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Auswärtsspiel

“Die Leute hier dürsten nach Emotionen”

Der Westschlager zwischen dem effzeh und Schalke steht an. Im effzeh.com-Auswärtsspiel spricht S04-Fan Torsten über Unstimmigkeiten auf Schalke, das Fehlen von Huntelaar und die Knappenschmiede.

Foto: Torsten Wieland
Foto: Torsten Wieland

Foto: Torsten Wieland

Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln stellen wir in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Für das Duell gegen Schalke 04 sprechen wir mit Torsten Wieland, der im Königsblog seine Meinung über die schönste (Neben?)Sache der Welt kund tut.

“Schon immer Fußballfan, auch ganz generell, habe ich mein Herz an den FC Schalke 04 verloren: Polarisierend, oft chaotisch und irrational, groß aber mit vielen kleinen Leuten, verteufelt und geliebt, vor allem nie langweilig. Ein großartiger, hochemotionaler Verein”, beschreibt er seine Liebe zu den “Königsblauen”. Im effzeh.com-Auswärtsspiel spricht der S04-Fan über Unstimmigkeiten auf Schalke, das Fehlen von Huntelaar und über die Knappenschmiede.

effzeh.com: Schalke reist nach Köln, ein echter Schlager im Westen. Ihr noch mittendrin im Kampf um die internationale Plätze, wir noch nicht ganz gerettet. Spannung ist also am Sonntag garantiert, oder?

Torsten: Ja … naja … nee … eigentlich nicht. Sicherlich hat Schalke noch sein Ziel, will in die Europa League, eigentlich sollte man meinen das kitzelt. Aber derzeit kitzelt nichts mehr. Zukunftsdiskussionen, Spielanlage und letztlich auch die Ergebnisse: Auf Schalke stimmt einiges nicht. Das ermüdet. Viele hier freuen sich auf die Sommerpause. Ich auch.

effzeh.com: Im Hinspiel konterte der effzeh Euch eiskalt aus und siegte 2:1. Erwartest du angesichts der Vorzeichen ein ähnliches Spiel?

Foto: Torsten Wieland

Foto: Torsten Wieland

Torsten: Könnte sein, dass Köln ähnlich zum Erfolg kommt, aber Schalke wird anders spielen als im Hinspiel. Damals hatte Di Matteo auf 3er/5er-Kette umgestellt, was eigentlich ganz gut funktionierte. Schalke war gegen Köln zunächst die bessere Mannschaft und hatte meines Erachtens einfach Pech, dass der Führungstreffer nicht gelang. Am Ende fehlte den Blauen die Luft. Sie hatten damals viele Verletzte, in den letzten drei Spielen vor der Winterpause ging die Truppe ziemlich auf dem Zahnfleisch. Jetzt spielt Schalke wieder mit Viererkette und Außenstürmer. Die aktuellen Probleme erinnern wieder an die Zeit unter Jens Keller. Schalke hat mit Ball gegenüber einer ordentlich strukturierten Defensive Probleme, gute Torchancen zu kreieren. Das Offensivspiel ist meistens zu langsam, häufig zu unpräzise. Man hofft auf die individuelle Klasse einzelner. Das ist auf Dauer etwas mau.

effzeh.com:  Zuletzt steckten die “Königsblauen” in der Krise, bissen sich aber gegen Stuttgart noch knapp durch. War ein solches Kampfspiel vielleicht die Wende zum Guten?

Torsten: Es ist ja nicht so, dass Schalke stets toll spielt und oft Pech hat, dass nur mal „der Knoten platzen“ musste. Schalke spielte gegen Stuttgart über weite Strecken sehr pomadig. Ich befürchte, dass sich das auch aufgrund eines glücklichen Sieges in letzter Sekunde nicht ad hoc ändern wird.

Schalke Choreo

Foto: Torsten Wieland

effzeh.com: Klaas-Jan Huntelaar beendete am vergangenen Wochenende seine Torflaute eindrucksvoll, muss aber im Duell beim effzeh aufgrund seiner fünften Gelben Karte passen. Wiegt sein Ausfall so schwer, wie wir denken?

Torsten: Eric Maxim Choupo-Moting und Klaas-Jan Huntelaar haben in der Hinrunde zusammen 16 von 28 Schalker Tore erzielt. In der Rückrunde kommen sie gemiensam auf zwei Treffer, eben die beiden von Huntelaar gegen Stuttgart. Schalke erzielte in den bisherigen 14 Rückrunden-Bundesligaspielen gerade mal 13 Tore. Klar, der Huntelaar-Ausfall wiegt schwer, weil er derjenige ist, auf den man aus Erfahrung am ehesten hofft. Aber Schalke hatte eben nicht nur eine Huntalaar-Torflaute. Schalke hat auch eine Choupo-Moting-Torflaute und eine generelle Offensivspielflaute.

effzeh.com: Real Madrid im Santiago Bernabeu an den Rand des Ausscheidens gebracht, gegen Freiburg glücklich ein 0:0 geholt: Sind diese zwei Schalker Gesichter erklärbar?

Torsten: Real Madrid war es in diesem Rückspiel offensichtlich irgendwie unangenehm, sich um eine stabile Defensive zu kümmern. So hatte Schalke recht viel Platz, war mutig, hatte früh Erfolg und wurde plötzlich von Adrenalin getrieben. Ein tolles, aber irgendwie auch vollkommen skurriles, irreales Spiel. Freiburg war dann wieder der Alltag mit einem zähen Gegner, an dem Schalke ewig rumkaute und den es nicht schlucken konnte.

effzeh.com: Generell scheint Schalke von außen betrachtet nach dem Trainerwechsel von Jens Keller zu Roberto di Matteo nicht den erwünschten Schritt nach vorne zu machen. Wie siehst du die aktuelle sportliche Situation bei Euch?

© effzeh.com

© effzeh.com

Torsten: Richtig, Schalke hat durch den Trainerwechsel noch keinen Schritt nach vorne gemacht. Ich hoffe das kommt noch. Roberto Di Matteo variiert die Taktik, lässt sich für jeden Gegner eine entsprechende Taktik einfallen, ändert Dinge flott, wenn sie nicht funktionieren. Dahingehend macht er auf mich einen guten Eindruck. Aber auf Schalke wird der Druck stets schnell groß, wenn nicht gewonnen wird. Und Di Matteo hat es schon auf Grund des Typs, der er ist, nicht leicht auf Schalke. Die Leute hier dürsten nach Emotionen. Dass Horst Heldt einen so kühlen Typ verpflichtete ist vielleicht mutig, vielleicht aber auch nur vollkommen realitätsfern.

effzeh.com: Man liest immer häufiger, dass sich Fans von dem derzeitigen Weg des Vereins abwenden. Ist vielleicht die Bindung zwischen Klub und Fans irgendwo zwischen Millionentransfers, Champions League und Veltins-Arena auf der Strecke geblieben?

Torsten: Für ganz viele ist Schalkes Weg, bei allem auf und ab, der richtige. Der Club ist insgesamt doch recht erfolgreich. Aber ja, es gibt auch viele Fans, die den Weg schon Jahrzehnte begleiten, die spüren, dass der Verein dabei ist, das Besondere zu verlieren. In der Hatz nach mehr Geld, mehr Internationalität und mehr Erfolg droht Schalke austauschbar zu werden. Wenn dann auch noch der Fußball eher langweilt denn begeistert und sich die sportliche Entwicklung stets im Kreis dreht, verlieren einige die Lust. Immer mehr, leider.

effzeh.com: Auffällig ist aber grundsätzlich, dass S04 eine hervorragende Jugendarbeit macht. Spieler wie Höwedes, Sané, Meyer oder Draxler zeugen davon genauso wie die vier West-Meisterschaften in der U19. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Knappenschmiede?

Foto: Torsten Wieland

Foto: Torsten Wieland

Torsten: Seit Horst Heldt auf Schalke Sportvorstand ist gehört die „Produktion“ von Spielern zum Konzept für die Profiabteilung. Spieler aus der eigenen Jugend sind kein nettes Plus, sondern es ist das erklärte Ziel, in jedem Jahr zwei Spieler der Knappenschmiede in den Profikader zu integrieren. Die Durchlässigkeit ist sichtbar für Jedermann, wodurch Schalke wiederum für andere Talente attraktiv wird. Damit das funktioniert müssen natürlich ganz viele Leute eine gute Arbeit machen. Aber es lohnt sich. Die Knappenschmiede ist unter Fans sehr beliebt und gerade die U19 ist vielbeachtet. Bei der letzten Jahreshauptversammlung bekam die Mannschaft und insbesondere Trainer Norbert Elgert den lautesten Applaus des Tages.

effzeh.com: Wir verbinden mit Schalke häufig das ungesühnte Handspiel von Oliver Held 1998, das uns den Abstieg brachte. Was aber kommt dir in den Sinn, wenn du an den effzeh denkst?

Torsten: Ich denke da vor allem an Auswärtsfans, die sich nicht zu benehmen wissen. Auf Schalke ist das Heimspiel gegen Köln das ätzendste der Saison. Aus Sicherheitsgründen wurde zuletzt das halbe Stadion abgesperrt, auf den Tribünen gab es gleich an mehreren Stellen Ärger und diese Nummer mit dem Schmeißen von Scheiße und Pissebechern: Tiefer kann man eigentlich nicht sinken.
Natürlich kann der Club nichts dafür und natürlich gibt es in Köln eine ungleich größere Zahl an prima Fußballfans. Aber sowas prägt eben das Bild. Und das ist keineswegs subjektiver, als einen ganzen Club anhand einer Szene aus einem Fußballspiel von vor 17 Jahren zu definieren.

effzeh.com: S04 galt lange als der Chaosklub der Liga, hat sich aber in den letzten 20 Jahren in der Bundesliga-Spitze etabliert. Wir dagegen sind den umgekehrten Weg gegangen und konsolidieren uns nur allmählich. Wie beurteilst du den Weg, den der effzeh aktuell geht?

Foto: KÖLN-SÜD

Foto: KÖLN-SÜD

Torsten: Ich denke, dass der effzeh mit Peter Stöger vor allem einen sehr passenden Trainer gefunden hat. Er wurde gleich zum „Gesicht des Clubs“, er bestimmt die öffentliche Wahrnehmung und hat den nötigen sportlichen Erfolg. Zu dieser Verpflichtung kann man den effzeh nur beglückwünschen. Mit ihm und Jörg Schmadtke ist der Club an den fürs Sportliche wichtigsten Positionen sehr gut aufgestellt. Was die Clubführung darüber hinaus leistet, wohin die Politik des Clubs führt, dazu mag ich mich nicht äußern, darüber weiß ich zu wenig.

effzeh.com: Zum Abschluss: Dein Tipp, bitte!

Torsten: 2:1 Schalke

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