder total angesagte Internetgründermessen stecken. In einer idealen Fußball-Welt hätte der Hamburger SV auch nicht fast 20 Prozent seiner Profiabteilung an einem neurotischen Speditionsunternehmer verscherbelt.
Stellt endlich die verdammte Uhr ab!
Wir sind aber bekanntlich nicht bei „Wünsch dir was“, sondern bei „So ist es!“ – und da wäre mir ein finanziell omnipotenter Werksclub, der die Werbewirksamkeit der 1. Bundesliga trotz all der Eskapaden doch sehr zu schätzen weiß, als Aufstiegskonkurrent deutlich weniger lieb als ein chronisch schlecht wirtschaftender und chronisch schlecht einkaufender Ex-Dino, dessen Umfeld sich gedanklich erst einmal mit der neuen Spielklasse anfreunden muss. Manchmal neigt der gemeine Fußball-Fan zur Schizophrenie, wenn es um das Wohl des eigenen Clubs geht. Deswegen: Mach et, FC! Stell endlich die verdammte Uhr ab. Wir warten schon sehnsüchtig und wehmütig darauf. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.