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Meinung

Aus Frankfurt nichts Neues

Die Strafen für den effzeh mögen als halbwegs milde aufgefasst werden, doch Wirkung und Sinn bleiben ähnlich zweifelhaft, wie ihr juristisches Fundament. Ein Kommentar.

© effzeh.com
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Fanvergehen und Verbandstrafen: Wenn Fußball zur Nebensache wird.                                  © effzeh.com

Nach den Vorfällen in Mönchengladbach hat das DFB-Sportgericht sein Urteil gefällt. Die Strafen für den effzeh können als milde aufgefasst werden, doch Wirkung und Sinn bleiben ähnlich zweifelhaft, wie ihr juristisches Fundament. Ein Kommentar von David Schmitz. 

Es müssen anstrengende Wochen am Geißbockheim gewesen sein. Nicht nur, dass die sportliche Situation bis zum Heimsieg gegen Frankfurt ins Gefährliche zu kippen drohte. Nein, die Verantwortlichen beim 1. FC Köln mussten sich auch darum kümmern, Maßnahmen zu ergreifen. Denn dass der übermächtige DFB das erwarten würde, war nach dem Derby in Mönchengladbach klar. Und der Verband hat bekommen, was er wollte.

Der Verein hat der Ultra-Gruppe “Boyz” den Fanclubstatus aberkannt und anhand einer veralteten Mitgliederliste gegen 45 Personen, die Mitglied der “Boyz” sind oder der Gruppe vermeintlich “nahe stehen” Stadionverbot erteilt. Bei sechs der Betroffenen wurde die Strafe – nach erfolgreichem Einspruch und der Versicherung kein Mitglied der “Boyz” zu sein – wieder aufgehoben. Angesichts der umfangreichen Akte, die diese Ultra-Gruppe durch Fehlverhalten in den letzten Jahren, angehäuft hat, dürfte es wahrscheinlich sein, dass mit dieser Strafe durchaus die Richtigen erwischt wurden. Doch die Methodik bleibt zweifelhaft. Denn dass jeder Bestrafte Einspruch erheben konnte, ändert nun mal nicht, dass er zunächst einmal auf Grund seiner vermeintlichen Mitgliedschaft zu einer Gruppe und nicht wegen eines individuellen Fehlverhaltens bestraft wurde. Gemeinhin wird das im Fankulturjargon “Kollektivstrafe” genannt, losgelöst aus diesem Kontext redet man von Sippenhaft.

Die Strafe, die den Verein, aber eben auch seine Fans seitens des DFB nun trifft, ist ironischerweise genau das Gleiche: Sippenhaft auf mehreren Ebenen.

Kollektivhaftung ist die rechtliche Verantwortung einer Gruppe für Handlungen eines oder mehrerer ihrer Mitglieder. Sie widerspricht der aufgeklärten Grundhaltung europäischer Kulturtradition, wonach jeder für seine Taten eine individuelle Verantwortung trägt. ~ Wikipedia

Zum einen wird auf den 1. Fußballclub Köln das Eltern haften für ihre Kinder-Prinzip angewendet; der Verein haftet für seine Fans, dabei hatte er weder in Duisburg, noch in Mönchengladbach Hausrecht. Aus dem unterstellten quasi-elterlichen Verhältnis gegenüber den eigenen Fans, kann man für den Verein maximal eine moralische Verantwortung ableiten. Juristisch ist da vor einem ordentlichen Gericht nichts zu holen.

Zum anderen werden die 2.500 Karteninhaber in den Blöcken S3 und S4 der Kölner Südkurve für die Verfehlungen anderer bestraft. Bei den Spielen gegen Hoffenheim, Schalke und Leverkusen dürfen diese Fans, die Leistung, die sie erworben haben, nicht wahrnehmen. Der Verein will lediglich die entsprechenden Kosten erstatten. Das Gefühl nicht erwünscht zu sein, wird bleiben. Die Mehrheit dieser 2.500 Individuen hat sich schließlich nichts zu Schulden kommen lassen. Erneut wird hier als Strafgrundlage eine Verantwortung hergestellt, die maximal moralisch existiert. Denn selbst wenn jeder der Karteninhaber in Mönchengladbach gewesen wäre, eine tatsächliche Schuld ergäbe sich daraus nicht.

Die anderen Maßnahmen, die der Strafenkatalog des DFB vorsieht, sind gleichsam merkwürdig. Die Frage, warum infrastrukturelle Änderungen am Kölner Stadion angeordnet werden, wenn doch Vorfälle in der Fremde bestraft wurden, ist nur eine von vielen Fragen, die man stellen könnte. Die Frage, die wichtiger ist, aber leider selten gestellt wird, lautet jedoch: Was soll das bringen?

“Das ist ausdrücklich keine Kollektivstrafe”, erklärte DFB-Vizepräsident Rainer Koch gegenüber “Sky Sport News HD”. Die überragende Mehrheit der Fans sei schließlich von dem Urteil ausgenommen. Die Definitionsproblematik was den Begriff “Kollektivstrafe” angeht, nimmt immer merkwürdigere Züge an. Es mag zwar keine Strafe gegen alle Stadionbesucher sein, jedoch eine gegen alle Karteninhaber der Blöcke S3 und S4 – und somit gegen ein Kollektiv. Entscheidender ist aber das, was Koch noch gesagt hat:

“Man kann Vorfälle wie beim Spiel Mönchengladbach gegen Köln nicht tolerieren – das ist das Ende des Fußballs. Von diesen wenigen Personen müssen sich alle distanzieren, und das kann meiner Meinung nach auch die Mehrheit der Ultras.”

Mal abgesehen davon, dass die Wortwahl angesichts der wahrhaftigen Gewaltätigkeit der Vorfälle mehr als dramatisch ist, wird hier das Motiv der Strafe sichtbar: Es soll Druck auf die “Wilde Horde” und die “Coloniacs” aufgebaut werden, eine Selbstkontrolle der Südkurve erreicht werden. Das klingt im ersten Moment ja auch irgendwie gut.

Die Realität aber ist, dass diese Maßnahme die Solidarisierung innerhalb der Kurve noch verstärken wird. Niemand wird gerne für etwas bestraft, dass er nicht getan hat – das erzeugt lediglich Trotz. Abgesehen davon könnte es die Polizei vor eine schwierige Aufgabe stellen, dass bei den Spielen gegen Leverkusen und Schalke große Teile der Ultras nicht im Stadion, sondern auf der Straße sein werden. Der Corpsgeist der Vertriebenen kriegt neues Futter.

Es steht außer Frage, dass es unter Ultras einige Unverbesserliche gibt, die schlichtweg nicht kapieren, dass die eigene Egozentrik das Fansein überschreitet. Wer auf Plätze stürmt, obwohl die Folgen für den Verein genau bekannt sind, ist fraglos nicht bei Trost – und kassiert auch völlig zurecht ein Stadionverbot. Genauso unstrittig ist, das solange der Status Quo ist, wie er ist, Pyro-Aktionen nicht akzeptabel sind – erst recht nicht, wenn sie derart unkontrolliert ablaufen. All das ändert jedoch nichts daran, dass man keine konstruktive Stimmung schafft, wenn man nur um ein paar Schuldige zu erwischen, Unschuldige bestraft.

Es ist kein wichtiges Signal, das der DFB gesetzt hat. Es wird lediglich wieder deutlich, auf wie vielen Ebenen das System krankt und wie schief die Verantwortungslage in dieser Problemzone ist. Dabei ist grundsätzlich fraglich, auf welchem Fundament die DFB-Sportgerichtbarkeit überhaupt steht.

Als man im letzten Jahr Energie Cottbus mit einem Teilausschluss bestrafen wollte, wurde das DFB-Urteil vom örtlichen Amtsgericht kassiert – der Verein musste die Karteninhaber hereinlassen. Damals fügte sich der Verband zähneknirschend dem ordentlichen Gericht. Dass sich die Situation juristisch hochschaukelt, wollte man unbedingt vermeiden. Denn spätestens wenn der Verband einen Verein wegen Fan-Vergehen mit einer Strafe belegt, die tatsächlich existenzbedrohend ist, wird es für den zur Pflicht, gegen das Urteil vorzugehen. Es käme zum juristischen Showdown. Das DFB-Sportgericht, das Judikative und Exekutive gleichzeitig ist, käme auf den Prüfstand. Dann hätte vielleicht auch die Arbeit im Geißbockheim schnell wieder mehr mit dem zu tun, um das es dort eigentlich gehen sollte: Fußball.

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