Folge uns
.

Allgemein

Elf Eistruhen müsst ihr sein

Eine unfassbarer Torhüter und hammerharte Nerven bringen einen umkämpften Sieg in Duisburg. Was für normale Menschen ein höchst emotionaler Akt war, ließ die Mannschaft anscheinend kalt.

Foto: Dirk Unschuld

DFB-Pokal, zweite Runde gegen einen Drittligisten, hitzige Atmosphäre, kalter Oktoberabend. Das sind so richtig ekelhafte Spiele für Bundesligisten. Wir wollen an dieser Stelle noch einmal feststellen, dass der 1. FC Köln glücklicherweise eben zu jenen Bundesligisten zählt. Weniger schön war, dass sich die Erwartungen hinsichtlich des Spiels bestätigten. Im Hexenkessel Schauinsland Arena (haha!) bot der MSV Duisburg von Beginn an Paroli.

Die Duisburger waren gallig, sie waren taktisch gut eingestellt und sie kitzelten alles heraus aus elf rot-weißen Göttern. Die blieben in der entscheidenden Phase des Spiels aber eiskalt und legten ein traumhaftes Elfmeterschießen auf den Meiderischen Rasen.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Ausgangslage

Zwei Bundesligagründungsmitglieder gegeneinander. Zwei Traditionsteams, das eine nach zwei Siegen in der ersten Liga und einer soliden Mittelfeldplatzierung in eben jener, das andere abgestürzt in die 3. Liga, dort aber auf Rang 6 im Aufstiegskampf befindlich. Soweit zu den Zahlen. Optimisten hatten damit gerechnet, dass der Effzeh mit dem Selbstvertrauen aus der Liga kurzen Prozess mit den Zebras machen würde. Realisten wussten schnell, dass alle Zeichen auf einen zähen, harten Pokalfight hindeuteten.

Die Nostalgiker im Duisburger Anhang hatten wohl noch den Dezember 2010 im Kopf, als der MSV den 1. FC Köln im Achtelfinale des Pokals mit 2:1 rausschickte und noch in der gleichen Saison ins Pokalfinale einzog, wo man dann aber mit Pauken und Trompeten gegen den FC Schalke 04 unterging. Im diesjährigen Pokalwettbewerb hatten sich die Duisburger bereits in der ersten Runde gegen einen vermeintlichen Favoriten durchgesetzt und den 1. FC Nürnberg ausgeschaltet. Der Effzeh gewann mehr oder weniger souverän mit 4:0 bei den Freien Turnern Braunschweig. Die Favoritenrolle war also doch im Prinzip eigentlich ziemlich klar.

Personal

Peter Stöger hatte bereits vor dem Spiel angedeutet, dass man gegen den MSV mit zwei Stürmern rechnen könne. Als Mann der Taten machte der Österreicher genau das. Risse und Svento mussten raus. Svento saß nicht einmal auf der Bank, weil Stöger dem Slowaken nach seinen doch sehr intensiven Einsätzen nach der Verletzung eine Pause gönnen wollte. Für die beiden Außenspieler kamen Ujah und Nagasawa neu ins Team. Bremen-Held Ujah rückte neben Zoller in den Zweiersturm. Kazuki Nagasawa gab zur Freude aller sein Startelf-Comeback auf der rechten Seite. Ansonsten blieb alles beim Alten. Die zuletzt sehr sichere Abwehr um Wimmer, Mavraj, Hector und Olkowski stand somit also auch wieder auf dem Rasen.

Beim Heimteam standen gleich zwei alte Kölner auf dem Platz. Michael Gardawski und Fabian Schnellhardt wuchsen in der Kölner Jugend auf, konnten sich im Profiteam aber nie ganz durchsetzen und standen so nun beim Gegner aus Duisburg unter Vertrag. Ein anderer Ex-Kölner konnte verletzungsbedingt nicht mitwirken: Der ansonsten bei MSV-Coach Gino Lettieri gesetzte Christopher Schorch. Ansonsten stand bei Duisburg viel Spielermaterial auf dem Feld, das einem irgendwoher bekannt vorkam. Ob nun Kevin Scheidhauer (früher VfL Wolfsburg) oder Branimir Bajic (früher TuS Koblenz) – irgendwo hatte man sie alle schon mal gesehen.

Spielverlauf

Wir Redakteure auf dieser Seite sind ja nicht alle nur die größten Fans des tollsten Vereins aus der schönsten Stadt der Welt. Man munkelt sogar, dass der eine oder andere unter uns das mit dem Rumgeschreibe auch mal professionell macht. Man mag es kaum glauben, doch ich gehöre dazu. So erhielt ich am Dienstag die ehrenvolle Aufgabe diesen denkwürdigen Pokalfight im Live-Ticker neutral zu begleiten. Für wen und wie und warum sei mal dahingestellt. Doch wie das so ist, auf der einen Seite neutraler Journalist und auf der anderen Seite Effzeh-Fan zu sein, seht ihr hier im Spielverlauf. In normalen Lettern die seriösen Einträge, in kursiv meine Gedanken zu den Situationen.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

1.: Das Stadion versinkt zu Spielbeginn in Nebelschwaden, weil die Kölner Fans einige Pyros gezündet haben. Das Spiel läuft trotzdem. (Schon wieder diese leidliche Sache. Jetzt marschiert der Schiri zum Duisburger Keeper und fragt den, ob der noch halbwegs klar sehen kann. Der Kommentator braust schon wieder auf, das ginge nicht und hin und her. Einfach mal nicht mehr drüber schreiben. Ist ja auch nicht so wichtig, will jetzt Fußball, will ein Pokalfest mit vielen Toooor-Einträgen für den Effzeh. Schnellhardt und Gardawski lachen auch schon am Anstoßkreis. Die kennen ja die Effzeh-Fans. Der Gardawski ist ja auch irgendwie der Verwandte vom Sinkewicz und lebt noch in Köln. Und der Schnellhardt war ja eh so lange bei uns. Klüngel Galore wieder. Kannst du ja jetzt aber auch nicht alles schreiben, interessiert ja eh kaum wen hier).

9.: Nagasawa hat noch etwas Probleme nach seiner langen Verletzungspause ins Spiel zu finden. Der Japaner spielt bereits den dritten unnötigen Fehlpass ins Seitenaus. (Geht ja gar nicht klar hier zu Beginn. Die Duisburger spielen richtig eklig. Das wird ein langer, zäher Pokalabend. So viele Fehler, und dann auch noch Nagasawa. Klar, erstes Spiel nach der Verletzung und so. Aber gerade da brauchen wir ja auch seine genialen Einfälle, seine Technik. Der Kommentator schwärmt ja auch so von unserem Japaner. Aber bisher ist hier nix zum Schwärmen.)

35.: Anthony Ujah tritt derzeit mehr als dritter Innenverteidiger auf. Immer wieder wehrt der Stürmer die Duisburger Flanken mit dem Kopf ab. Der MSV macht weiterhin einen guten Eindruck. (Oh Gott, ich liebe Tony. Der spielt in jedem Spiel so, als hätte der Gegner seine Mutter entführt und würde sie erst zurückgeben, wenn er sich vollkommen verausgabt hätte. Muss trotzdem nicht sein. Was machen die Duisburger da denn auch. Die sind doch Drittligist, warum spielen die das ganze Gegenpressing-Zeug und sind so flink und agil und…)

36.: Plötzlich ist Ujah doch vorne zur Stelle. Wimmer spielt einen langen Pass aus der Innenverteidigung. Ujah nimmt das Leder klasse aus der Luft und will über Ratajczak ins Tor lupfen. Doch im letzten Moment kommt Feltscher und drängt Ujah entscheidend ab. (Ach Tony, ich liebe dich ja, aber manchmal da fehlt dir der Killerinstinkt. Da hast du deine Technik schon stark verbessert und lässt dich dann von diesem komischen Lockenkopf mit dem Vornamen Rolf Günther, ROLF GÜNTHER, einfach zur Seite schieben so kurz vor dem Tor. Aber wir können froh sein: Du bist halt kein Killer, du würdest keine Mütter enführen oder Gegenspielern ins Ohr beißen.)

38.: Riesige Chance für die Kölner. Nagasawa spielt Halfar frei. Der dribbelt sich durch die halbe MSV-Defensive und legt aus kurzer Distanz ab auf Ujah. Der Nigerianer nimmt den Ball aus 10 Metern direkt, doch Ratajczak, der eigentlich schon in der anderen Ecke war, klärt den Flachschuss toll per Fußabwehr. (Ach Tony, ich wünschte, du wärst ein Killer. Du dürftest nach dem Spiel auch meine Mutter entführen…)

45.: Schöner Pass von Nagaswa in den Lauf von Hector. Der kratzt den Ball von der Grundlinie in die Mitte, wo Zoller per Kopf an die Kugel kommt. Um wenige Zentimeter geht der Ball am langen Pfosten vorbei. Das war sehr knapp. (Nein, nein, nein. Jetzt nicht abpfeifen. Jetzt bloß nicht abpfeifen. Die letzten zehn Minuten sind stark. Sie sind am Drücker, das Tor in der Luft. Warum muss manchmal eigentlich nach 45 Minuten Halbzeit sein?)

54.: Unötiger Ballverlust der Kölner in der Offensive. Das gesamte Team ist weit aufgerückt. Duisburg kontert, doch Albutat verzögert das Spiel und der Überraschungsmoment ist weg. (So stark die Duisburger hier auch sind, wir können froh sein, dass das nur ein Drittligist ist. Zu viele leichte Fehler im Spiel. Da muss mehr her. Pitter sollte wechseln…)

56.: Fantastischer Steilpass von Hajri durchs Zentrum. Der pfeilschnelle Gardawski ist auf der rechten Seite durch und rennt alleine auf Horn zu. Er kann sich aber nicht entscheiden, ob er flanken oder schießen soll. So kommt eine trotzdem gefährliche Mischung heraus, die der starke Horn aber wieder gut pariert. Dicke Chance. (TIMO HORN, FUSSBALLGOTT!)

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

71.: Foul an der Mittellinie. Peszko will den Freistoß ausführen. Albutat stellt sich vor den Ball und der eben erst eingewechselte Peszko tritt ihm einfach gegen das Schienbein. Sippel steht drei Meter entfernt und zeigt gleich Rot. (Ach Slawo… Da rennt der Pole aber auch geradewegs in die Kabine. Hat wohl selbst gemerkt, dass das höchst unnötig war. War ja auch unnötig da vom Sippel direkt die Rote rauszuholen, war aber eben auch unnötig da aufs Schienbein zu treten. Jetzt in Unterzahl. Ich will nicht mehr. Ganz schlechtes Gefühl.)

80.: Die Kölner nun mit zehn Spielern in der eigenen Hälfte. Stögers Mannschaft steht enorm tief. Die Duisburger spielen geduldig um den Kölner Strafraum rum, entwickeln derzeit aber keine Gefahr. (Ist das nicht dann irgendwie auch peinlich? Ich meine, verständlich. Nur noch mit zehn Mann. Logisch. Ist aber eben auch nur Duisburg und nicht Barcelona. Der Effzeh hat Angst, ich hab Angst.)

102.: Was für ein riesige Chance für die Kölner! Vogt spielt einen tollen Steilpass in den Lauf von Zoller. Der geht an Ratajczak vorbei und hat das leere Tor vor sich. Aus spitzem Winkel gibt er im Fallen den Torschuss ab. Langsam trudelt der Ball gen Tor und prallt dann gegen Pfosten! (r3298u89h32jh41h4fhnfidjoipeqwjd834.ads…. So, Kopf wieder langsam runternehmen von der Tastatur und bloß nicht ENTER drücken. Kann nicht sein. Muss man machen. Der Champagner zu meiner Rechten zieht sich bitter enttäuscht zurück.)

114.: Bohl flankt von der rechten Seite zu lang. Doch auf der anderen Seite kommt Feltscher an den Ball und legt zurück zu Grote. Der hat aus zehn Metern den Sieg auf dem Schlappen, haut die Kugel aber deutlich über das Tor. Riesengelegenheit. (Ach du scheiße, Herzstillstand deluxe. Im Geiste schon die Elfmeterschützen durchgegangen. Zuerst Risse schießen lassen oder erst Vogt? Und dann kommt da plötzlich dieses blonde Zebra…)

120.: Keine Tore, kein Sieger nach 120 Minuten. Peter Sippel pfeift das Spiel ab. Nun ist die Zeit für Helden gekommen: Elfmeterschießen. (Tschüss, DFB-Pokal. Es war schön mit dir…)

120.: Lehmann tritt als erster Schütze an und haut den Ball mit Urgewalt in den linken oberen Torwinkel. Ratajczak ohne Chance. 0:1. (Matze wird ballern. Hundertfuffzigprozent. In die Wolke oder in die Maschen…? In die MASCHEN! Wahnsinnsding. Hätte sich der Ratajczak ja den ganzen Arm gebrochen, wenn er da noch drangekommen wäre!)

120.: Grote will den Ball unten links in die Ecke schieben. Doch Horn streckt sich und hält den Ball ganz stark! 0:1. (TIMO HORN, FUSSBALLGOTT!!!!!!)

120.: Vogt ist als Nächster dran und schiebt den Ball sehr souverän in die rechte untere Ecke. 0:2. (Der Königstransfer. Geht da zum Elfmeterpunkt und der Puls geht bei mir wieder runter. Wenn einer das Ding reinmacht, dann unser Leader. So ist es. Kevin Vogt, Kühlschrank des Jahres 2014 mit besonders guter Energieffizienz.)

120.: Janjic ist als nächster MSV-Spieler an der Reihe. Er tritt den Ball mit der Innenseite. Die Kugel ist viel zu unplatziert. Horn hat ihn wieder. Weiter 0:2. (WAS GEHT DENN HIER AB? Ist das fucking Oli Kahn oder ein 21-Jähriger mit Milchbubi-Gesicht? Fast vier Jahre jünger als ich und trotzdem alles, was ich werden will. Ein Irrer, ein Held!)

120.: Wimmer macht ganz kurzen Prozess. Er schickt Ratajczak in die falsche Ecke und schießt souverän rechts unten ein. 0:3. (Nur zwei schnell Fragen an dieser Stelle: Was kann dieser Junge eigentlich nicht und warum hauen die ihre Bälle alle so abgezockt in die Ecken. So wird das ja hier nix mit Elfer-Drama. Ist ja bald schon vorbei bevor es angefangen hat!)

120.: Feltscher muss treffen, damit der MSV noch dran bleibt und er erledigt seinen Job mit einem trockenen Flachschuss in die rechte Ecke. 1:3. (Jaja, ist ja gut. Will sehen, wer uns jetzt zum Triumph ballert!)

120.: Adam Matuschyk kann das Spiel entscheiden. Er zielt auf die linke untere Ecke. Ratajczak ahnt die Ecke, springt aber über den Ball hinweg. Das Leder ist drin. 1:4. Köln gewinnt und ist weiter. (Bei Adam fing alles an, bei Adam hört alles auf. Ein Blick, als ob er gerade die fünfte Wiederholung der Sommerausgabe von Wetten dass angesehen hätte, als ob das mit dem Fußball und dem Elfmeter und dem Pokal ganz langweilig wäre. Zack ins linke Eck. Adam Matuscyhk, Nervengott!)

Spieler im Fokus

Kazuki Nagasawa: Aller Anfang ist schwer. Begann auf der rechten Außenbahn und hatte so seine Probleme mit den schnellen, aggressiven Duisburgern, die den Japaner stark unter Druck setzten. Noch viele Stockfehler, viele falsche Laufwege, allerdings auch schon einigen genialen Momenten. Dass der Junge kicken kann sieht wohl auch jeder Möchtegern-Scouter aus der Gegend um Wanne Eickel. Das sah man auch gegen Duisburg. Es klappte lediglich noch wenig. Die gute Erkenntnis: Nagasawa kannte keine Rücksicht, haute sich in alle Zweikämpfe. An die Verletzung denkt er nicht mehr.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Pawel Olkowski: Hat bereits bei einem tollen Solo-Lauf in der zweiten Halbzeit mehr Übersteiger gezeigt als Miso Brecko in seiner ganzen Karriere. Brecko war ein sehr solider Arbeiter, Pawel Olkowski ist eine “Maschine” (O-Ton Jörg Schmadtke). Die meisten gefährlichen FC-Angriffe kamen über die rechte Seite, was weniger an Nagasawa denn am enorm dynamischen Polen lag. Seine beiden Ligaspiele waren zwar noch etwas besser, doch wenn Olkowski so weitermacht, ist er nur schwer zu verdrängen.

Timo Horn: Muss man an dieser Stelle überhaupt noch ein Wort schreiben? Hielt schon während der regulären Spielzeit alles, was auf seinen Kasten kam, was in diesem Spiel nicht gerade wenig war. Lediglich eine Mini-Unsicherheit bei einer Flanke. Im Elfmeterschießen dann eiskalt und gerade beim ersten Elfmeter mit einer sensationellen Parade. Muss künftig einen Pass mitführen, um beweisen zu können, dass er kein 35-jähriger Torwartroutinier ist.

Fazit

Während das Spiel für Menschen wie mich einen höchst emotionalen Akt darstellte, blieb dieses verrückte Team des 1. FC Köln auf dem Platz eiskalt. Die nüchterne, manchmal trockene Art von Peter Stöger wirkt sich auf die Mannschaft aus, die trotz ihren relativ jungen Altersdurchschnitts im Elfmeterschießen keinerlei Nerven zeigte. Bemerkenswert wie die jungen Spieler wie Kevin Wimmer und Kevin Vogt Verantwortung am Schluss übernehmen. Die beiden Kevins wachsen immer mehr hinein in die Führungsrolle, eine höchst positive Entwicklung.

Dass ansonsten einige Chancen höchst fahrlässig vergeben wurden und der Effzeh gegen einen Drittligisten teilweise hinten den Beton anrührte, dass das Spiel vom Niveau her relativ überschaubar war und viele Fehler den Spielverlauf prägten, das alles vergessen wir mal, denn der Pokal hat bekanntlich seine eigenen Gesetze.

Mehr aus Allgemein

.