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Ein Leben mit Podolski (2): Einmal Bayern und zurück

Am Mittwoch gegen England endet eine Nationalmannschaftskarriere, die beim effzeh ihren Anfang nahm. Vom Sommermärchen bis zur Rückkehr des verlorenen Sohnes nach Köln: Unser zweiter Teil zum Podolski-Abschied.

Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images

Anlässlich des letzten Länderspiels von Lukas Podolski am Mittwoch präsentiert effzeh.com eine fünfteilige Serie über seine Karriere: Angefangen bei den ersten Schritten im Kölner Dress im Jahr 2003 (Verdamp lang her!), bis über die Weltmeisterschaft 2006, die Rückkehr nach Köln im Jahr 2009 und den bitteren Abgang drei Jahre später wird die abwechslungsreiche Vita von Podolski bei uns beleuchtet. Am Mittwoch gegen England endet eine Nationalmannschaftskarriere, die beim effzeh ihren Anfang nahm. Vom Sommermärchen bis zur Rückkehr des verlorenen Sohnes nach Köln: Unser zweiter Teil zum Podolski-Abschied.

→ Ein Leben mit Podolski (1): Mit Urgewalt ins Rampenlicht
→ Ein Leben mit Podolski (2): Einmal Bayern und zurück
→ Ein Leben mit Podolski (3): Ein Ende mit Schrecken
→ Ein Leben mit Podolski (4): Unterwegs und doch am Ziel
→ Ein Leben mit Podolski (5): Der kölsche Exportweltmeister

München ist anders als Köln. Nicht nur was den örtlichen Fußballverein angeht, sondern auch in Sachen Mentalität und Lebensgefühl trennt die beiden deutschen Großstädte mindestens so viel, wie auch geografisch an Kilometern zwischen ihnen liegt. Wahrscheinlich sogar noch mehr. Doch da war er nun eben gelandet, der „Prinz Poldi“. Nach dem Abstieg mit dem 1. FC Köln und einer herausragenden Weltmeisterschaft im eigenen Land war der Transfer zum Rekordmeister schließlich so vorhersehbar, wie er sich später als irrtümlich entpuppen sollte. Doch Lukas Podolski war in diesem Sommer eben der ganz heiße Scheiß im deutschen Fußball – wenn nicht sogar weltweit. Nochmal im Unterhaus mit dem FC rumzugurken, das hätten weder der Bundestrainer noch große Sponsoren nachvollziehen können. Ein solch talentierter Spieler gehört doch auf die ganz große Bühne!

Das ist – rein fußballerisch – betrachtet auch sicherlich richtig. Podolski war ein Ausnahmetalent. Diese Dynamik, dieses Tempo, diese Spielfreude, dieser linke Fuß – all das hatte man in der Bundesliga damals lange nicht von einem deutschen Spieler gesehen, erst recht nicht von einem blutjungen. Also packten die Bayern rund zehn Mio. Euro aus und holten Podolski an die Isar.

Doch schon in der ersten Saison kam der Shooting Star unter Trainer Felix Magath nicht so zum Zuge, wie man das vorher erwartet hätte. Erst am siebten Spieltag durfte der Ex-Kölner erstmals über die volle Spielzeit in der Bundesliga ran. Und erzielte beim 4:2-Sieg der Bayern gegen die Hertha prompt einen Treffer selbst und bereitete einen weiteren vor. Rückblickend ist dieser Start in die Münchner Episode bezeichnend. Denn Podolski und die Bayern – gepasst hat das nie so richtig. Nicht weil „Poldi“ zu schlecht für den Rekordmeister gewesen wäre, vielmehr schienen Club und Spieler nicht die gleiche Sprache zu sprechen.

Spaßfußballer trifft auf Weltverein

Auf der einen Seite war dort der Weltverein mit größten Ansprüchen und straffem Leistungsprinzip, auf der anderen Seite der Spaßfußballer und Vertrauensmensch Podolski. Und der musste so auch bis zur Rückrunde auf die nächsten Startelfeinsätze warten – Ottmar Hitzfeld hatte Magath mittlerweile als Trainer beerbt. Wieder zeigte Podolski schon rein statistisch recht deutlich, worauf es bei ihm ankommt und legte prompt eine drei Spiele anhaltende Mini-Serie mit jeweils einem Tor pro Partie aufs Parkett. Gegen Saisonende verschwand der Nationalspieler dann aber doch wieder aus der bajuwarischen Startformation.

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Eine Situation, die sich auch in der folgenden Saison fortsetzen sollte. Erst am 13. Spieltag der Spielzeit 2007/08 durfte der Stürmer wieder von Beginn an ran – Bayern verlor prompt mit 1:3 gegen Stuttgart, Podolski wurde zur Halbzeit ausgewechselt und fand sich die nächsten Spiele erneut auf der Bank wieder. Es folgten Rückenprobleme und Frust, ehe der zum Edeljoker verkommene „Prinz Poldi“ in der Rückrunde endlich auch im Bayern-Dress mal halbwegs konstant Leistung bringen konnte. Am Ende standen mit fünf Toren und zwei Vorlagen aber nach wie vor eher unbefriedigende Zahlen für den Bergheimer Jungen in den Geschichtsbüchern.

Besser als Cristiano Ronaldo

Und vielleicht wäre Podolski schon im darauffolgenden Sommer weitergezogen, wäre es nicht ausgerechnet Jürgen Klinsmann gewesen, der Hitzfeld an der Seitenlinie beerben sollte. Der hatte zuvor als Nationaltrainer mit Podolski als Stammspieler schließlich großen Erfolg gehabt. Ohnehin war EM-Sommer und der kölsche Stürmer festigte lieber seine außergewöhnliche Bindung zum DFB-Team, als sich ernsthaft um einen Vereinswechsel zu kümmern. Jogi Löw, der Klinsmann mittlerweile beim DFB beerbt hatte, schätzte den damals 23-Jährigen auch als Bankdrücker bei den Bayern. Da war sie, die Vertrauensbasis, die Podolski in seiner ganzen Karriere so dringend brauchte, um zu funktionieren. Das tat er dann auch und spielte eine starke Europameisterschaft. Der Bundestrainer sollte später behaupten, sein Stürmer habe sowohl bei der WM 2006 als auch bei der EM 2008 besser gespielt als Cristiano Ronaldo. Also blieb die Nummer Zehn der DFB-Auswahl auch standesgemäß bei den Bayern – vorerst.

Entgegen der erneut hohen Erwartungen sollte es unter Klinsmann aber nur noch schlechter für den Kölner laufen. Der ehemalige Weltklasse-Spieler setzte zwar am ersten Spieltag auf Podolski (der prompt ein Tor erzielte), doch die Ergebnisse stimmten für Klinsmann beim Rekordmeister grundsätzlich nicht wirklich. Der Trainer probierte viel aus, rotierte, änderte die Grundaufstellung – für die Befindlichkeiten eines Podolskis blieb da kaum Platz. In der Winterpause stand der Stürmer mit vier Toren und einem Assist da – sicherlich keine katastrophalen Werte, aber immer noch nicht das, was einer der besten linken Füße der Welt grundsätzlich zu leisten im Stande war.

Unzufriedener Podolski

Podolski wurde immer unzufriedener und kommunizierte das auch. Er solle aufhören zu jammern, entgegneten Klinsmann und Bayern-Präsident Uli Hoeneß. „Jammern lasse ich mir nicht nachsagen“, reagierte Podolski strikt. „Das akzeptiere ich nicht.“ Und wieder war es Löw, der dem Kölner zur Seite eilte. „Eines steht fest: Lukas jammert nicht, er äußert nur seine Unzufriedenheit“, erklärte der Bundestrainer. „Er verhält sich im Kreis der Nationalmannschaft immer vorbildlich.“

Es ist kein Wunder, dass Podolskis Abschied nicht für den Protagonisten selbst, sondern auch für seinen väterlichen Begleiter Löw ein besonderes emotionaler werden wird. Das deutete sich bereits an, als Podolskis allgemeiner Frust nur wenig später bei einem Nationalelf-Spiel gegen Wales seinen Höhepunkt darin fand, dass er DFB-Kapitän Michael Ballack auf dem Platz eine Ohrfeige verpasste. Löw verzichte auf einen Rauswurf Podolskis und beließ es bei relativ sanften Strafmaßnahmen. Die kölsche Frohnatur und der Bundestrainer – es ist eben eine ganz besondere Bindung.

Aber eben auch eine, die Podolski zu Klinsmann beim Rekordmeister nicht mehr aufbauen würde. „Wenn ich wüsste, dass es wieder so läuft wie jetzt gerade, dann würde ich nicht noch mal unterschreiben“, erklärte Podolski. Er sei „unzufrieden und sauer“ darüber, dass er nur auf der Bank sitze. Die Zeichen standen auf Abschied, genauer gesagt auf Rückkehr.

Foto: Miguel Villagran/Bongarts/Getty Images

Doch bevor der verlorene Sohn für erneut zehn Mio. Euro zurück nach Köln wechseln sollte, erlebte er noch das Ende der Ära Klinsmann beim Rekordmeister. Und nur falls irgendjemand noch nicht von der Vertrauensthese überzeugt sein sollte, legte der wechselwillige Stürmer ein furioses Saisonfinale hin. Unter Jupp Heynckes, der die Bayern von Klinsmann eilig übernommen hatte, spielte Podolski von Beginn an und erzielte in den letzten fünf Spielen prompt sieben Scorerpunkte. „Wenn Heynckes früher gekommen wäre, würde Lukas vielleicht heute noch bei uns spielen“, erklärte Bayern-Präsident Hoeneß übrigens ein paar Jahre später. Deutscher Meister und Pokalsieger ist Podolski in München immerhin geworden, dennoch bleibt die Zeit in Bayern ein Einschnitt in der Karriere des Spaßfußballers. Der kometenhafte Aufstieg des kölschen Prinzen hatte sich rapide verlangsamt.

“Zurück zum FC, zu den Fans, zur Südkurve”

Doch Podolski wäre nicht Podolski, wenn ihn das sonderlich gejuckt hätte. „Ich wollte zurück zum FC, zu den Fans, zur Südkurve“, erklärte der Rückkehrer Jahre später. „Ich hätte vielleicht jahrelang in der Champions League spielen können, aber das war in dem Moment scheißegal.“ Köln ist eben anders als München.

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